Essen-Steele. Die Ausstellung „Straßenbahn in Steele“ bietet einen historischen Rückblick. Bis zum 16. Oktober sind im Laurentius-Quartier Fotos zu bestaunen.
Von 1897 bis 1977 durchfuhren Straßenbahnlinien die Steeler Innenstadt. In einer Ausstellung wird diese Geschichte in zahlreichen Fotografien dokumentiert, auch sind Wagenmodelle in Miniaturausführung zu sehen. Seine nun schon sechste Ausstellung im Seniorenstift Laurentius-Quartier präsentiert Klaus Geiser vom Verein „Steeler Archiv“.
Der gebürtige Kölner lebt seit 1950 im Stadtteil und hält die Erinnerung an vergangene Industrie- und Gewerbezweige wach. Geiser begleitete den Abriss des alten Steeler Stadtkerns in den 1970er Jahren und hielt die Entwicklungen mit seiner Kamera fest. Geisers Archiv umfasst mittlerweile über 1600 Fotografien. Die Steeler Straßenbahnen waren dem 85-Jährigen stets präsent: „Wir haben im Waisenhausbrink 7 gewohnt. Wenn die Bahn vorbeifuhr, klapperte bei uns zuhause das Geschirr.“
Essen-Steele: Seniorenheimbewohner zeigen großes Interesse an Ausstellung
Im Eingangsbereich des Seniorenheimes beginnt die Schau, die sich durch die Flure des Hauses zieht. Kevin Eykeln vom Laurentius-Quartier strahlt: „Wir hatten hier schon Ausstellungen über Zechen und Spielzeug, die über alte Steeler Kneipen wurde sogar um vier Wochen verlängert. Unsere Bewohner zeigen große Interesse. Die meisten von ihnen sind ja noch mit den alten Bahnen gefahren. Auch Gruppen aus anderen Häusern der Contilia kommen vorbei. Und natürlich die Steeler, die sich die Schau nicht entgehen lassen werden.“ So können die Nachbarn dabei auch zwanglos das Haus kennenlernen.
Schon beim Aufbau der Ausstellung spürte Klaus Geiser, wie sehr sich hier verkehrstechnisches Interesse mit lieben Erinnerungen mischt. So habe eine Bewohnerin ihn ganz aufgeregt angesprochen, als sie ein bestimmtes Foto entdeckte: „Das zeigt die Engstelle an der Gaststätte Risthaus, auch Dreimädelhaus genannt.“ Dort, auf dem Weg durch das Scheidtmanntor zum Kaiser-Otto-Platz, schlängelte sich die Linie 4 ganz knapp zwischen den Häusern durch.
Die Bewohnerin erzählte von einer Freundin, der genau dort ein peinliches Missgeschick unterlaufen sei: „Sie hatte nämlich nach Weihnachten achtlos den Tannenbaum aus dem Fenster geworfen. Der blieb aber an der Oberleitung hängen und wurde von der nächsten Bahn mitgeschleift. Das war ein Bohei.“
Alte Bilder zeigen Sprengung eines Förderturms in Essen-Steele
Teils sehr alte Fotografien der Straßenbahnen sind Dokumente Steeler Zeitgeschichte: „Hier musste die Linie 9 warten, als ein Förderturm der 1928 stillgelegten Zeche Johann Deimelsberg gesprengt wurde“, berichtet Klaus Geiser. Zur Steeler Tausendjahrfeier 1938 wurden auch die Straßenbahnen festlich geschmückt. Ein vorwitziger Lkw-Fahrer, der noch schnell zwischen zwei Straßenbahnen hindurchhuschen wollte, hatte deren Tempo unterschätzt: „Der Wagen war hin, aber dem Fahrer ist nichts passiert.“
Besonders eindrucksvoll ist das Bild einer sich durchs Ruhrwasser bewegenden Bahn, um die Ecke paddelt ein Boot herbei: „Das war im Mai 1943 nach der Zerstörung der Möhnetalsperre.“ Zwei Tage lang standen Steele und Horst unter Wasser, bis das Wehr des Baldeneysees geöffnet wurde. Bildmaterial hatte Klaus Geiser zwar mehr als genug, aber er wollte noch mehr bieten.
Wagenmodelle der „Verkehrshistorischen Arbeitsgemeinschaft EVAG“ werden ausgestellt
Bis zum 16. Oktober täglich geöffnet
Die Ausstellung „Straßenbahn in Steele“ im Laurentius-Quartier am Laurentiusweg 49 ist bis zum 16. Oktober täglich geöffnet von 10 bis 18 Uhr. Zugang nur mit einem tagesaktuellen negativen Corona Schnelltest. Es steht ein Testzentrum bereit.
Der Verein „Verkehrshistorische Arbeitsgemeinschaft EVAG“ ist unter 0201 82 64 52 06 oder info@vhag-evag.de zu erreichen. Weitere Infos sind unter www.vhag-evag.de zu erhalten.
Das 2006 gegründete Steeler Archiv hat die Aufgabe, die Geschichte von Steele und dem ehemaligen Amt Königssteele zu dokumentieren und für die Zukunft lebendig zu erhalten. Der Verein ist unter www.steeler-archiv.de zu erreichen.
Da kam Marcus Lehmann von der „Verkehrshistorischen Arbeitsgemeinschaft EVAG“ ins Spiel. Der 42-Jährige ist seit 1994 im Verein, dessen 230 Mitglieder die Entwicklung des Essener Nahverkehrs erforschen. Das Museum „Bus & Tram“ im U-Bahnhof Hirschlandplatz wird zurzeit umgebaut: „Umso schöner, dass wir hier Wagenmodelle präsentieren können, einen Brustwechsler, den der Schaffner mit sich trug, oder diese Fahrkarten im Abreißblock, auf die das Streckennetz gedruckt ist.“
Großformatige Hinweistafeln verströmen Zeitgeschichte: „Dort wurde dazu aufgefordert, Älteren in die Bahn zu helfen, passend zu bezahlen oder die Aschenbecher zu benutzen“, erklärt Lehmann. Ein Herr mit Zigarre in der Straßenbahn wirkt heutzutage eher skurril.
Mal Hand aufs Herz, gibt es ein persönliches Lieblingsstück? Klaus Geiser zögert nicht lange. Eine Modellbaulandschaft zeigt den alten Bahnhof Steele-West und seine Umgebung. Gebaut von Harald Vogelsang, dessen Buch „125 Jahre Straßenbahn in Steele“ auch hier zu erwerben sein wird: „Gott sei Dank ist das Buch rechtzeitig fertig geworden.“ Die Ideen sprudeln und der 85-Jährige denkt bereits weiter: „Als nächstes werden wir uns den alten Steeler Geschäften widmen, von denen viele nicht mehr da sind. Wir haben da ganz tolle Exponate.“