Essen. Die Essener Schausteller gehen beim Thema Energiesparen auf Weihnachtsmärkten in die Offensive. „Wir setzen auf Energieeffizienz“, sagen sie.
Riesenräder und Karussells mit bunten Lichtern, Brutzelbuden und heißer Glühwein mit Schuss – passt das noch in die Zeit der Energiekrise, in der Sparen das absolute Gebot der Stunde ist? Der Essener Schausteller-Chef Albert Ritter, der auch Präsident des Deutschen Schaustellerbundes (DSB) ist, weist Unterstellungen, seine Branche gehe bei Weihnachtsmärkten verschwenderisch mit Gas und Strom um, entschieden zurück. „Die Schausteller setzen schon seit 15 Jahren auf Energieeffizienz“, sagt er. Und fügt hinzu: „Wir waren mit die Ersten, die die klassischen Glühbirnen durch preiswerte LED-Lampen ersetzt haben.“
Wie emotionsgeladen das Thema Energiesparen ist, bekamen kürzlich die Veranstalter des Essen Light Festival zu spüren. Kaum erstrahlten die ersten Lichtkompositionen, äußerten Kritiker den Verdacht der Energieverschwendung. Doch der Veranstalter, die Essen Marketing GmbH, hielt selbstbewusst dagegen und bezifferte die Energieeinsparung gegenüber dem Vorjahr mit 70 Prozent.
Die Essener Lichtwochen beginnen traditionell am letzten Oktober-Sonntag, in diesem Jahr also am 30. Oktober. Knapp zwei Wochen später, am 12. November, öffnet der Internationale Essener Weihnachtsmarkt seine Pforten. Dass Weihnachtsmärkte neuerdings umstritten sind, zeigt der Fall Bielefeld. Dort hatte der Bürgermeister erklärt, er könne sich Weihnachtsmärkte angesichts explodierender Energiekrisen momentan nicht vorstellen.
Umfrage: „Gäste auf Volksfesten verbrauchen weniger Energie als ein Stubenhocker“
Aus Sicht Albert Ritters sind derartige Vorstöße nicht gerechtfertigt. Um sich besser gegen den Vorwurf der Energieverschwendung zu wappnen, hat der Deutsche Schaustellerbund jetzt den Verbrauch bei 30 Kirmessen und Volksfesten im Land akribisch – also bis zu drei Stellen hinter dem Komma – untersuchen lassen. Auf ein Ergebnis ist der DSB besonders stolz: „Gäste auf Volksfesten verbrauchen weniger Energie als Stubenhocker daheim.“
Die folgende Beispielrechnung soll dies untermauern: Während ein Kirmes-Besucher auf einen Verbrauch von 0,375 kWh (Kilowattstunde) und der Weihnachtsmarktbesucher auf 0,2 kWh komme, verbrauche ein Single zu Hause 0,914 kWh. Seine Aktivität: Er oder sie schaut einen Film auf Netflix (0,6 kWh), kocht eine Tasse Kaffee (0,096 kWh), backt eine Pizza (0,12 kWh) auf, nutzt das Handy (0,05 kWh) und die Energiesparlampe (0,048 kWh).
Entgegen der landläufigen Annahme, dass Glühwein permanent heiß gehalten werde, verweist Albert Ritter auf den speziellen Glühweindurchlauf, der Strom lediglich im Moment des Ausschenkens verbraucht. Überhaupt werde auf dem Essener Weihnachtsmarkt wie auf anderen Volksfesten auch im wesentlichen Strom verbraucht und kein Gas. „Und erst recht kein russisches Gas.“
Schausteller erinnern an „emotionale Komponente“ von Volksfesten: „Ein bisschen Freude“
Propangas aus der Flasche sei außerdem ein preiswertes Abfallprodukt, das in Raffinerien bei der Benzinherstellung anfalle und nicht über Tausende Kilometer per Pipeline angeliefert werde. Die Umstellung von Glühbirne auf LED habe zu Stromeinsparungen von bis zu 90 Prozent geführt. „Diese Beispiele belegen, dass wir Schausteller nicht leichtsinnig Strom verbrauchen, sondern energieeffizient sind.
An seinem Weihnachtsmarkt-Stand auf dem Burgplatz will Albert Ritter ebenfalls sparen. „Ich beleuchte nur den vorderen Teil zur Kettwiger Straße hin, der rückwärtige Teil bleibt dunkel.“ Um Energiespartipps auszutauschen und das Thema Energieeffizienz zu forcieren, haben sich jetzt mehr als 100 Volksfest-Veranstalter in NRW in einer neuen Whatsapp-Gruppe zusammengetan.
Nach der langen Corona-Durststrecke können sich die Schausteller weitere Rückschläge nicht mehr leisten. Deshalb sind sie bei der Energiedebatte sofort in die Offensive gegangen. Und der Essener Karussell- und Imbissbetreiber Oliver Müller, der auch Landesvorsitzender der Schausteller und Marktkaufleute NRW ist, weist auf die „emotionale Komponente“ von Volksfesten hin. „Gerade in Zeiten der Krise müssen sich die Menschen auch mal was Schönes angucken dürfen, das bisschen Freude dürfen wir uns nicht nehmen lassen.“
Im Moment ist Oliver Müller dabei, auf dem Kennedyplatz das größte Weihnachts-Etagencafé zu errichten. „Dafür habe ich eigens eine komplett neue Spültechnik gekauft.“