Essen-Kettwig. Wer Essen-Kettwig mit der S 6 ansteuert, trifft auf einen Bahnhof in ansprechendem Zustand. Das Empfangsgebäude ist eine Visitenkarte.

In der Serie „Bahnhofs-Check“ führt uns die Reise jetzt zu einer der südlichsten Stationen im Essener Stadtgebiet, zum S-Bahnhof Kettwig mit seinem denkmalgeschützten Empfangsgebäude von 1872/73. Die Fahrt vom Hauptbahnhof mit der S6 führt längs der Ruhr und an Villa Hügel vorbei durch ein landschaftlich reizvolles Gebiet.

[In unserem lokalen Newsletter berichten wir jeden Abend aus Essen. Den Essen-Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen]

Taktung

Der Bahnhof Kettwig wird nur von einer Linie bedient: der S 6. Diese fährt werktags tagsüber im 20-Minuten-Takt. Samstagnachts fährt sie im Stundentakt die ganze Nacht bis Essen, Düsseldorf und Köln.
Der Bahnhof Kettwig wird nur von einer Linie bedient: der S 6. Diese fährt werktags tagsüber im 20-Minuten-Takt. Samstagnachts fährt sie im Stundentakt die ganze Nacht bis Essen, Düsseldorf und Köln. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Der Bahnhof Kettwig liegt auf der Strecke der S-Bahn-Linie S 6 zwischen Essen-Hauptbahnhof und Langenfeld bzw. Köln-Nippes. Die Züge verkehren im 20-Minuten-Takt. Werktags fährt der erste Zug um 4.43 Uhr in Richtung Düsseldorf und um 5.16 Uhr zum Essener Hauptbahnhof. Die letzte Fahrt ist werktags um 1.03 Uhr Richtung Düsseldorf und um 1.56 Uhr zum Hauptbahnhof. Bis dorthin beträgt die Fahrzeit eine Viertelstunde. Bis Düsseldorf Hauptbahnhof sind es 28 Minuten. Die Strecke ist ideal für Berufspendler, aber auch für Nachtschwärmer. Wer sich von Kettwig aus in das Nachtleben in Düsseldorf und Köln stürzen will, kann die ab 1.03 Uhr die ganze Nacht im Stundentakt fahrende S-Bahn nutzen.

Anbindung an Bus und Leihräder

Die Ruhrbahn-Buslinie 142 fährt in der Hauptverkehrszeit im 10-Minuten-Takt (sonst 20 Minuten) vom S-Bahnhof Kettwig über Kettwig Markt, Bredeney, Messe, Rüttenscheid und Rellinghausen nach Annental.

Die Linie 180 verbindet im 30-Minuten-Takt Kettwig Markt via S-Bahnhof Kettwig mit Kupferdreh (S-Bahnhof) und Burgaltendorf.

Der Nachtexpress NE13 verbindet den S-Bahnhof Kettwig via Rüttenscheid mit Essen Hbf im Stundentakt.

Direkt am Bahnhof werden ein halbes Dutzend Leihfahrräder von Metropolrad Ruhr vorgehalten. Das Interesse scheint gering zu sein, beim Check am Freitagmorgen waren alle Räder vorhanden.

Für Fußgänger liegt der S-Bahnhof mit 1,2 Kilometer Entfernung zur Altstadt nicht gerade günstig.

Sauberkeit

Der Bahnhof Kettwig macht einen gepflegten Eindruck und ist in puncto Vandalismus und Graffiti unauffällig.
Der Bahnhof Kettwig macht einen gepflegten Eindruck und ist in puncto Vandalismus und Graffiti unauffällig. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

In puncto Sauberkeit machen der Bahnhof wie auch das nähere Umfeld beim Check einen guten Eindruck. Graffiti gibt es, aber sie fallen längst nicht so auf wie an anderen Haltepunkten. Wie ein Bahnsprecher mitteilt, wird die Station im Herbst/Winter zwei Mal wöchentlich gereinigt, im Frühjahr/Sommer sogar drei Mal pro Woche. Bei Bedarf, etwa nach Großveranstaltungen, seien DB-Beschäftigte häufiger vor Ort, um Müll zu entfernen. Auch hinsichtlich Vandalismus ist der Kettwiger vergleichsweise unauffällig.

Service

Die Fahrgastinformation funktioniert ohne Beanstandungen, Fahrscheine können am Automaten am Bahnsteig 1 gezogen werden. Die Beschallung und die Monitore sind erneuert worden.

