Essen-Steele. Wie schmeckt und riecht ein Stadtteil? Freudenhaus erzählt Geschichten aus Essen-Steele jenseits der großen Historie.
Ein versiegelter Bunker, große Liebesgeschichten, kleine Anekdoten: Vor zwei Jahren hat sich das Theater Freudenhaus im Rahmen eines Bürgerprojektes auf die „Suche nach der Seele von Steele“ gemacht. Das Ergebnis: eine Collage aus Ton- und Filmaufnahmen, Spielszenen und Lesungen, für die Rainer Besel, künstlerischer Leiter des Theaters, den Begriff „Dokumentationstheater“ nutzt. „Mensch, Steele! Echte Geschichten aus dem Stadtteil“ ist nach zwei Vorstellungen im vergangenen Jahr jetzt noch einmal zu sehen: am 13. Dezember um 20 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Wie also sieht sie aus – die Seele von Steele? „Sie ist sehr divers, sehr vielfältig und hat viele Schattierungen, gute wie schlechtere“, sagt Besel. Rund 20 Gespräche hat das Team des Freudenhaus‘ damals zur Vorbereitung geführt. Mit Ortspolitikern, Kulturschaffenden, Mitgliedern verschiedener Religionsgemeinschaften, Bürgerinnen und Bürgern – teils am Telefon, teils bei Stadtteilspaziergängen, teils im Theater, „einfach, weil es entsetzlich geregnet hat“. Dabei sei klar geworden, „dass es einiges gibt, was Steele wirklich ausmacht“. Das Wort „Dorfcharakter“ etwa sei oft gefallen – im absolut positiven Sinn und bis hin zum Bild der spielenden „Blagen“ auf der Straße.
Geschichten über Liebe und Weinbrand
Ausgangpunkt für das vom Land geförderte Projekt sei damals die Frage gewesen: Wie ist er eigentlich, dieser Stadtteil, in dem das Freudenhaus wirkt? „Wir wollten wissen, wie riecht Steele? Wie schmeckt Steele? Und haben darauf aufbauend einen Fragenkatalog erarbeitet.“ Zu Wort kommen beispielsweise der Künstler Dieter Kunst und Eduard Schreyer von der Steeler Bürgerschaft, „der in Steele seine Frau kennengelernt hat und davon erzählt; längst nicht die einzige Liebesgeschichte, von der wir erfahren haben“.
Aktuelle Termine
Weitere aktuelle Termine des Theater Freudenhaus im Grend:
27. November, 17 Uhr: „Zwei Witwen sehen rot“
2. Dezember, 20 Uhr: „Freunde der italienischen Oper“
4. Dezember, 17 Uhr: „Fortuna“
Und es sind genau diese persönlichen Geschichten – die heimlichen und weniger heimlichen Lieblingsorte, die Sicht des ehemaligen Sportlehrers auf den Stadtteil, die Erinnerungen an die Anfänge der italienischen Gastarbeiter –, die das Team um Besel finden wollte. Es ging weniger darum, die offizielle Historie nachzuzeichnen. „Wir haben zum Beispiel ganz viel über die alten Kneipen erfahren.“ Besels Favorit: Asbach-Käthe, eine Wirtin mit Hang zum Weinbrand, die ab einer gewissen Stunde den Kunden die Kneipe überließ. Und die rechneten tatsächlich haargenau ab und räumten gleich noch auf, während die Hausherrin auf dem Billardtisch versackte.
Geschenk an den Stadtteil
Es darf also gelacht werden bei diesem Dokumentationstheater, geschmunzelt auch. Und doch steckt in „Mensch, Steele!“ mehr als verklärende Nostalgie. Denn Thema ist etwa auch die Sanierung des Stadtteils in den späten 1960er- und 1970er-Jahren, der damit sein altes Gesicht verlor. Und ja: Auch die Steeler Jungs kommen vor, mit Posts von deren Facebook-Account, zur Verfügung gestellt aus einer WDR-Dokumentation. Hetzparolen, die kommentarlos den Namen auf Steeler Stolpersteinen gegenübergestellt werden. „Wir haben schnell gemerkt, wie sehr den Menschen der Stadtteil am Herzen liegt. Aber es ist quasi wie in jeder Liebesbeziehung – es gibt gute und auch schlechte Aspekte. Und auch diese Kritik halten wir fest.“
Die meiste Arbeit sei es schlussendlich gewesen, einen „Berg an Material“ auf eine Theatercollage von anderthalb Stunden „einzudampfen“. Eine Collage, die Besel als ein „Geschenk an den Stadtteil“ versteht. Ein Geschenk, von dem er hofft, dass es angenommen wird. Denn noch läuft es am Theater Freudenhaus längst noch nicht wieder so, wie es laufen könnte. „Gar nicht mehr so sehr wegen Corona“, meint Besel, sondern, weil sich etwas verändert habe bei den Menschen selbst. „Wir brauchen als Theater endlich unser Publikum zurück.“