Essen. Die Kaufhaus-Krise schröpft den Standort Essen arg. Dennoch plädieren auch Arbeitnehmer für den harten Schnitt: „Das ist unsere letzte Patrone.“
Im Kaufhaus sind sie seit Jahren Kummer gewöhnt – egal, ob „Karstadt“, „Kaufhof“ oder „Galeria“ auf dem Schild stand. Als die neue Krise um die Kurve kam, ließ die trotzige Reaktion der Arbeitnehmer-Vertreter deshalb nicht lange auf sich warten: „Für uns geht es jetzt darum, möglichst jeden Arbeitsplatz zu erhalten,“ sagte Stefanie Nutzenberger vom Bundesvorstand der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Eine kämpferische Geste, die aber in der Konzernzentrale dieser Tage niemanden beruhigen kann. Hier gehen sie vom Schlimmsten aus: dass 400 Kolleginnen und Kollegen ihren Job verlieren.
400 plus X, wenn’s noch dicker kommt. Das ist die Zahl, die im Raum steht und die doch niemand öffentlich formulieren mag. Abgeleitet ist sie nicht etwa aus einer detaillierten, abteilungsscharfen Personal-Streichliste. Sondern aus dem schlichten Umstand, dass ein Drittel der Filialen aufgegeben werden soll, so hatte es Geschäftsführer Miguel Müllenbach als Menetekel bereits an die Wand gemalt. Ein Drittel, „mindestens“.
Die Quote einfach übertragen? Die Größenordnung dürfte stimmen, heißt es
In Arbeitnehmer-Kreisen haben sie diese Drittel-Quote kurzerhand auf die Hauptverwaltung an der Essener Theodor-Althoff-Straße übertragen. Dort mühen sich derzeit noch gut 1200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dem zweitgrößten Warenhauskonzern Europas blühende Konsumlandschaften zu bescheren, so wie es die stilisierte Blüte im neuen Firmenlogo verheißt. Ein Drittel von 1200, damit stünden 400 Jobs auf der Kippe. Ist es wirklich so einfach?
Die Größenordnung stimme allemal, heißt es aus Kreisen des „Galeria“-Betriebsrates. Wenn 40 Filialen und mehr aus dem Netz fielen, dann würden schon die Belegschaften der jeweiligen Standorte mit Argusaugen darüber wachen, dass im fernen Essen nicht ein überdimensionierter „Wasserkopf“ der Kaufhaus-Verwaltung zurückbleibe. Und schließlich gilt das Drittel als untere Grenze, bei Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz klang das gegenüber dem WDR noch ein wenig drastischer: Von den 131 Warenhäusern werde „nur ein harter Kern“ übrig bleiben, ließ der wissen.
Auch in Betriebsrats-Kreisen ist vielen klar: „Der nächste Schuss muss sitzen“
Zumindest hinter vorgehaltener Hand hält sich auch bei den Arbeitnehmer-Vertretern der Widerstand gegen einen harten Sanierungskurs in Grenzen. Manchem scheint klar, dass es für den Warenhaus-Konzern keine echte Perspektive darstellt, von einer Krise in die nächste zu taumeln und aus Rücksichtnahme auch schwache oder gar defizitäre Standorte durchzuschleppen. „Der nächste Schuss muss sitzen“, bringt es jemand aus dem Betriebsrat auf den Punkt, „wir haben wohl nur noch diese eine Patrone im Lauf“.
Das ist umso bitterer für all jene, die in Sanierungs-Tarifverträgen zuletzt viel Geld geopfert haben, um dem Unternehmen das Überleben zu sichern. „Es waren die Beschäftigten, die den Laden während der letzten Jahre buchstäblich am Laufen gehalten haben“, betont man bei der Gewerkschaft Verdi – „trotz schlechter Betriebskonzepte, fehlender Investitionen und krisenhafter Entwicklungen“. Eine Verkäuferin beispielsweise habe so auf jährlich rund 5500 Euro verzichtet.
Der Verdi-Chef sieht „Wut und Enttäuschung“, weil der Eigentümer abgetaucht ist
Dennoch sei für die 17.400 Beschäftigten bei „Galeria Karstadt Kaufhof“ und ihre Familien „wieder eine existenziell höchst bedrohliche Lage entstanden“. Eine, in der mancher sich frage, wo da eigentlich der Eigentümer bleibe: „Die Frage ist: Wo ist jetzt René Benko? Den Beschäftigten jedenfalls stellt er sich nicht“, klagt der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke. Der „Galeria“-Eigentümer habe seine Zusagen, umfassend in die Häuser zu investieren, nicht eingehalten. „Auch deshalb sind jetzt Wut und Enttäuschung bei den Beschäftigten besonders groß."
Dass sich mit Buero.de-Chef Markus Schön plötzlich ein anderer Investor als möglicher Retter präsentiert und 40 Kaufhaus-Filialen in mittelgroßen Städten übernehmen will, hilft der Belegschaft in der Essener „Galeria“-Zentrale einstweilen nicht viel weiter: Ihnen bleibt der Kummer – und die Hoffnung, dass der eigene Job nicht verloren geht.