Essen. Der Flüchtlings-Zustrom ebbt ab, Unterkünfte gibt’s genug: Zeit, für die Stadt, die nächsten Schritte zur Integration zu gehen – schwierig genug.

Dutzende freie Termine bei der Ausländerbehörde, hunderte freie Betten in den Notunterkünften und nur sporadisch neue Flüchtlinge vor der Tür – während der Krieg in der Ukraine mit unveränderter Härte fortgeführt wird, kann das Essener „Lagezentrum Ukraine“ derzeit Entspannung auf breiter Front vermelden. Kopfzerbrechen bereitet der Stadt derzeit nicht mehr, das Dach überm Kopf zu organisieren, sondern die Frage, wie die ukrainischen Flüchtlinge nun den nächsten Schritt in den hiesigen Alltag hinbekommen: Schule für die Kleinen, ein Job für die Großen. Das wird schwierig genug.

Beispiel Schule: Unter den 6415 Menschen aus der Ukraine, die seit Kriegsbeginn in Essen erfasst wurden, sind rund 1600 im schulpflichtigen Alter. Ein Drittel von ihnen ist laut Stadt bereits auf die Schulen im Stadtgebiet verteilt, für ein weiteres Drittel steht dies nach den Sommerferien an.

Trotz vieler Flüchtlinge – die Stimmung blieb „sehr unauffällig“ findet der OB

Für das letzte Drittel gibt es noch keine Plätze. Schon deshalb, weil derzeit unklar ist, ob sie überhaupt benötigt werden. Denn eine in Essen erfolgte Ersterfassung ukrainischer Flüchtlinge bedeutet keineswegs, dass diese auch in der Stadt geblieben sind. Das lässt sich nur von jenen 2593 Personen sagen, denen die Verwaltung einen elektronischen Aufenthaltstitel ausgestellt hat, sowie für weitere 1674 Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis als Klebeetikett bekamen – macht zusammen 4267.

Schon diese Zahl machte die Ukrainer binnen fünf Monaten zur siebtgrößten Ausländer-Gruppe in Essen, und dennoch, findet Oberbürgermeister Thomas Kufen, bleibe die Stimmung in der Stadt „sehr unauffällig“: Das sei vor allem dem „großartigen Engagement“ der Bürgerinnen und Bürger zu verdanken, nicht nur der eigenen Landsleute übrigens. Dass dieser Einsatz mehr Hilfe bescherte, als manche Nationalstaaten aufbrachten, das mache ihn als OB durchaus stolz.

Der Wunsch zurückzugehen – „für uns kann das keine Planungsgrundlage sein“

Auch sonst ist manches anderes als bei der letzten Flüchtlingswelle. Das ukrainische Homeschooling-System, so merken Spötter an, funktioniere selbst im Krieg besser als das hiesige in Friedenszeiten. Und über allem steht ohnehin der Wunsch der ukrainischen Familien, schnellstmöglich wieder in die alte Heimat zurückzugehen. „Ich kann das verstehen“, sagt Oberbürgermeister Kufen, „nur kann das für uns keine Planungsgrundlage sein“.

Kinder müssten in Schule und Kita, „dafür benötigen wir Räume und auch Personal“, und viele Menschen wollten in Arbeit: „Für all diese Themen sind wir als Stadtverwaltung erster Ansprechpartner“. Dies zumal vor allem mit Blick auf Herbst und Winter längst noch nicht klar sei, „ob sich dann nicht wieder mehr Menschen aus der Ukraine auf den Weg in benachbarte Länder machen“.

Die letzten angemieteten Hotelzimmer wurden vor ein paar Tagen zurückgegeben

Die Stadt sieht sich gewappnet: Vor wenigen Tagen erst konnte sie die letzten angemieteten Hotelzimmer wieder zurückgeben, neben den verschiedenen Notunterkünften und Ersatz-Plätzen in ehemaligen Krankenhäusern und angemieteten Häusern des Bistums steht mit dem ehemaligen Dorint-Hotel in Rüttenscheid zudem ein ganzes Haus mit 200 Plätzen zur Verfügung.

Immerhin 2269 ukrainische Flüchtlinge konnten bereits in eigenen Wohnungen untergebracht werden. Ein neues Zuhause, für wie lange weiß niemand.