Essen. Ein Mehrgenerationen-Projekt soll in Essen entstehen: ein Mix aus privatem Wohnen und gemeinsam genutzten Flächen. Darum geht es den Akteuren.
16 Menschen zwischen drei und 69 Jahren wollen unter einem Dach leben. Allerdings wird keine herkömmliche Mehrgenerationen-WG angestrebt. Vielmehr soll das Bedürfnis nach Privatheit ebenso wie nach Gemeinsamkeit und Außenaktivitäten Berücksichtigung in diesem Wohnprojekt finden. Dazu haben sich die Akteure, die u.a. aus Essen und Mülheim kommen, Ende 2020 als „RuhrWoge – Wohnen in Gemeinschaft Ruhr GbR“ zusammengetan. Die Hintergründe erläutern die Mitglieder Barbara Göbel und Gerhard Litges in einem Gespräch mit dieser Redaktion.
Akteure wollen ein Zusammenleben in Vielfalt
„Mir gefällt der Gedanke, mit Menschen unterschiedlichen Alters zusammenzuleben“, sagt Barbara Göbel. Die 69-Jährige ist Architektin und wohnt in Essen. „Ich bin in einer größeren Familie aufgewachsen, das wäre dann so etwas wie ein Normalzustand. Gerne würde ich auch Oma-Aufgaben übernehmen“, erklärt sie lächelnd. Gerhard Litges ist 64 Jahre alt, Hochschullehrer, kommt aus Mülheim. Ihn reizt die Vorstellung, gemeinsam mit anderen etwas auf die Beine zu stellen, neben dem Wohn- auch jenes Bedürfnis nach kulturellen Begegnungen zu verwirklichen. „Ich könnte mit vorstellen, dass wir als Wohnprojekt im Quartier so etwas wie ein Anlaufpunkt wären.“
Man strebe ein Zusammenleben in Vielfalt hinsichtlich Herkunft, sozialer Lage, Alter und Lebenskonzepten an, so Litges. In dem Mehrgenerationen-Projekt könnte zudem Platz sein für Veranstaltungen, ein kleines Café vielleicht, nachhaltiges Wirtschaften in Haus und Garten und Car-Sharing: Die „RuhrWoge“ habe schon ganz viele Ideen zusammengetragen, was man auf die Beine stellen könnte, wenn man denn den entsprechenden Platz hätte.
Projekt „Raumteiler“ in Rellinghausen hat Vorbildcharakter
Denn noch sind die Beteiligten (u.a. beruflich als Manager, Erzieherin, Musiktherapeutin, Kunsttherapeutin tätig) auf der Suche nach einem geeigneten Haus und/oder Grundstück. Göbel: „Wir suchen ein Objekt oder Grundstück in grüner Lage von Essen, mit guter öffentlicher Verkehrsanbindung und Angeboten für den täglichen Bedarf, also Schulen und Kitas in der Nähe, da wir auch Familien mit kleineren Kindern dabei haben“, sagt Göbel. Eine Präferenz für irgendeinen Stadtteil in Essen gebe es nicht, betonen beide.
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Doch ein Vorbild gibt es, wie so etwas aussehen kann: das Projekt „Raumteiler“. In Rellinghausen hatte die evangelische Kirche ihr altes Gemeindehaus an der Ober-/Bodelschwinghstraße aufgegeben. Die Essener Wohngenossenschaft „Raumteiler“ hat das Kirchengrundstück in Erbpacht für 99 Jahre übernommen und realisiert dort seit 2020 nun 27 Wohneinheiten für gemeinschaftliches Wohnen. Über Kontakte zu dieser Gruppe sei das Vorhaben „RuhrWoge“ konkreter geworden, hätten sich weitere Interessierte zusammengefunden, berichten Barbara Göbel und Gerhard Litges.
