Essen-Kupferdreh. Das von der CDU geforderte Radfahrverbot auf einem Abschnitt des Ruhrtalradwegs am Baldeneysee empört viele. Es gibt aber auch andere Meinungen.

„Die haben doch den Schuss nicht gehört“, spricht Frank Teichner das aus, was so mancher Radfahrer derzeit denkt. Es geht um den Vorschlag der örtlichen CDU, das Radfahren auf rund einem Kilometer Ruhrtalradweg am Baldeneysee in Kupferdreh zu verbieten. Diese vielgenutzte Strecke gehört zudem zum Hauptroutennetz. Viele finden die Idee unsinnig, doch die Meinungen sind durchaus differenziert.

„Diejenigen, die hier ein Radfahrverbot fordern, haben das entweder nicht gut überlegt oder waren zu selten am Baldeneysee“, sagt Nikolaos Kyriazopoulos (45), denn es geht genau um den Bereich am Hardenbergufer, wo seine Familie und er einen Kiosk mit Biergarten betreiben. Folglich ist er täglich vor Ort, kennt natürlich Konflikte, wenn etwa Radfahrer den Fußgängern die „Vorfahrt“ nehmen. „Aber es gibt doch hier nicht so viele Unfälle, dass man über ein Verbot überhaupt nachdenken müsste.“

Argumentiert man mit Unfällen, „kann man die halbe Stadt für Radfahrer sperren“

Wenn man schon Unfälle als Argument anführe, ergänzt ein Radfahrer, „dann kann man die halbe Stadt sperren.“ Und: „Dann dürfen sie in Rüttenscheid überhaupt nicht mehr fahren“, sagt ein Dilldorfer, der glaubt, dass man das Problem mit viel zu schnellen Radfahrern so nicht in den Griff bekomme.

In dieser steilen Kurve sollen Radfahrer künftig absteigen, um Unfälle zu vermeiden, das fordert die CDU auf der Ruhrhalbinsel.
In dieser steilen Kurve sollen Radfahrer künftig absteigen, um Unfälle zu vermeiden, das fordert die CDU auf der Ruhrhalbinsel. © FUNKE Foto Services | Julian Heppe

Statt der Forderung nach einem Verbot wären doch beispielsweise Barrieren im Boden möglich („wie an der Hammer Straße für Motorradfahrer“), um die Radfahrer wachzurütteln und darauf hinzuweisen, dass in dem Bereich langsamer gefahren werden sollte. Er jedenfalls, als jemand der die Situation jeden Tag erlebt und als einer, dessen Kiosk für das Verbot herangeführt wird, sei gesprächsbereit und habe immer ein offenes Ohr. Das Verbot jedenfalls bleibe unsinnig.

Geht es nach der Vorstellung der Christdemokraten, sollen Radfahrer künftig auf etwa 900 Metern vom Hardenbergufer/Deilbachmündung bis zum Prinz-Friedrich-Platz absteigen und schieben. Denn in diesem Bereich seien einfach zu viele weitere Gruppen wie Spaziergänger, Fahrgäste der Weißen Flotte, Hundehalter, Inlineskater, Vereinsmitglieder sowie Gäste von Nikos Biergarten oder anderen Lokalen unterwegs. Das führe zu gefährlichen Situationen und mitunter auch zu Unfällen, lauten die Argumente.

Hinweisschilder wie an der Grugatrasse oder Piktogramme auf dem Boden

„Wenn Fußgänger nicht zu viert nebeneinander laufen würden und manche Radfahrer nicht mit 30 km/h unterwegs wären, dann wäre das Problem gelöst“, entgegnet wiederum Radfahrer Frank Teichner und spricht das aus, was viele an diesem Morgen am Baldeneysee bewegt – rücksichtslose Rennradfahrer. Hinweisschilder wie an der Grugatrasse oder Piktogramme auf dem Boden könnten diese ermahnen.

