Essen. Geburtstagsparty mit der „Lady in Black“: Uriah Heep, Hardrock-Ikonen der 1970er, machten auf ihrer Jubiläumstour Station in Essens Lichtburg.
Drogentod, Alkohol-Exzesse, Zusammenbrüche und zwischenmenschliche Feindseligkeiten: Die Band Uriah Heep, 1968 gegründete englische Ikone des Hard Rock, ließ während ihrer Karriere keine Tragödie des Rock`n`Roll aus. Doch mit Gitarrist Mick Box (75) hat ein Gründungsmitglied überlebt, und so hat sich Uriah Heep auf Tour begeben, um das 50. Bandjubiläum, das wegen der Covid-Pandemie aufgeschoben werden musste, dann doch noch zu feiern.
Gut 900 Fans wollten in der Essener Lichtburg gratulieren und sich die Geburtstagsparty einer Band nicht entgehen lassen, die in den 1970-Jahren in einem Atemzug mit Deep Purple, Black Sabbath oder Led Zeppelin genannt wurde und mit Alben wie „Demons and Wizards“ oder „The Magicians Birthday“ Meilensteine des 70-Jahre-Rock produziert hatte.
Auf neue Songs mussten die Fans in Essen weitgehend verzichten
Auf neue Songs mussten die Fans jedoch so gut wie verzichten, lediglich „Waters Flowin’“ vom aktuellen Album „Living the Dream“ schaffte es auf die Setlist, die eindeutig als große musikalische Rückschau angelegt war.
Videobotschaften von Genre-Kollegen wie Def Leppard, Judas Priest, Alice Cooper bis hin zu einem ausnahmsweise ungeschminkten Paul Stanley von Kiss eröffnen das inklusive Pause rund dreistündige Konzert, das mit einem akustischen Set eher verhalten beginnt. Fast etwas verloren auf der abgehängten Bühne wirken Phil Lanzon (Keyboards, seit 1986 dabei), Russell Gilbrock (Schlagzeug, seit 2007 dabei), Davey Rimmer (Bass, seit 2013 dabei) sowie Sänger Bernie Shaw (seit 1988 dabei), der bemerkt, dass Mick Box so weit von ihm entfernt sei, dass er fast schon eine andere Postleitzahl habe.
Nach 50 Jahren Üben hat die Band so etwas wie eine innere Harmonie hergestellt
Doch die gefühlte Distanz macht sich musikalisch in keiner Weise bemerkbar. „Circus“ eröffnet das Konzert und demonstriert mit leisen, fast filigranen Tönen der akustischen Gitarre, lediglich die Orgel sorgt für ein leichtes Grollen im Hintergrund, wie es diese Band nach 50 Jahre Üben endlich geschafft hat, so etwas wie eine innere Harmonie herzustellen. Bernie Shaw, dessen Stimme jetzt nicht gerade über die kraftstrotzende Bandbreite eines Ian Gillan in seinen besten Zeiten verfügt, schafft es bei „Tales“ dennoch, den Song mit einer spannenden vokalen Theatralik zu unterlegen.
Nach dem eher banalen „Free Me“, in da begeisterte Fans trotzdem entfesselt einstimmen, sorgt ein einfühlsames „Come Away Melinda“ wieder für Versöhnung, während der Klassiker „Lady in Black“ zum Finale des ersten Sets die Fans aus den Sitzen reißt und zu einen Saal füllenden Ah-Hahaha-Hahaha-Chor animiert, der selbst dann nicht enden will, als die Musiker bereits Anstalten machen, die Bühne zur Pause zu verlassen.
Dynamik und Spielfreude der alten grauen Männer überrascht und begeistert
Nach der Pause holt Uriah Heep dann das große Besteck heraus und lässt es beim Electric Set ordentlich krachen. Wenn man die Augen schließt, überrascht und begeistert die gleichsam aus einem Jungbrunnen geschöpfte Dynamik und Spielfreude der alten grauen Männer. Insbesondere Mick Box hat als Saitenzauberer nichts verlernt. Allerdings rächt sich, dass der Sound sehr gut ist, und dadurch so manche klischierte Banalität in Texten, etwa von „Wise Man“ oder „Sunrise“, besonders auffällt.
Aber mit „What Kind of God“ gibt es auch großes Theater, das in Zeiten des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine einmal mehr traurige Aktualität erhält, und „Sweet Lorraine“ überrascht mit lockerer Tanzparty-Mucke. Zu recht riesiger Jubel nach der letzten Zugabe „Easy Livin’“