Essen-Frohnhausen. Wieso es für Pia Rieger an der Haltestelle Breslauer Straße manchmal nicht weitergeht. Und was die Ruhrbahn dazu und zum Thema Vandalismus sagt.
„Ich wünsche mir mehr Rücksichtnahme auf Menschen, die einfach nicht so mobil sind wie andere.“ Pia Rieger ist sauer auf die Ruhrbahn und macht ihrem Unmut an der U-Bahn-Haltstelle an der Breslauer Straße Luft. Die 39-Jährige ist gehbehindert. Sie leidet an Bethlehem-Myopathie, einer seltenen Muskelerkrankung, und kommt nur mit einem Rollator vorwärts. Und genau das ist das Problem. Denn an der Breslauer Straße führen nur zwei Wege auf den Bahnsteig: eine steile Treppe und ein Lift – der „Fahrstuhl des Grauens“, wie Rieger ihn nennt. „Denn das Ding ist regelmäßig kaputt.“
Vor gut drei Wochen, berichtet die Frohnhauserin, ging am Aufzug „mal wieder“ nichts; „seitdem versuche ich bei der Ruhrbahn einen Ansprechpartner zu bekommen“. Rieger möchte sensibilisieren für ein Problem, das nicht nur diese Haltestelle betrifft. „Wenn Aufzüge oder Rolltreppen ausfallen, ist es für Menschen mit Gehbehinderung beinahe unmöglich an den Bahnsteig zu kommen. Ich kann zwar Passanten fragen, ob sie mir die Treppe herunterhelfen, aber jede Stufe ist für mich eine echte Tortur.“ Und so bleibe ihr oft nur der Weg zurück zum Frohnhauser Markt, um dort in den Bus einzusteigen. Was sie besonders ärgert: „Ich habe schon Mitarbeiter für Schutz und Sicherheit auf das Problem angesprochen. Aber die haben nur mit den Schultern gezuckt und gesagt, dass das eben Vandalismusprobleme mit Jugendlichen seien, an denen man nichts ändern könnte.“
„Es fehlt der Blick auf diejenigen, die nicht so schnell mitkommen“
An diesem Freitag funktioniert der Aufzug. Zunächst. Zwischenzeitlich leuchtet der Zugang-gesperrt-Balken auf, für wenige Minuten geht nichts, dann läuft das System wieder an. „Ich kann verstehen, dass es nicht einfach ist, gegen Vandalismus vorzugehen. Aber man könnte einfach öfter kontrollieren und die Leute im Falle eines Defektes auch einfach mal besser informieren.“ Im Juli noch sei der Aufzug gleich für längere Zeit ausgefallen, sagt Rieger und ruft entsprechende Fotos in ihrem Handy auf. „Und da gab es keine Info, wann die Arbeiten erledigt sind. Man musste es also jeden Morgen aufs Neue probieren.“
Es fehle, so das Fazit der 39-Jährigen, im mobilen Alltag einfach der Blick auf diejenigen, „die nicht so schnell mitkommen“. Da signalisiere ein Busfahrer zwar, dass er warten wolle – „fährt dann aber doch los, weil es ihm zu lange dauert, bis ich dann tatsächlich da bin“. Ausreißer, Extrembeispiele, wie Rieger zugibt, „viele Fahrer sind tatsächlich ganz toll“. Und trotzdem kann sie ihre Verbitterung nicht unterdrücken: Wenn Jugendliche wegen Vandalismus an Rolltreppen oder Fahrstühlen erwischt würden, dann, so ihr Vorschlag, „sollte man sie einfach mal einen Tag im Rollstuhl mit dem ÖPNV quer durch die Stadt schicken; vielleicht wird ihnen so klar, wie schwierig es ist, hier tagtäglich durchzukommen, und sie lassen diesen Mist“.
Maßnahmen gegen Vandalismus
Die Ruhrbahn geht das Thema Vandalismus auch im Rahmen eines pädagogischen Konzeptes an: etwa über zwei Musicals, die jährlich von bis zu 3000 Kindern bis zum Grundschulalter besucht werden und die frühzeitig sensibilisieren sollen, welche Schäden und Kosten sinnlose Beschädigungen anrichten. Sprecher Jens Kloth: „Außerdem lernen die Kinder bei Betriebsführungen die Menschen persönlich kennen, die diese Schäden wieder beseitigen müssen.“ Weitere Informationen unter: www.ruhrbahn.de/essen/service/ruhrbahn-macht-schule/das-konzept
Schäden können der Ruhrbahn online gemeldet werden: www.ruhrbahn.de/essen/service/kontakt
Ruhrbahn widerspricht: Aufzug bislang nur drei Tage außer Betrieb
Ruhrbahn-Sprecher Jens Kloth indes widerspricht den Vorwürfen: „Wir haben mit dem Aufzug am Bahnhof Breslauer Straße wenig Probleme. In diesem Jahr hatten wir dort maximal drei Störungen und insgesamt war er an bisher drei Tagen außer Betrieb. Diese Störungen waren rein technischer Natur und hatten nichts mit Vandalismus zu tun.“
Tatsächlich stagniere die Zahl der Beschädigungen durch Vandalismus seit einigen Jahren, sei gar rückläufig. Derzeit liege der wirtschaftliche Schaden im jährlichen Mittel „insgesamt im sechsstelligen Bereich“. Klar jedoch ist: „Die Kosten für die Beseitigung der Vandalismusschäden sind Teil der Betriebskosten der Ruhrbahn und treffen die öffentliche Hand und damit den Bürger als Steuerzahler und Fahrgast. Wenn jemand erwischt wird, wird dies zur Anzeige gebracht.“
Aktuelle Fahrgast-Informationen auf der Webseite
Schäden, so Kloth, würden „zügig analysiert“ und behoben, was je nach Defekt mehr oder weniger Zeit in Anspruch nehme. Uninformiert bleibe dabei keiner: „Unsere Fahrgäste können sich über unsere Webseite über Störungen informieren. Automatisch werden hier zu allen Bahnhöfen die Aufzugs- und Fahrtreppenstörungen aktuell kommuniziert.“ Ein Service, der „in wenigen Wochen“ auch in die App ZÄPP integriert werde, zudem gebe es vor Ort stets Aushänge zu Reparaturarbeiten.
Kloth verweist mit Blick auf abnehmende Vandalismusschäden auf den positiven Effekt von Videokameras an Haltestellen und in den Fahrzeugen. Rieger berichtet, dass etwa eine Mitteilung über den Infoknopf am Bahnsteig ohne nennenswerte Konsequenz geblieben sei: „Da hieß es nur, man könne nicht durchgehend auf die Videoüberwachung gucken, ob alles in Ordnung ist.“
Die 39-Jährige ist mittlerweile auf dem Bahnsteig angekommen und steigt in die U-Bahn Richtung Stadtmitte, die Murat Khalat und Yasmin Schepers gerade verlassen. Wie selbstverständlich gehen die beiden zum Aufzug. Der, erklären sie auf Nachfrage, „hänge“ tatsächlich regelmäßig immer mal wieder oder sei, wie Schepers anmerkt, „ab und an“ auch nicht besonders sauber oder rieche schon mal unangenehm. „Aber dann nehme ich eben einfach die Treppe.“