Essen. Der neue Mietspiegel treibt die Mieten in Essen – teils kräftig – nach oben. Dabei fällt eine Vermieter-Gruppe besonders auf.
Der neue Mietspiegel in Essen hat binnen weniger Wochen offenbar eine Welle an Mieterhöhungen ausgelöst. „Wir haben den Eindruck, dass Mieterhöhungen großflächig umgesetzt werden“, sagte die Geschäftsführerin der Mietergemeinschaft Essen, Siw Mammitzsch. Bereits im August, also kurz nach Erscheinen des neuen Mietspiegels, seien die ersten Schreiben an Mieter verschickt worden. Einer der ersten Vermieter sei dabei der städtische Allbau gewesen, so Mammitzsch.
Die Mieterhöhungen treffen die Mieter damit in einer Zeit, in der bereits die Nebenkosten wegen der enorm gestiegenen Energiepreise in die Höhe schnellen. Am Samstag hatte es im Rahmen eines bundesweiten Aktionstages für bezahlbaren Wohnraum auch in Essen eine Veranstaltung gegeben. DGB, IG BAU, Arbeiterwohlfahrt und die Mietergemeinschaft forderten u.a., dass die Mieten auf dem jetzigen Stand eingefroren werden sollten.
Der Mietspiegel war Anfang August fortgeschrieben worden. Die Basismiete wurde dabei um fast sechs Prozent angehoben. Damit entstand ein recht großer Spielraum für Vermieter, die Wohnungsmieten weiter anzuheben. Der Mietergemeinschaft beschert das dieser Tage viel Arbeit. „Ein Drittel unserer Beratungen ist aktuell von Mieterhöhungen geprägt“, berichtete Mammitzsch.
Mietergemeinschaft Essen: Überprüfung der Mieterhöhungsschreiben kann sich lohnen
Bei der Überprüfung würden die Anwälte der Mietergemeinschaft durchaus immer wieder Fehler finden. Beispielsweise, wenn Vermieter einbruchhemmende Wohnungstüren mietsteigernd angeben, die Türen jedoch gar nicht die geforderte Zertifizierung dafür aufweisen. „Zumindest können wir in einigen Fällen die Mieterhöhung etwas reduzieren“, so Mammitzsch.
Waren es in der Vergangenheit vor allem die Großvermieter, die nach Erscheinen eines neuen Mietspiegels schnell an der Preisschraube drehten, ist dieses Jahr etwas anderes auffällig: „Unter den uns bekannten Fällen sind aktuell viele Privatvermieter“, betonte Mammitzsch. Und die Mietsteigerungen, die sie aufrufen, seien zum Teil deutlich. Viele gingen bis an die Kappungsgrenze von 20 Prozent. Die Kappungsgrenze bedeutet, dass die Miete innerhalb von drei Jahren um nicht mehr als 20 Prozent steigen darf.
Private Vermieter diesmal auffällig
Während die meisten Mieterhöhungen sich im Rahmen von 10 bis 30 Euro pro Monat bewegten, so Mammitzsch, geht es für einzelne Betroffene um bis zu 80 Euro mehr Miete im Monat. Wenn dann der Vermieter auch noch die Vorauszahlungen für Heizkosten erhöhe, steige die monatliche Belastung für diese Haushalte drastisch.
Dass vor allem die kleinen Privatvermieter jetzt aktiv würden, die in der Vergangenheit eher zurückhaltend waren, liegt möglicherweise an den enorm gestiegenen Energiekosten. Viele Vermieter müssen bereits an den Versorger höhere Preise bezahlen, können diese aber erst mit der nächsten Abrechnung beim Mieter geltend machen. Wer von seinen Mietern keine höhere Vorauszahlung bekommt, suche möglicherweise nach anderen Einnahmequellen, um das auszugleichen, vermutete Mammitzsch.
Mietspiegel-Fortschreibung: Gutachterausschuss will Praxis überdenken
Die Linken in Essen hatten bereits kurz nach Erscheinen des neuen Mietspiegels vor weiter steigenden Mieten gewarnt. Vor allem die Systematik, wie der Mietspiegel fortgeschrieben wurde, stand dabei stark in der Kritik. Der zuständige Gutachterausschuss hatte die Inflationsentwicklung der vergangenen zwei Jahre als Grundlage für die Berechnung der neuen Basismiete herangezogen. Erlaubt wäre auch eine Mieten-Stichprobe gewesen, die allerdings aufwändiger gewesen wäre.
Damit schlägt nun die hohe Inflation, die vor allem durch hohe Energiepreise und teure Lebensmittel getrieben ist, auf die Mieten in Essen durch. „Die Explosion der Lebenshaltungs- und insbesondere der Energiekosten wirkt sich damit doppelt aus, eben auch auf die Mieten, obwohl die Mieten derzeit nicht der Preistreiber Nummer 1 sind“, hatte Wolfgang Freye, Ratsherr der Linkspartei, schon vor einigen Wochen kritisiert. Der Gutachterausschuss habe es sich zu einfach gemacht.
In einer Anfrage der Linken an die Stadtverwaltung, signalisierte der zuständige Dezernent Martin Harter jetzt, dass diese Praxis der Mietspiegel-Fortschreibung in Zukunft überdacht werden soll. Allerdings greift diese erst wieder im Jahr 2026, weil es 2024 - wie alle vier Jahre gesetzlich vorgeschrieben - eine umfangreiche Befragung von Vermietern und Mietern geben wird.