Essen. Kein Dezember-Abschlag und deutlich sinkende Preise ab März 2023: So wirkt sie sich doch aus, die geplante Gaspreis-Bremse, oder? Falsch gedacht.
Im Kunden-Center der Stadtwerke Essen an der Rüttenscheider Straße sieht neuerdings ein Sicherheitsdienst nach dem Rechten – man weiß ja nie. Für gereizte Stimmung unter den Besuchern gibt’s angesichts drastisch gestiegener Erdgaspreise sicherlich auch gute Gründe, allein, beim lokalen Gas-Versorger ist man damit wohl an der falschen Adresse. Mehr noch: Wer hier in diesen Tagen nachfragt, welche Bremsspuren der geplante Gaspreis-Hemmschuh auf seiner Gasrechnung hinterlässt, erntet nicht viel mehr als ein Achselzucken.
Warten auf den Gesetzestext
Belastbare Informationen zur Gaspreis-Bremse gibt es erst, wenn die Empfehlungen der Experten-Kommission in Gesetzesform gegossen sind.
Wann dieser Text vorliegt ist wie auch der Zeitpunkt seiner Verabschiedung im Bundestag noch unklar.
In einer Aktuellen Stunde des Bundestags deuteten Vertreter der Regierungsparteien am Mittwoch an, dass auch Strom- oder Öl-Kunden entlastet werden sollen.
Denn was da so simpel klingt – kein Dezember-Abschlag und ab März 2023 bundesweit einheitlich gedeckelte Tarife – ist „nicht die trivialste Variante“, seufzt Stadtwerke-Chef Peter Schäfer. Ohne weitere Informationen muss sein Haus passen, obwohl es derzeit einen Run auf Informationen erlebt: Zu Dutzenden kommen die Kunden vorbei, die Zahl der Telefonate schnellte von durchschnittlich gut 7000 pro Monat auf 16.000 im September hoch. Viele kommen nicht durch, können Zählerstände genauso wenig durchgeben wie Fragen zu ihrem neuen Abschlag stellen, der mit der saftigen Preiserhöhung zum 1. Oktober fällig wurde.
Welcher Gaspreis gilt denn nun? Der von September oder der von Dezember?
Aber immerhin, sie haben es mitbekommen: Der hohe Abschlag, im Dezember fällt er weg, ist doch so, oder? Schon hier „halten wir uns etwas zurück“, räumt Steffen Wöhler, Vertriebsleiter bei den Stadtwerken, ein. Denn die in Aussicht gestellte Einmalzahlung, gedacht, um die Zeit bis zur Gaspreisbremse zu überbrücken, ist von den Experten nur grob umrissen: Geld gibt’s „auf Basis des Verbrauchs, welcher der Abschlagszahlung aus September 2022 zugrunde gelegt wurde“, heißt es im Bericht der Experten-Kommission.
Aber welcher Preis wird zugrunde gelegt? Der von September oder der von Dezember? Und wird der Grundpreis von der Erstattung miterfasst? Ist der September-Tarif entscheidend, dürfte das lange Gesichter bei zehntausenden Essener Stadtwerke-Kunden bescheren, denn drastisch erhöht wurden die Preise hier ja erst zum 1. Oktober.
Die frohe Botschaft für Stadtwerke-Kunden: Es wird wieder billiger, rückwirkend
Wobei auch diese Tarife schon wieder Geschichte sind, denn als die Stadtwerke Ende August die schlechte Nachricht von der Preisfront verkündeten, kalkulierten sie noch mit der umstrittenen Gas-Umlage, die inzwischen ersatzlos einkassiert wurde, und einem Mehrwertsteuer-Satz von 19 Prozent, den der Gesetzgeber bereits auf sieben Prozent gesenkt hat. Ergebnis: Der günstigste Tarif der Stadtwerke, „Essen Gas M“, der erst vor zwölf Tagen von 7,1 Cent pro Kilowattstunde auf 16,05 Cent erhöht wurde, verringert sich plötzlich wieder auf 11,85 Cent – wiederum rückwirkend zum 1. Oktober.
Eine gute Nachricht, und sie wird noch besser: Wenn es bei diesen Rahmenbedingungen bleibt, wenn der nahende Winter nicht gerade sibirische Ausmaße annimmt, bei denen man viel Erdgas nachkaufen müsste, dann, so Vertriebschef Wöhler, wollen die Stadtwerke Essen diesen Preis auch ein ganzes Jahr stabil halten – bis zum Start der Heizperiode 2023/2024.
Wenn sich der Rahmen nicht ändert, unterschreitet der Tarif ohnehin den Bremspunkt
Das bedeutet aber auch: Die anstehende Gaspreisbremse geht an den Stadtwerke-Kunden zumindest dieses Tarifs spurlos vorüber, schließlich unterschreitet der Preis bereits die von der Experten-Kommission vorgeschlagene Deckelung auf 12 Cent je Kilowattstunde. Und „wir profitieren nicht von unserer sehr fairen Preisgestaltung“, bedauert Wöhler.
Dabei stehen noch andere Probleme im Raum: Was ist mit Tarifwechslern? Wie gehen Stadtwerke vor, bei denen nicht die in Essen üblichen zwölf Abschlagszahlungen erhoben werden? Wöhler wendet sich „dagegen, dass jedes Stadtwerk individuell versucht, Lösungen zu entwickeln“ – und so der Wettbewerb womöglich verzerrt wird.
Stadtwerke-Chef: Keine Idee, „die ich nicht in zwei Minuten auseinandernehmen könnte“
Fest steht: Ungerechtigkeiten gibt es auch so genug, nicht nur weil – anders als Fernwärme-Kunden – bislang all jene leer ausgehen, die mit Flüssiggas, Öl, Pellets oder Strom heizen: Auch für die gasbeheizte Luxus-Villa in Bredeney fällt ein Abschlagsmonat weg. „Quick and dirty“ nennt Stadtwerke-Chef Peter Schäfer deshalb die gefundene Reglung, „schnell und schmutzig“.
Und bekennt dabei auch: „Man könnte mir zwei Wochen Zeit geben, eine andere Variante zu finden. Und es würde mir wohl nichts einfallen, was ich nicht selbst binnen zwei Minuten auseinandernehmen könnte.“