Essen. In zwölf Jahren wagte sich die Fakt-Gruppe an immer neue, immer größere Projekte. Jetzt droht die Pleite – auch für Macher Hubert Schulte-Kemper.

Er hat immer schon gern am ganz großen Rad gedreht: als Chef der Hypothekenbank in Essen, als Kultur-Mäzen und zuletzt als Immobilien-Manager der Fakt AG. Hier bewies Hubert Schulte-Kemper Wagemut für Multi-Millionen-Vorhaben, an die sich die Konkurrenz meist nicht rantraute: „Wo andere erst mal ein Problem sehen, überlege ich an der Lösung“ – das war einer dieser flotten Sprüche, mit denen der mittlerweile 76-Jährige sich gern zitieren ließ. Eine Denke, die seit diesem Donnerstag, schlag 15.11 Uhr, gefragt sein dürfte wie noch nie: Da musste Schulte-Kempers Fakt AG beim Essener Amtsgericht Insolvenz anmelden.

Er selbst hatte erst vor wenigen Tagen seinen Chefposten im Vorstand geräumt, wollte in den Aufsichtsrat wechseln. Doch auch dort steht jetzt keine Millionen-Jonglage mehr im Mittelpunkt, sondern ein schlichtes Kürzel: 162 IN 206/22 – das ist das Aktenzeichen, unter dem der sanierungserfahrene Rechtsanwalt Dr. Gregor Bräuer, Partner der bundesweit agierenden Sozietät hww, als vorläufiger Insolvenzverwalter retten soll, was zu retten ist.

„Mir geht’s gut“, sagt Hubert Schulte-Kemper – und versucht, lässig zu klingen

Es gibt Kenner der Materie, denen schwant: Das kunstvoll verwobene Gestrüpp aus 35 oder mehr Gesellschaften unterm Dach der Fakt AG – zwischen Wohnungsbau und Energie, Gewerbe-Deals und Kapitalmarkt-Finanzierung – könnte nun wie ein Kartenhaus zusammenfallen. Schulte-Kemper widerspricht dieser Mutmaßung mit betont lässigem Unterton: Dass die Insolvenz der Fakt AG alles mit sich reiße, sein persönliches Vermögen inklusive, stehe „überhaupt nicht“ zur Debatte, so winkt er im Telefonat ab.

Wie er sich jetzt fühlt? „Mir geht’s gut“, sagt er da. Er sei „sehr zufrieden mit dem, was ich alles erlebt habe“, was sich dann aber doch verdächtig nach einem Schwanengesang anhört. Pandemie, Ukraine-Krieg, die Inflation – da sei eben alles nicht so einfach, „aber mehr sage ich nicht, das habe ich versprochen“.

Schon 2021, heißt es in Marktberichten, kam Fakt Zahlungsverpflichtungen nicht nach

Dass es mehr als nur leicht kriseln muss im Hause der Fakt AG, war für aufmerksame Leser des Kleingedruckten seit Monaten klar. Nachzublättern in Marktberichten der „Wealthcap Kapitalverwaltungsgesellschaft“, denn 2019 hatte Fakt das alte Rheinstahl-Haus am Hauptbahnhof für 71,8 Millionen Euro an einen geschlossenen Immobilienfonds verkauft. Der wiederum lässt in seinen Berichten wissen, die Fakt AG sei „seit Dezember 2021 ihren zu erbringenden Zahlungen aus den Garantiemietverträgen nicht nachgekommen und versucht sich nach unserer Einschätzung von ihren Verpflichtungen zu lösen“.

Andere Quellen sprechen von einem vor kurzem geplatzten Zahlungs-Moratorium mit Geldgebern abseits großer Banken, denen Fakt Zinsen in teils horrender Höhe zahlte. Bei Fakt räumt man immerhin ein, dass sich die Gruppe mit ihren Tochterfirmen bereits vor dem Insolvenzantrag „in einer gruppenweiten Restrukturierung“ befand. Man wolle, so ließ sich der Vorstand am Donnerstag zitieren, „mit aller Kraft an einer Stabilisierung des Unternehmens“ arbeiten. Trotz der „aktuell kritischen Lage“ gelte es, eine Liquidation zu vermeiden.

Immer neue Immobilien-Vorhaben bauten sich auf wie ein Schneeball-System

Eingeweihte sehen die Chancen dafür allerdings skeptisch: Die immer neuen, immer größeren Immobilien-Vorhaben hätten wie ein Schneeball-System gewirkt, die Vermögens-Substanz stecke dabei vor allem in den Buchwerten der Immobilien, die in immer neue Höhen gejazzt worden seien. Nun aber, da vor allem die Bau-Branche unter Krieg und Krisen, Inflation und kippenden Miet-Kalkulationen leidet, verdüsterten sich die Aussichten rapide.

Ohne Bewegung aber kippt das Modell. Die Stadt Essen kommt dabei womöglich noch am glimpflichsten davon: Nur an der Ruhrallee 80, nicht weit vom Sitz des Unternehmens in der alten Ruhrgas-Zentrale, aus dem Fakt den „Ruhrturm“ machte, ist ein neues Rechenzentrum geplant. Auf 700 Quadratmetern soll dieses als Teil eines Verbunds aus Rechenzentren das Ruhrgebiet an die europäische Cloudlandschaft anbinden und die regionale Wirtschaft stärken.

Ihm gehören 53 Prozent von Fakt, „vielleicht auch 55“, so wichtig ist ihm das nicht

Problematischer sieht es da schon in einigen benachbarten Ruhrgebiets-Kommunen aus: am Shamrock-Park in Herne etwa oder im Hansa Center in Bottrop. Schon hat der Bottroper Oberbürgermeister signalisiert, dass die Stadt das örtliche Fakt-Projekt lieber in eigene Hände nehmen will.

Hubert Schulte-Kemper wird all dies mit Argusaugen beobachten, Vorstand hin, Aufsichtsrat her: Ihm gehören 53 Prozent an der Fakt AG, „vielleicht auch 55“, rätselt er am Telefon, so genau nimmt er das offenbar nicht. Um im Ruhrgebiet mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, hat er erst im Mai noch eine Absichtserklärung mit der Landesregierung von NRW und sieben Revier-Städten getroffen. Danach will die Fakt Wohnungsbau AG in Grundstücke mit einer Gesamtfläche von 450.000 Quadratmetern in den Ruhrgebietsstädten investieren.

Wie gesagt: das ganz ganz große Rad.