Auf Bahnsteig 1 hinter dem Fahrstuhl hat die Stadt Essen ein Dutzend verschließbare Fahrradboxen aufgestellt – ideal nicht nur für jene Radfahrer, die mit hochwertigem Gerät unterwegs sind. Wer sein Fahrrad eingeschlossen hat, dreht sich um und steigt bequem in den Zug ein.

Eine öffentliche Toilette gibt’s am Bahnhof nicht, das WC an der Bushaltestelle steht nur dem Ruhrbahn-Personal zur Verfügung. Allerdings gibt es im Keller des Kulturzentrums Toiletten, die von jedermann genutzt werden können, weil die Türen bis spät abends offenstehen. Die Kehrseite: Es gibt immer wieder Fälle von Verschmutzung und Vandalismus. „Bei Corona wurde sogar Toilettenpapier entwendet“, sagt Carolin Becher von der Interessengemeinschaft (IG) Alter Bahnhof.

Wartekomfort

Sowohl der große Mittelbahnsteig (2/3) als auch Bahnsteig 1 direkt am Empfangsgebäude sind soweit überdacht, dass die Wartenden bei Regen oder Schnee im Trockenen bleiben. Auch die Wartehäuschen auf dem Bahnsteig bieten Schutz.

Barrierefreiheit

Seit der aufwendigen Modernisierung 2012 ist die Station Kettwig barrierefrei. Es gibt Aufzüge zu den beiden Bahnsteigen, die außerdem um 90 Zentimeter angehoben wurden. Hinterm Fahrstuhl hat die Stadt blaue Fahrradboxen aufgestellt.
Seit der aufwendigen Modernisierung 2012 ist die Station Kettwig barrierefrei. Es gibt Aufzüge zu den beiden Bahnsteigen, die außerdem um 90 Zentimeter angehoben wurden. Hinterm Fahrstuhl hat die Stadt blaue Fahrradboxen aufgestellt. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Seit der umfassenden Modernisierung 2012 gelangen Menschen mit Behinderung bequem und stufenfrei zu den Zügen. In beide Fahrtrichtungen gibt es geräumige Fahrstühle, die mindestens zwei Kinderwagen aufzunehmen vermögen und Radfahrern die Mitnahme ihrer Bikes erlauben. Die Bahnsteige sind auf 96 Zentimeter angehoben worden, um einen barrierefreien Zugang in die S-Bahn zu gewährleisten. So genannte Blindenleitstreifen erleichtern Sehbehinderten die Orientierung am Bahnhof.

Parkmöglichkeiten

Die Stellplätze direkt vor dem Bahnhof sind Besuchern des Kultur- und Bürgerzentrums „Alter Bahnhof“ vorbehalten. Wer dagegen verstößt, muss damit rechnen, dass sein Auto abgeschleppt wird.
Die Stellplätze direkt vor dem Bahnhof sind Besuchern des Kultur- und Bürgerzentrums „Alter Bahnhof“ vorbehalten. Wer dagegen verstößt, muss damit rechnen, dass sein Auto abgeschleppt wird. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Die gut 30 Stellplätze direkt am Bahnhofsgebäude sind reserviert für jene, die das „Bürger-, Sport- und Kulturzentrum Alter Bahnhof“ im prachtvollen Empfangsgebäude von 1872/73 aufsuchen: als Konzertbesucher, Reha-Sportler oder Restaurant-Gäste (Pino’s Bar & Restaurant). Wenn abends alle Kurs- und Veranstaltungsräume belegt sind, halten sich gut 60 Personen im Haus auf. „Dann wird’s eng“, sagt Carolin Becher. Die Parkdauer ist beschränkt auf zwei Stunden. Pendler, die diese Vorschrift missachten und ihren Wagen trotz erster Verwarnung morgens dennoch am Bahnhof abstellen, erleben bei der Rückkehr nachmittags eine böse Überraschung: Die Wagen werden abgeschleppt. Neben dem Bahnhofsgelände gibt es zwar einen Park & Ride-Parkplatz mit 50/60 Stellplätzen, aber der ist tagsüber oft überfüllt und unbeleuchtet. Weil die Fläche nicht asphaltiert ist, bilden sich ständig große Pfützen: ein Minuspunkt.