Mix aus privatem Wohnen und gemeinsam genutzten Flächen
Man müsse nicht direkt neu bauen, eine profanierte (außer Dienst gestellte) Kirche oder ähnliche Funktionsgebäude könne sich „RuhrWoge“ ebenso vorstellen. Das Kardinal-Hengsbach-Haus in Werden sei zum Beispiel eine Immobilie, die sich eignen würde. Barbara Göbel: „Bislang ist der Investor aber noch nicht in der Lage, dort eine konkrete Nachnutzung zu etablieren.“
Wichtig sei den Beteiligten, dass sich die Wohnform von einem Mix aus privatem Wohnraum und gemeinsam genutzten Räumen und Flächen verwirklichen lasse. Göbel: „Durch die Schaffung jeweils abgeschlossener Wohnungen sollen sowohl für Einzelbewohner als auch für Paare oder Familien Rückzugsräume entstehen; gleichzeitig sollen Gemeinschaftsräume der im Alter verbreiteten Einsamkeit entgegenwirken und die Möglichkeit für Kommunikation und soziales Handeln schaffen.“
Man wolle bei der Schaffung gemeinsamen Wohnraums ebenso nach dem Grundsatz der Barrierefreiheit vorgehen wie das Prinzip des „Erhalt vor Neubau“ berücksichtigen und soweit wie möglich vorhandene Bausubstanz nutzen. „Wir wollen grundsätzlich kosten- und flächensparend bauen und etwa auch flexible Grundrisse vorsehen.“ Zumindest einen Multifunktionsraum sollte es geben, der gleichzeitig beispielsweise als Bibliothek, Musikraum oder Yogaraum genutzt werden könne.
Miete und/oder Eigentum möglich
Bevorzugt sucht die „RuhrWoge Wohnen in Gemeinschaft Ruhr GbR“ ein Objekt oder Grundstück in „grüner“ Lage von Essen, mit guter öffentlicher Verkehrsanbindung und Angeboten für den täglichen Bedarf (inklusive Kinderbetreuung und Schule).
Was die Größe des Objektes und die Besitzform angeht, sei man flexibel. Man könne sich gemeinsames Wohnen in Miete und/oder Eigentum von 25 bis 65 Personen auf circa 1000 bis 2500 qm Wohn- und Gemeinschaftsfläche vorstellen.
Kontakt zum Wohnprojekt über Susanne Marx unter ruhrwoge@free.de, 0178 813 7295.
Kooperationen mit Initiativen im Stadtteil geplant
Gemeinsames Kochen und ein „Coworking Space“ seien wünschenswert, vielleicht auch eine eigene Werkstatt. „Energie sparen, ist ein wichtiges Thema“, ergänzt Litges. So weit wie möglich soll sie selbst erzeugt werden. Das gleiche Ziel verfolge man beim Garten: Er soll selbst bewirtschaftet werden. Es sollte eine nachhaltige Wasserwirtschaft betrieben werden, die etwa die Verwendung von Regen- und Grauwasser umfassen soll. „Zum anderen soll schon durch die gebauten Rahmenbedingungen die Entstehung von Müll so weit wie möglich vermieden werden.“
Eine wesentliche Idee sei es, die Gemeinschaftsräumlichkeiten neben interner Nutzung auch für Angebote aus dem und in den Stadtteil zu nutzen. Teils aus eigenem Vermögen, teils aus Kooperationen mit externen bzw. quartiersansässigen Initiativen könnten sich ein Nachbarschaftstreff, Kulturangebote wie Lesungen oder Kleinkunst oder auch niederschwellige Bewegungsangebote für diverse Altersklassen ergeben. Neben einem gastronomischen Angebot sei ein Repaircafé denkbar.
Mit ihrem Wohnprojekt für mehrere Generationen wollen die Akteure für mehr Kinder- und Familienfreundlichkeit werben, der Vereinzelung und Isolation entgegentreten und durch gemeinsame Nutzung von Ressourcen Nachhaltigkeit befördern. Weitere Teilnehmende und Ideen sind gefragt, Angebote für Immobilien werden gern entgegengenommen.