Essen. Der Gaspreis ist kurzfristig stark gesunken. Lars Martin Klieve, Vize-Chef der Stadtwerke Essen warnt davor, daraus falsche Schlüsse zu ziehen.
Plakate der Stadtwerke mahnen zum Gassparen, die Strickjacken liegen in vielen Wohnungen bereit, und manche Menschen tasten sich sogar an das kalte Duschen heran. Und nun das: Die Kosten für Erdgas zumindest auf den so genannten Spot-Märkten rauschen in den Keller, von in der Spitze über 300 Euro je Megawattstunde ging es runter auf 30 Euro und weniger. Kann das Sparen jetzt abgebrochen werden? Stadtwerke-Vorstand Lars Martin Klieve warnt vor falschen Schlüssen, sieht im Preisverfall allerdings durchaus positive Zeichen.
Herr Klieve, was ist da los auf den Märkten?
Wir haben für Ende Oktober sehr warme Temperaturen, das heißt, es wird nicht soviel Gas gebraucht wie eigentlich gedacht. Langfristig beschafftes Gas wird nun verkauft, und das drückt auf die kurzfristigen Preise. Ein zweiter Grund: Die Erdgasspeicher sind nun mit über 97 Prozent gefüllt, eine Leistung, die ich kaum für möglich gehalten hätte. Erdgas, das jetzt in Deutschland ankommt, wird aktuell also weder zum Heizen gebraucht noch kann es gespeichert werden. Auch das drückt dann natürlich auf die Preise.
Ist das für die Stadtwerke relevant?
Nicht besonders. Wenn wir kurzfristig Mengen benötigen, dann haben wir uns am Spot-Markt auch schon bedient, das passiert dauernd. Umgekehrt: Wenn wir jetzt nicht benötigte Mengen verkaufen, bekommen wir nicht viel. Allerdings haben wir diese ja auch vor zwei Jahren noch günstig eingekauft, sodass hier kein Schaden entsteht. Wobei es nicht so ist, dass wir als Stadtwerke Essen am Markt handeln würden, wir sind dafür zu klein und sind über eine Einkaufskooperation tätig. Aber da ja alle Gasverbraucher momentan weniger abnehmen, hat das in der Summe schon einen erheblichen Effekt.
Das heißt aber, die Kunden haben vom Preissturz nichts?
Für die Gesamtheit der Kunden haben wir uns langfristig vor zwei Jahren eingedeckt, wie seriöse Versorger das machen. Da ändert sich nichts. Bei einzelnen Kunden, die jetzt kurzfristig zu uns in die Grundversorgung kommen, sieht es anders aus. Für die haben wir ja nicht eingekauft in den letzten Jahren, weil wir von denen ja bislang gar nichts wussten.
Für diese Kunden müssen Sie sich dann am Spotmarkt eindecken?
Genau. Das hilft denen natürlich und übrigens auch allen anderen Kunden. Denn wenn das kurzfristig besorgte Gas noch so teuer wäre wie vor einigen Wochen, dann müssten wir dies den neuen Kunden und nach kurzer Übergangszeit indirekt auch der Gesamtheit der Kunden in Rechnung stellen. Die Entwicklung hat am Ende also tatsächlich kurzfristig einen preisdämpfenden Effekt.
Und mittel- und langfristig?
Da erwarten wir weiterhin eine angespannte Lage mit knappen Mengen und hohen Preisen. Die Märkte rechnen im nächsten Jahr mit 140 Euro pro Megawattstunde, das ist der Preis für den wir für die Jahre 2023 und 2024 auf dem Terminmarkt einkaufen. Daher ist das jetzt eine untypische Situation, eine Momentaufnahme, der man nicht zu viel Bedeutung beimessen sollte. Einige Glücksritter unter den Versorgern ruft das vielleicht auf den Plan, die jetzt günstig einkaufen und günstig an die Kunden weitergeben, doch ob die im nächsten Jahr auch noch liefern können, das wage ich mal zu bezweifeln. Das kann für uns als Stadtwerke Essen keine Strategie sein.
Sie sagten gerade, das derzeit von Ihnen an die Endverbraucher gelieferte Gas ist ebenfalls noch günstig eingekauft worden.
Genau, im Schnitt für 24 Euro. Das erklärt aber auch, warum viele Kunde den ganz großen Schmerz der Gas-Katastrophe noch gar nicht mitbekommen haben. Wir haben gesagt, erhöhen wir lieber jetzt schon die Preise, dann müssen wir nicht mehr ganz so drastisch im Januar erhöhen und dämpfen den Preisanstieg. Und wir setzen jetzt das richtige Signal, dass nämlich Gas knapp ist.
Die Spar-Appelle brauchen also nicht abgeblasen werden?
Nein, auf keinen Fall. Jetzt Entwarnung zu geben, würde Schaden anrichten, denn sobald die Temperaturen sinken und die Speicher langsam leerlaufen, bekommt man die Alarmierung ja gar nicht schnell genug hin. Zudem würden widerstreitende Botschaften Glaubwürdigkeitsdefizite auslösen. Noch mal: Anders als sonst um diese Jahreszeit, müssen die Gas-Kunden noch so gut wie gar nicht heizen. Das kann sich aber sehr schnell ändern. Es wäre fatal, würden die Menschen annehmen, die Zurücknahme ihrer Heizgewohnheiten wäre nun unnötig.