Die Besonderheit - das denkmalgeschützte Empfangsgebäude ist voller Leben

Im alten Wartesaal sagt Carolin Becher (re.) von der IG Alter Bahnhof Kettwig: „In ganz Essen finden Sie kein schöneres Bahnhofsgebäude.“ Auch Rehasport-Kursleiterin Sabine Kümmel ist von der Location begeistert. Der filigrane Dachstuhl aus Holz ist im Originalzustand.
Im alten Wartesaal sagt Carolin Becher (re.) von der IG Alter Bahnhof Kettwig: „In ganz Essen finden Sie kein schöneres Bahnhofsgebäude.“ Auch Rehasport-Kursleiterin Sabine Kümmel ist von der Location begeistert. Der filigrane Dachstuhl aus Holz ist im Originalzustand. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

„In ganz Essen finden Sie kein schöneres Bahnhofsgebäude“, sagt Carolin Becher selbstbewusst. „Das Empfangsgebäude in der Spätform des Rundbogen-Klassizismus wurde 1873 eingeweiht“, heißt es auf der Infotafel. Der Besucher ahnt, dass das selbstständige und stolze Kettwig bis 1945 Eisenbahnknotenpunkt war, an dem Personen- und Güterzüge nach Essen, Kupferdreh, Mülheim und Velbert abgefertigt wurden.

So urteilt der Verkehrsverbund

Der Stationsbericht 2021 des Verkehrsverbundes Rhein Ruhr (VRR) beurteilt die Fahrgastinformation und die Barrierefreiheit auf dem Bahnhof Kettwig jeweils als hervorragend.

Die Aufenthaltsqualität stufen die VRR-Prüfer hingegen als „verbesserungswürdig“ ein. Auch in der Gesamtwertung gilt der S-Bahnhof Kettwig damit als „entwicklungsbedürftig“.

Der VRR vergibt vier Einzelnoten: hervorragend, zufriedenstellend, verbesserungswürdig und unzureichend.

Der Bahnhof Kettwig wird täglich von 2300 Reisenden genutzt.

In den beiden großen Sälen (früher Wartesaal) laufen an diesem Morgen Rehasport-Kurse. Es herrscht ein Kommen und Gehen. Die Ballettschule nutzt den Bahnhof, Flüchtlinge aus dem nahen Heim kommen hierher, es gibt Sportangebote und Zumba – und an diesem Abend eine Krimi-Lesung mit Musik. Täglich besuchen rund 400 Menschen das denkmalgeschützte Gebäude. Die IG Alter Bahnhof (1997 gegründet) hat das Gebäude vor dem Verfall gerettet. Kurse, Vermietung, Gastronomie sind die drei Säulen des 2003 eröffneten Bürger- und Kulturzentrums: ein Erfolgsrezept.

Das endlose Warten auf den Durchstich: Vom Tunnel unter den Bahnsteigen aus soll es eine neue Verbindung zum nahen Ruhrufer geben, von der Touristen und Bewohner der Siedlung am Kettwiger Ruhrbogen profitieren würden. Doch das Projekt wird immer wieder auf die lange Bank geschoben. Nun ist von einer Umsetzung 2026 die Rede.
Das endlose Warten auf den Durchstich: Vom Tunnel unter den Bahnsteigen aus soll es eine neue Verbindung zum nahen Ruhrufer geben, von der Touristen und Bewohner der Siedlung am Kettwiger Ruhrbogen profitieren würden. Doch das Projekt wird immer wieder auf die lange Bank geschoben. Nun ist von einer Umsetzung 2026 die Rede. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Fazit

Der S-Bahnhof Kettwig ist allein schon wegen des vorbildlich gestalteten und genutzten Empfangsgebäudes ein Ort zum Ankommen. Die Linie S 6 zählt außerdem zu den landschaftlich und touristisch schönsten Bahnstrecken in Essen. Haltepunkte wie Hügel und Werden sind beliebte Ausflugsziele, und auch der Bahnhof Kettwig ist vom Hauptbahnhof via Schiene in nur einer Viertelstunde erreichbar. Kettwig hat durch die Station direkten Anschluss an drei Großstädte. Trotzdem fehlt was: der langersehnte Durchstich für Fußgänger und Radfahrer vom Bahnhof zum Ruhrufer. Ein Projekt, das den Tourismus aufwerten und den Anwohnern der neuen Siedlung am Kettwiger Ruhrbogen endlich einen besseren Zugang zum Bahnhof verschaffen würde. Die Umsetzung 2026, wie sie die DB signalisiert, wäre viel zu spät.