Essen-Altenessen. Eine Essenerin hat mit der Nordfünkchen-Praxis einen Zufluchts- und Gesprächsort für bedürftige Senioren geschaffen. Die Angebote sind kostenlos.

Zuhören, helfen, therapieren – das ist Sinn und Zweck der neu eröffneten Nordfünkchen-Praxis in Altenessen. Dort bietet die Krankenschwester Michaela Müller mit dem Therapeutenteam der Naturheilpraxis ohne Grenzen (NoG) ab Oktober unentgeltliche Unterstützung und Zuwendung für Senioren mit niedrigem Einkommen an.

Thema Altersarmut beschäftigt Altenessenerin

„Mich treibt das Thema Altersarmut schon länger um“, sagt die Initiatorin Michaela Müller, die alle nur Micha nennen. Nach über 30 Jahren in der Krankenpflege, davon 25 im jüngst geschlossenen Marienhospital, hat die 48-Jährige eine geschärfte Beobachtungsgabe und damit einen Blick für die Menschen in ihrer Umgebung. Als zu Beginn der Pandemie der Altenessener Gabenzaun errichtet wurde, habe sie dort oft ältere Menschen beobachtet, die daran zögerlich vorbeigelaufen seien, ohne sich als Bedürftige erkennen zu geben. „Diese Scham hat mich echt erschüttert, und so ist der Gedanke entstanden, etwas für die armen Senioren in meinem Stadtteil zu tun.“

Die Nordfünkchen-Praxis in Altenessen bietet einen Anlaufpunkt für Senioren.
Die Nordfünkchen-Praxis in Altenessen bietet einen Anlaufpunkt für Senioren. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Mit ihrer krankenschwestertypischen Tatkraft, ihrem großen Herzen und der finanziellen wie mentalen Unterstützung durch Familie, Freunde und Kollegen startete sie durch und unterstützte zunächst mit kleinen Geschenktüten die Senioren, die an der Tafel oder am Gabenzaun anstanden. „Doch in der Masse gehen gerade die älteren Menschen, die mit Rollator unterwegs sind, einfach unter. Sie werden weggedrängt, sind nicht so forsch und fordernd.“ In ihren vielen Begegnungen stellte die gebürtige Altenessenerin noch etwas fest: „Die Senioren brauchen nicht nur materielle Hilfe. Mindestens genauso wichtig ist die individuelle Zuwendung. Denn viele sind vor allen Dingen eines: einsam.“

Nordfünkchen-Praxis bietet Ort für gute Gespräche

Und so entstand langsam der Gedanke, einen festen Zufluchts- und Gesprächsort für bedürftige Senioren zu schaffen. Und den gibt es nun – untergebracht in einem Altbau an der Thiesstraße, unweit der A42 an der Grenze zwischen Altenessen und Karnap. Dort hat Michaela Müller im Erdgeschoss ihres Hauses eine kleine Wohnung zur Nordfünkchen-Praxis umgestaltet: Ein Tisch mit vier Stühlen, ein Sessel, Regale voller haltbarer Lebensmittel, Vitaminen und Mineralstoffen, eine Behandlungsliege, Bilder an den Wänden und Blumen auf dem Tisch – die Praxis ist nicht nur zweckmäßig eingerichtet, sondern wirkt einladend, warm und gemütlich. Hier können die Senioren bei Bedarf sogar das Bad benutzen, „denn gerade bei den rasant steigenden Energiekosten verzichten viele auf die heiße Dusche“, weiß Michaela Müller.

Gute Gespräche, Massagen, Fußpflege und gute Gespräche: Das gibt es ab sofort kostenlos in der Nordfünkchen-Praxis.
Gute Gespräche, Massagen, Fußpflege und gute Gespräche: Das gibt es ab sofort kostenlos in der Nordfünkchen-Praxis. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Dank der Kooperation mit der Naturheilpraxis ohne Grenzen, in der sich die Krankenschwester ebenfalls ehrenamtlich engagiert, wird es im Nordfünkchen nicht nur Zeit für gute Gespräche geben, hier wird auch künftig therapiert, gibt es, wenn nötig, Massagen oder Fußpflege, naturheilkundliche Tipps genauso wie Vitamine und Mineralstoffe.

Verein kümmert sich seit Jahren um Menschen in sozialer Not

„Als Michaela mit der Idee auf uns zukam, haben wir sofort ja gesagt. Nun sind wir sehr glücklich, dass wir eine Zweigstelle im Norden der Stadt haben“, sagt Heike Goebel, Gründerin und Vorsitzende des gemeinnützigen Vereins Naturheilpraxis ohne Grenzen. Am Hauptsitz an der Papestraße in Holsterhausen kümmert sich ein 30-köpfiges Therapeutenteam seit vier Jahren um Menschen in sozialer Not. „Zusätzlich sind wir noch regelmäßig mit unserem grünen Naturheilmobil in Essen unterwegs und betreuen und behandeln Obdachlose, für die der Weg in die Papestraße zu weit ist.“

Kostenlose Sprechstunde

In der Nordfünkchen-Praxis gibt es ab Oktober von 15.30 bis 17.30 Uhr jeden ersten und dritten Donnerstag im Monat eine offene und kostenlose Sprechstunde. Weitere Termine können vereinbart werden.

Unterstützung in Form von Spenden nimmt Michaela Müller gerne persönlich entgegen, sie können aber auch in der Naturheilpraxis ohne Grenzen an der Papestraße 5 abgegeben werden. Benötigt werden vor allen Dingen haltbare Lebensmittel und Hygieneartikel.

Adresse: Nordfünkchen-Praxis, Thiesstraße 16 (200 Meter von der U-Bahn-Station II. Schichtstraße entfernt). 01575-397 37 88.

Darum macht sich Michaela Müller derzeit noch keine Sorgen, im Gegenteil: Sie ist davon überzeugt, dass viele Ältere den Weg zu ihrer Nordfünkchen-Praxis finden werden. „Nach einem Vierteljahrhundert im Marienhospital bin ich in Altenessen ein vertrautes Gesicht. Ich glaube das hilft, die Hemmschwelle bei den Senioren zu senken.“ Jedem, der zu ihr kommt, will sie ihre Zeit und ihr Ohr schenken, „und dann schaue ich, wie ich weiterhelfen kann“. Nach dem Erstgespräch wird es dann bei Bedarf weitere Therapien geben. „Dafür vereinbaren die Senioren feste Termine, an denen unsere Therapeuten nach Altenessen kommen“, ergänzt Heike Goebel.

Schon vor der Eröffnung sind die ersten Gesprächstermine vergeben, „mein Angebot hat sich ganz schnell in Altenessen herumgesprochen“, freut sich Michaela Müller, die es kaum erwarten kann, zu starten. „Für mich ist das eine Herzenssache, die mich glücklich macht.“