Essen. In Essens Kreisliga B haben zwei Sportler einem Gegenspieler das Leben gerettet. Für ihren Einsatz wurden sie nun ins Rathaus eingeladen.
Mitte Oktober feiert Maurice K. Geburtstag, er ist nun 26 Jahre alt. Gut zwei Wochen später wird ihm sein Leben zum zweiten Mal geschenkt. Diesmal nicht von seiner Mutter, sondern von geistesgegenwärtigen Ersthelfern auf einem Essener Fußballplatz. Zwei Gegenspieler und ein Teamkollege bewahren ihn vor dem möglichen Tod, die Lebensretter heißen Hakim Mesbahi, Muhammed Ekin und Almir Barucic.
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Maurice K.s Gegenspieler sind am Dienstag (6.12.) ins Rathaus eingeladen worden. Oberbürgermeister Thomas Kufen bedankte sich für ihre Zivilcourage. Außerdem sagte er: „Nach so manch negativer Schlagzeile im Zusammenhang mit Amateur-Fußballspielen ist es mir wichtig, auch die guten Taten in den Fokus zu rücken.“
Crash beim Kopfball
Was war am 30. Oktober geschehen? In der Essener Kreisliga B ist das Spiel zwischen der dritten Mannschaft des Vogelheimer SV und der „Zwoten“ des ESC Preußen 02 schon rein sportlich aufregend genug. Die Gäste führen zur Halbzeit mit 3:1, doch nach der Pause dreht der VSV III auf und stellt innerhalb von weniger als fünf Minuten auf 3:3. Kurz vor Schluss gelingt Kevin Bonke sogar das 4:3 für Vogelheim, doch dann wird der Kampf um Sieg oder Niederlage völlig zur Nebensache. Es kommt zum Kampf um ein Menschenleben.
Der ESC Preußen drängt noch einmal auf den Ausgleich, bekommt eine Ecke. Schiedsrichter Patrick Wede schaut schon auf die Uhr, zeigt die Nachspielzeit an. Die Ecke fliegt in den Strafraum, Maurice K. und ein Gegenspieler gehen zum Kopfball hoch, dabei krachen sie mit den Köpfen zusammen. Während der Preußen-Kicker sich kurz schüttelt und nur eine Beule davonträgt, hat es den Vogelheimer schwer erwischt. Er ist benommen und knallt ungebremst auf den Kunstrasenplatz. Dann nimmt das Drama seinen Lauf.
„Ich war ganz in der Nähe und habe sofort gesehen, dass mit ihm etwas nicht stimmt“, berichtet Preußen-Spieler Hakim Mesbahi. Sein Teamkollege Muhammed Ekin und er rennen sofort los, um nach Maurice K. zu schauen. „Er wollte sich noch aufrappeln, aber dann hat die Augen verdreht, ist blau angelaufen ist und hat keine Luft gekriegt hat. Er hatte seine Zunge verschluckt“, schildert Hakim Mesbahi die schlimme Szene. Und weiter: „Wir haben ihn in die stabile Seitenlage gebracht, seinen Kopf hochgenommen und versucht, seinen Mund weit zu öffnen, damit wir die Zunge aus dem Hals holen können. Das war nicht einfach, er hat uns dabei auch gebissen, aber letztlich hat es geklappt.“
Fit in Erste-Hilfe-Techniken
Dass die beiden Fußballer genau wissen, was sie in einer Notlage zu tun haben, ist für Maurice K. ein Riesenglück. Hakim Mesbahi, inzwischen Produktionshersteller von Lackfarben, hat vor nicht allzu langer Zeit noch für einen Wach- und Sicherheitsdienst gearbeitet. Dafür musste der heute 33-Jährige die sogenannte 34a-Sachkundeprüfung bestehen, in der unter anderem Rettungstechniken gelernt werden. Da er außerdem erst vor drei Jahren seinen Führerschein gemacht hat, ist ihm die Schulung aus dem Erste-Hilfe-Kurs ebenfalls noch präsent.
Wichtig ist, schnell zu handeln und nicht in Panik zu geraten. „Die Aktion hat vier, fünf Minuten gedauert, dann kam der Rettungswagen. Das kam mir wie eine Ewigkeit vor, und ich habe die ganze Zeit gebetet: ‚Junge, halte durch! Das war eine der schlimmsten Situationen, die ich erlebt habe“, gibt Hakim Mesbahi zu.
Zunge verschluckt
Maurice K. bekommt von all dem nichts mit. „Ich gehe kurz vor Spielende zum Kopfball hoch und wache im Krankenhaus wieder auf“, schildert der Betroffene das Drama aus seiner Sicht. „Ich weiß aber noch, dass ich auf den Boden gekracht bin und kurz versucht habe, mich aufzusetzen. Dann bin ich aber umgekippt und habe im Unterbewusstsein mitbekommen, dass jemand auf mich zuläuft und Stimmen gehört. Ich habe auch noch gekrampft, die Arme und Beine so ruckartig bewegt, aber dann war ich für einen Moment völlig weg. Dass die Jungs mir den Kiefer weit aufgerissen haben, um mir die Zunge aus dem Hals zu holen, habe ich nicht bewusst mitbekommen.“
In der Zwischenzeit alarmieren andere Anwesende den Rettungsdienst, der innerhalb von fünf Minuten vor Ort ist. Der Notfallsanitäter legt Maurice K. eine Kanüle mit Medikamenten und eine Halskrause, dann geht’s ins Uniklinikum. Dort wird der 26-Jährige eingehend chirurgisch untersucht, doch er hat Glück im Unglück. Außer einer Gehirnerschütterung und Schmerzen am Kopf sowie in der Schulter durch den Aufprall auf den Boden hat er sich keine schwerwiegenden Verletzungen zugezogen.
Wenige Stunden, nachdem er auf dem Platz am Lichtenhorst um sein Leben gerungen hat, kann Maurice K. die Notfall-Ambulanz bereits wieder verlassen. „Ich hätte auch über Nacht bleiben können, aber das wäre nur eine Vorsichtsmaßnahme gewesen, sodass ich mich dafür entschieden habe, die Nacht lieber bei meiner Familie zu verbringen“, erzählt er.
Entwarnung aus Uniklinikum Essen
Noch aus dem Krankenhaus ruft sein Bruder Marvin bei Hakim Mesbahi und Muhammed Ekin an und erzählt erleichtert, dass es Maurice schon wieder bessergeht. Auch seine Mutter schreibt eine Nachricht, bedankt sich per Facebook mit liebevollen warmen Worten bei den beiden Lebensrettern dafür, dass sie ihren Sohn weiterhin in die Arme schließen kann.
Denen ist diese Art der Aufmerksamkeit allerdings fast ein wenig unangenehm. „Für Muhammed und mich war es selbstverständlich, zu helfen, deshalb möchte ich das nicht zu hoch hängen“, winkt Hakim Mesbahi ab. Dass sie mit ihrem Einsatz am 30. Oktober 2022 auf einem Fußballplatz Kandidaten für eine verdiente Auszeichnung sind, ist ihnen nicht so wichtig. „Hauptsache, es ist gut ausgegangen“, meint Hakim Mesbahi und betont. „Ich würde es beim nächsten Mal genauso wieder tun.“