Essen-Werden. Hätte der Ruhrverband mehr tun können, um den Essener Süden vor der Flut im Juli 2021 zu schützen? Der Verband stand Anwohnern Rede und Antwort.

Zum Flut-Jahrestag sprachen Anwohner der Laupendahler Landstraße in Werden mit Dezernent Christian Kromberg und Feuerwehrchef Thomas Lembeck über die Geschehnisse im Juli 2021. Dabei wurden Vorwürfe gegenüber dem Ruhrverband geäußert. Das wollte dieser nicht einfach hinnehmen und lud die Betroffenen zu einem klärenden Gespräch ein.

Aufklärung verlangten Anwohner der Laupendahler Landstraße in Werden über das Verhalten des Ruhrverbandes beim Hochwasser 2021.
Aufklärung verlangten Anwohner der Laupendahler Landstraße in Werden über das Verhalten des Ruhrverbandes beim Hochwasser 2021. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Dem Verband ging es darum, einiges zurechtzurücken in Sachen Talsperren, Wasserhaltung Baldeneysee und Hochwasserschutz. Seitens des Ruhrverbands informierten u.a. Peter Klein (Geschäftsbereichsleiter Technischer Betrieb), Georg zur Strassen (stellv. Leiter Wasserwirtschaft), Anne Becker (Gruppenleiterin Talsperrensteuerung) und Matthäus Schallenberg (Betriebsstellenleiter Stauseen).

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Hochwasserzuständigkeit liegt bei den Kommunen

So klärte Peter Klein zunächst grundsätzlich auf: „Wir haben keine Hochwasserzuständigkeit. Dies ist Aufgabe der Städte.“ Der Verband sei für den Ausgleich der Wassermenge in den über 60 verbandsangehörigen Kommunen verantwortlich. Georg zur Strassen: „Die Talsperren des Ruhrverbands sind Multifunktionsanlagen. Hauptaufgabe ist die Sicherstellung der überregionalen Wasserversorgung durch Einhaltung von gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabflüssen in die Ruhr und, wenn es um Starkregenereignisse geht, der Rückhalt der Wassermassen.“

Peter Klein (rechts, Geschäftsbereich Technischer Betrieb) informierte über die Aufgaben des Ruhrverbandes.
Peter Klein (rechts, Geschäftsbereich Technischer Betrieb) informierte über die Aufgaben des Ruhrverbandes. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Im Falle des Sturmtiefs Bernd im Juli 2021 habe der Ruhrverband rechtzeitig auf die Warnungen vor Starkniederschlag reagiert und zusätzlichen Stauraum in den Talsperren geschaffen. Zu Beginn standen so insgesamt 23 Millionen Kubikmeter zur Verfügung, erklärte Georg zur Strassen. Dadurch hätten die Talsperren zu einer wesentlichen Dämpfung des Hochwassers beigetragen: Sie hielten 261 Kubikmeter pro Sekunde in der Spitze zurück und reduzierten so die Abflussspitze an der Ruhr von 1491 auf 1230 Kubikmeter pro Sekunde.

Talsperren sind weit entfernt von Essen-Werden

Doch war in den betroffenen Essener Stadtteilen diese Maßnahme der weit entfernten Talsperren von Möhne, Bigge und Sorpe überhaupt spürbar? Die Anwohner der Laupendahler Landstraße verneinten dies. Klein: „Werden liegt am weitesten weg von den Talsperren. Der Einfluss ist deshalb geringer. Letztlich hätten wir vielleicht acht Zentimeter am Pegel Hattingen beeinflussen können. Die Flut wäre 20 Minuten später gekommen.“

Markus Rüdel (Unternehmenskommunikation Ruhrverband) erläuterte die einzelnen Programmpunkte der Infoveranstaltung.
Markus Rüdel (Unternehmenskommunikation Ruhrverband) erläuterte die einzelnen Programmpunkte der Infoveranstaltung. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Welche Rolle spielte dabei das Stauwehr am Baldeneysee? Betriebsstellenleiter Matthäus Schallenberg erklärte, dass sich sowohl Zweck als auch Funktionsweise von Talsperren und Stauseen deutlich unterscheiden. Im Gegensatz zu den Talsperren, die aufgrund der Funktion als Wasserspeicher wechselnde Wasserstände haben können, müsse der Wasserstand im Baldeneysee, der als Flusskläranlage angelegt wurde, konstant gehalten werden. Das Stauziel von 51,77 Metern über Normalnull werde unbeeinflusst vom Abfluss beibehalten.

Ansicht des Stauwehrs am Tag nach den Überschwemmungen: „Jeder Tropfen, der in den Baldeneysee hineinfließt, wird über das Laufwasserkraftwerk oder eben bei Hochwasser über die Wehrwalzen wieder in die Ruhr abgeführt.“
Ansicht des Stauwehrs am Tag nach den Überschwemmungen: „Jeder Tropfen, der in den Baldeneysee hineinfließt, wird über das Laufwasserkraftwerk oder eben bei Hochwasser über die Wehrwalzen wieder in die Ruhr abgeführt.“ © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Und so erkläre sich auch das Ablassen des Wassers im Juli 2021, das sich dann im Schwall bis Werden und Kettwig fortsetzte: „Jeder Tropfen, der in den Baldeneysee hineinfließt, wird über das Laufwasserkraftwerk oder eben bei Hochwasser über die Wehrwalzen wieder in die Ruhr abgeführt.“

Warum selbst im Extrem davon nicht abgewichen werden kann, erkläre sich noch aus einem weiteren Umstand, so Schallenberg: Der Baldeneysee ist mit einer mittleren Tiefe von gut drei Metern relativ flach und hält keine Speichervolumen oder Retentionsräume vor.

Vorurteile der Betroffenen wurden abgebaut

Anne Becker ergänzte, dass in der Vergangenheit bereits größere Hochwasser im Ruhreinzugsgebiet auftraten und künftig mit häufigeren Extremwetterereignissen zu rechnen sei. Umso wichtiger würden Meldeketten für die Bürger.

Der Ruhrverband habe dabei keine aktive Rolle inne, betonte Peter Klein. Man stehe über die Bezirksregierung aber mit den Kommunen in Kontakt. „Mehr Regenrückhaltebecken zu bauen, würde eine Entlastung bringen“, so die Empfehlung von Klein. Für die Betroffenen bleibt die Hoffnung auf eine bessere Vernetzung der handelnden Akteure in der Zukunft. Und die Erkenntnis, dass viele voreilig den Ruhrverband verurteilt hätten. „Es war sehr aufschlussreich“, resümierte Anwohnerin Astrid Kollmar. „Diese Dinge waren so gar nicht bekannt.“