Essen-Rüttenscheid. Straßenbäume haben es nicht leicht, auch nicht die Kirschbäume an der Rü. Zwar gehen nur einzelne kaputt, dennoch sehen Experten Handlungsbedarf.

Um die 400 Bäume stehen entlang der Rüttenscheider Straße, ein ganz leichtes Leben haben sie nicht. Eher knapp bemessene Beete und Leitungen im Untergrund setzen dem Wachstum einige Grenzen, die weitgehende Verschattung durch die Häuserschlucht ist ebenfalls nicht ideal, und bedrängt durch parkende Autos und den Lieferverkehr werden die Bäume auch noch. Festzuhalten ist aber, dass die Allee trotz dieser Belastung als Ganzes bislang gut durch die Zeit gekommen ist, und nur jeweils einzelne Exemplare ersetzt werden müssen. Die städtischen Baumexperten haben für die Zukunft dennoch einige Sorgen.

Die blühenden Bäume erfreuen sich weiterhin großer Beliebtheit

Es war der einige Jahrzehnte in Rüttenscheid lebende Japaner Tadashi Nakamura, der die Idee hatte, die grundlegende Sanierung der Rüttenscheider Straße Ende der 1980er Jahre zu nutzen, um hier eine Kirschbaumallee zu pflanzen. Die Stadt griff das auf, die Grundausstattung bezahlte Nakamura. Im Stadtteil erfreuen sich die Blüh-Wochen unverändert großer Beliebtheit, nördlich der Martinstraße sollten die Bäume rot blühen, südlich davon weiß. Ergänzt wird die Kirschbaumallee durch Sumpfeichen, die in Vierergruppen an den Kreuzungen gepflanzt wurden und deren Kronenspitze mittlerweile trotz ebenfalls nicht optimaler Bedingungen die Traufhöhe der Häuser überragt.

Außer den Kirschbäumen wurden an der Rüttenscheider Straße Sumpfeichen gepflanzt. Ihre ausladenden Kronen sind mittlerweile kaum noch zu unterscheiden.
Außer den Kirschbäumen wurden an der Rüttenscheider Straße Sumpfeichen gepflanzt. Ihre ausladenden Kronen sind mittlerweile kaum noch zu unterscheiden. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Beim Einpflanzen waren die Kirschbäume bereits zwischen fünf und zehn Jahre alt, sind also mittlerweile um die 40. „Sie haben trotz aller anderen Nutzungen der Einkaufsstraße fast alle gut durchgehalten“, schwärmt Rolf Krane, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Rüttenscheid (IGR). Angesichts der aus seiner Sicht nicht zu ändernden Rahmenbedingungen könne man jedenfalls sehr zufrieden sein, wenn pro Jahr nur fünf bis zehn Bäume ausgetauscht werden müssten, wie es derzeit der Fall sei, so Krane

„Im Wald kann so ein Baum 500 Jahre halten“

Nicht ganz so optimistisch, was den Zustand der Bäume an der Rü betrifft, wirken indes städtische Mitarbeiter. Norbert Bösken, Leiter der Abteilung Wald- und Baumpflege bei Grün und Gruga, lässt durchblicken, dass er das Maß an Aufenthaltsqualität für die Bäume an der Rüttenscheider Straße noch keineswegs für ausgereizt hält: „Im Wald kann so ein Baum 500 Jahre halten.“

Generell gelte: Straßen sind für Bäume ein „Stress-Standort“, man beobachte „ein zunehmendes Versagen von Straßenbäumen“, die viermal häufiger als früher aus statischen Gründen gefällt werden müssten, heißt es in einer Broschüre von Grün und Gruga. Allgemeine Erwärmung und Dürre, die Folgen des Sturms Ela, aber auch neue Krankheiten seien dafür verantwortlich. Von den 60.000 Straßenbäumen in Essen seien in den letzten zehn Jahren 15.000 nicht mehr zu retten gewesen, wobei sie in der Regel durch neue ersetzt wurden.

Unmittelbare Lebensgefahr besteht für die Kirschbaumallee nicht

Abgesehen von einzelnen Fällungen, bestehe unmittelbare Lebensgefahr für die Rü-Bäume derzeit aber wohl nicht. „Für die nächsten Jahre könnte es klappen, wenn nicht zu viel Putzwasser ins Beet gekippt wird“, so Bösken sarkastisch. Gemeint ist: Wer Bäume bei Trockenheit wässert, was ausdrücklich erwünscht ist, möge bitte sauberes Leitungswasser verwenden.

Neben solchen Fehlhandlungen sind es vor allem, man ahnt es, die Autos, die aus Sicht der städtischen Experten den Straßenbäumen zusetzen. Karsten Fieseler vom Amt für Straßen und Verkehr würde die Beete, die ohnehin recht klein seien, am liebsten mit Hochbordsteinen umranden, damit parkende Autos den Bäumen nicht zu nah kommen können. Allerdings gebe das wohl „wieder Ärger“ schwant ihm. Um die „Leichtigkeit des Verkehrs“ zu gewährleisten – ein Gebot der Straßenverkehrsordnung –, müssen die Bäume zudem regelmäßig beschnitten werden, damit auch große Lkw nicht durch Äste gebremst werden.

IGR-Chef Krane lobt im Grundsatz die Zusammenarbeit mit der Stadt, weist aber auch darauf hin, dass eine Einkaufsstraße nun einmal unvermeidlich mehr Baum-Risiken bereithält als ein freier Standort – wie es die Grün- und-Gruga-Broschüre bestätige.

Kritik der IGR an nicht immer sortenreinen Neupflanzungen

Im Detail allerdings sei zu kritisieren, dass bei Neupflanzungen von Kirschbäumen nicht immer die richtige Farbe gepflanzt würde, und auf diese Weise die Schönheit der Allee leide. Auch störe, dass die Lochsteine, die ursprünglich um die Stämme herum gelegt wurden, bei Neupflanzungen in der Regel trotz gegenteiliger Zusagen entfielen und stattdessen eine lockere Granulatschicht aufgetragen würde. Weil ohne die Steine schnell Löcher im Boden entstünden, die sich zu Stolperfallen auswüchsen, berge der Verzicht auf die Steine auch Risiken für Fußgänger.

Für Karsten Fieseler sind die Lochsteine jedoch keine angemessene Umgebung mehr für Jungbäume. Sie ließen nicht genügend Wasser für den Baum durch und behinderten eher das kräftige Anwachsen.