Für die Kupferdreher Richard Simon und seine Frau Ulla, die fast tagtäglich am Baldeneysee spazieren gehen, gibt es nur eine Lösung: „Gegenseitigen Respekt.“
Für die Kupferdreher Richard Simon und seine Frau Ulla, die fast tagtäglich am Baldeneysee spazieren gehen, gibt es nur eine Lösung: „Gegenseitigen Respekt.“ © FUNKE Foto Services | Julian Heppe

„Rücksicht statt Verbot“, fordert auch Radfahrerin Ulrike Keutner (64), gesteht durchaus, dass es am Wochenende fürchterlich sei und es ganz einfach wäre, wenn alle an viel genutzten Abschnitten langsamer fahren würden. Das gelte im übrigen auch für Inlineskater, sagt sie und hat noch eine konkrete Idee: „Der Weg vorbei am Spielplatz („hier staut es sich regelmäßig“), der könnte durchaus für Radfahrer gesperrt werden.“ Das würde die Lage entschärfen und der alternative Weg vorbei am „Lukas“ (alter Bahnhof) sei durchaus zumutbar. Ein generelles Verbot für eine so lange Strecke hingegen findet sie unmöglich.

Ein Verbot für Radfahrer wäre nicht zu kontrollieren

„Die beschriebenen Probleme existierten doch ausschließlich an sonnigen Wochenenden im Sommer“, sagt eine weitere Radfahrerin (69). An diesen Tagen bleibe die Strecke ein Knackpunkt, aber man könne doch nicht deshalb das Fahren auch an allen anderen Tagen verbieten. „Ein Verbot ist ohnehin keine Lösung, denn das ist doch überhaupt nicht zu kontrollieren.“ Ein zeitlich beschränktes Verbot wäre zwar denkbar: „Aber bei schlechtem Wetter, wenn nichts los ist, schiebt doch keiner“, ist sie überzeugt.

„Viel sinnvoller wäre es, wenn Radfahrer auf der ehemaligen Eisenbahnbrücke absteigen müssten“, nennt ein Nordic Walker (81) einen direkt benachbarten Abschnitt. „Da muss man sich bei manchem Rennfahrer regelrecht in Deckung bringen“, beschreibt seine Frau (76), die sich an solchen, viel genutzten Strecken zumindest Schritttempo wünschen würde. Ulla und Richard Simon, die als Kupferdreher beinahe tagtäglich am See spazieren gehen, dabei Eltern mit Kindern, Radfahrer, Halter freilaufender Hunde beobachten, glauben nur an eine Lösung: „Gegenseitiger Respekt:“ Stattdessen werfe kaum einer ein Auge auf den anderen.

Politik hat bereits eine Verlegung des Anlegers der Weißen Flotte prüfen lassen

„Auf der Brücke bin ich selbst als Jogger schon zweimal angefahren worden“, sagt CDU-Ratsherr Dirk Kalweit, der dreimal in der Woche um den See laufe und das Thema schon lange kenne. Auch für diese gab es bereits die Forderung, Radfahrer sollten absteigen – nicht nur von der CDU.

Da nicht alle Unfälle und Zusammenstöße bei Polizei und Rettungsdienst landeten, helfe auch die Statistik nicht weiter (die Polizei hatte gerade einmal einen Unfall im Mai 2021 aufgenommen). Die Politik hätte daher bereits eine Verlegung des Anlegers der Weißen Flotte prüfen lassen, doch solche und weitere Ideen seien dann beispielsweise wegen rechtlicher Hürden nie zum Ergebnis gekommen.

„Jetzt aber verdichtet sich das Problem, daher muss eine Lösung her“, sagt Kalweit deutlich, der sich zwar mit Blick auf die Forderung der Ruhrhalbinsel-CDU zurückhaltend zeigt, aber klar an einen Konsens aller Fraktionen glaubt Dazu müssten weitere Verantwortlichen Flagge zeigen, Verwaltung und Verbände müssten einbezogen werden. Und: „Eine Lösung kann nicht zu Lasten einer Gruppe gehen.“ Fest stehe jedenfalls: So könne es nicht bleiben.