Essen/Bottrop. „Freiheit Emscher“ soll Zukunftsunternehmen auf die ehemaligen Bergbauflächen am Rhein-Herne-Kanal locken. Nun gibt es die ersten Interessenten.

Lange nichts gehört von „Freiheit Emscher“, dem gemeinsamen Vorzeigeprojekt von Essen und Bottrop, das ehemalige Bergbauflächen zu beiden Seiten des Rhein-Herne-Kanals entwickeln soll. Ein Vorzeigeprojekt auch deshalb, weil die Nachbarstädte dabei gemeinsame Sache machen und so ganz nebenbei mit dem weit verbreiteten Klischee brechen, im Ruhrgebiet regiere noch immer Kirchturmdenken.

Oberbürgermeister Thomas Kufen und seinem Bottroper Amtskollegen Bernd Tischler war es offensichtlich ein Bedürfnis, der Öffentlichkeit zu beweisen, dass es weitergeht mit dem interkommunalen Entwicklungsprojekt, als sie am Freitag vor die Presse traten. Ein Projekt, das – wenn es denn Wirklichkeit wird – seinesgleichen sucht: insgesamt 1700 Hektar groß, 800 Hektar Industrie- und Gewerbeflächen, davon 150 auf ehemaligen Bergbauflächen der RAG. Die Dimensionen sind gewaltig und die Erwartungen an die Protagonisten hoch, seit sie das gemeinsame Projekt 2016 angestoßen haben. Wie geht es weiter?

Die Ansiedlung von Logistikunternehmen ist auf „Emil Emscher“ nicht erwünscht

Der Dritte im Bunde, Michael Kalthoff, Geschäftsführer der RAG Montan Immobilien, überraschte mit dieser Nachricht: Schon im kommenden Jahr soll „Emil Emscher“, eine von fünf Entwicklungsflächen des Gesamt-Areals, einer „Folgenutzung zugeführt werden“, zumindest ein Teil des etwa 40 Hektar großen Areals. Es handelt sich um bereits erschlossene Flächen nördlich der Daniel-Eckhardt-Straße für die es bereits einen gültigen Bebauungsplan gibt.

Laut Kalthoff gibt es zwei Interessenten, die sich dort niederlassen wollen. Branchen oder gar Namen nannte der RAG-Manager auf Nachfrage nicht. Anderen sei abgesagt worden, „weil sie nicht ins Konzept passen“, ergänzte OB Kufen. Denn: „Es soll kein 08/15-Gewerbegebiet werden.“ Logistikunternehmen dort anzusiedeln wäre wohl ein Leichtes gewesen, ließ Kufen durchblicken. Aber die sind dort nicht erwünscht.

„Freiheit Emscher“ soll Zukunftsunternehmen ins Ruhrgebiet locken

„Freiheit Emscher“ soll vielmehr Zukunftsbranchen ins Herz des Ruhrgebiets locken. Es geht um die ganz großen Themen: Klimaresilienz, Digitalisierung. Vorzeigbares wäre ein Pfund, mit dem die Projektverantwortlichen wuchern könnten, denn Bewegung gibt es bislang nur hinter den Kulissen.

Um die rot markierten ehemaligen Bergbauflächen geht es bei dem Projekt „Freiheit Emscher“.
Um die rot markierten ehemaligen Bergbauflächen geht es bei dem Projekt „Freiheit Emscher“. © WNM

Anfang kommenden Jahres soll die gemeinsame Projektgesellschaft die Arbeit aufnehmen. Für deren Gründung gelte es noch, finanzielle und rechtliche Fragen zu klären. Die Stadträte müssen zustimmen. Formsache. Das Projekt werde dann Fahrt aufnehmen, lautet die Botschaft.

Dafür braucht es Geld. Bottrops Oberbürgermeister Bernd Tischler äußerte sich zuversichtlich, dass es gelingen werde, einen 100 Millionen Euro schweren Fördertopf der EU anzuzapfen, der wie gemacht sei für „Freiheit Emscher“. Denn finanzielle Mittel gibt es aus Brüssel für Gebiete, die von der Umstellung auf eine klimaneutrale Wirtschaft besonders betroffen sind.

Der Bau eines neuen Autobahnanschlusses wird sich verzögern – über 2028 hinaus

Der Haken: Das Geld aus dem EU-Topf muss bis 2026 ausgegeben werden, was auch Bottrops OB sportlich nennt. Reichen wird es ohnehin nicht. 300 Millionen Euro an öffentlichen Geldern sollen es bis 2030 sein von EU, Bund und Land. Tischler zeigt sich überzeugt, dass die Landesregierung nicht umhin komme, „den Ball aufzunehmen“. Noch liegt der Ball also im Feld.

Stattliche Summen dürften zunächst in die Aufbereitung von Flächen fließen, die noch nicht so weit sind wie „Emil Emscher“, sowie in Planung und Erschließung, allen voran durch den „Gewerbeboulevard“ mit einem Brückenschlag über den Kanal. Ende der 2020er Jahre soll „ein nennenswerter Teil“ dieser Nord-Süd-Achse fertig sein.

Etwas länger dauert es wohl mit einem neuen Autobahnschluss an die A42. Ursprünglich sollte es 2028 soweit sein. „Da waren wir ein bisschen zu optimistisch“, räumt Essens Planungsdezernent Martin Harter ein.

Geduld ist also gefragt. Auch bei jenen, die sich von den neuen Verkehrswegen eine Entlastung des Essener Nordens versprechen.