Essen. Nach langer Corona- und Renovierungspause kehren Kreative aus allen Sparten ins Essener Unperfekthaus zurück. Zu Besuch im Künstlerdorf.
Ein Haus voll kreativer Menschen – vom Keller bis zu Dachboden: Das war die Idee von Reinhard Wiesemann, die er 2004 im Unperfekthaus (UpH) mitten in der Essener Innenstadt erfolgreich umsetzte. In dem siebenstöckigen Gebäude an der Friedrich-Ebert-Straße hat sich seitdem viel getan. Ganz nach dem Motto des Kreativdorfs „Alles Neue beginnt unperfekt. Aber es bleibt nicht so“ hat das UpH-Team während der Pandemie einiges verändert. Und manches perfektioniert.
Unter einem Dach: Musiker und Autoren, Fotografen und Designer
Susanne Kampling strahlt. Endlich kehrt das Leben im UpH zurück. Sie kennt sie alle, die Künstlerinnen und Künstler, Kreative aus Essen und Umgebung, Musiker und Autoren, Fotografen und Designer. „Und ich habe sie alle so vermisst“, sagt sie. Corona sei für viele, die vorher dort ein- und ausgingen ein harter Einschnitt gewesen. „Nicht jeder ist wieder am Start, einige haben sich umorientiert.“
Umso mehr freue sie das wachsende Interesse am neuen UpH-Laden, dessen Geschäfte sie mit Sebastian Kentzle führt. Verkauft werden über 1000 Artikel im Auftrag von Kreativen aus Essen und der Region: Originale, Skulpturen, Dekoration, Schmuck, Karten und Merchandisingprodukte. Im Gegenzug werden die Künstler beraten und vernetzt.
Das umgestaltete Restaurant „Pottgericht“ steht allen Besuchern offen – ohne Eintritt
Katrin Brackmann treffen wir mittags im umgestalteten Restaurant „Pottgericht“ im Erdgeschoss. Dort stellt die Essener Künstlerin gerade einige Acrylgemälde aus. Dieser Bereich steht seit der Wiedereröffnung im März 2022 allen Besuchern offen, und auch die UpH-Künstler treffen sich gern dort, wo man früher schon Eintritt bezahlen musste. „Nein, ein Atelier habe ich hier nicht“, sagt Brackmann.
Als Diplom-Designerin ist sie eher untypisch im Haus, wo vom Grundgedanken alle – auch ohne entsprechendes Studium - kreativ sein dürfen. Die 49-Jährige ist eine von derzeit rund 42 Aktiven, die das Geschäft in der ersten Etage bestücken. Um etwas zu verkaufen, müssen sie nicht vor Ort sein. Ebenso wenig ihre Werke. Alle haben mit dem Laden Verträge zur Vermarktung abgeschlossen. „Wir fotografieren und inszenieren die Sachen und lassen auf unsere Kosten Produkte herstellen“, so Geschäftsführerin Susanne Kampling zum weiteren Ablauf. Das Miteinander der Kreativen im UpH – 16 sind es beim Besuch - sei gut und fair.
Zugang zum Künsterladen im Unperfekthaus
Der UpH-Laden in der ersten Etage ist wie folgt geöffnet: Mo-Do 9-22 Uhr / Fr 9-24 Uhr / Sa 10-24h / So 10-22h. Verkauft werden lokal an der Friedrich-Ebert-Straße 18 sowie online Werke, Projekte und Aktionen von Kreativen aus dem „Unperfekthaus Essen“ und der Region.
Im Angebot sind Originale, Designartikel, Kunstdrucke und Unperfekthaus-Merchandise. Mehr: www.uph-kunstladen.de
14 Artikel mit Motiven von Katrin Brackmann gibt es derzeit im Laden, der auch online erreichbar ist. Neben mittel- und großformatigen Acryl-Gemälden und Collagen werden Kunstkarten, Kühlschrankmagnete und Kuscheldecken vermarktet. „Bereits für kleines Geld findet man hier Schönes. Nicht jeder leistet sich gleich ein Gemälde“, erklärt Geschäftsführer Kentzle, der den Online-Katalog erstellt hat. Beispiel: Brackmanns „Beachwalk“ - Mixed Media auf Leinwand - kostet 952 Euro im Original. Als Magnet 4,90 Euro. Manche Motive finden sich auf T-Shirts oder Hoodies wieder - eine tragbare Alternative zu Wandgemälden.
„Uph-Urgestein“ Natascha Dors malt nicht nur, sie ist auch Kreativtrainerin
Farbig war der Wintergarten im vierten Stock bis vor der Renovierung in der Pandemie. Nun sind die Wände grau. „Und damit viel neutraler“, lobt Bernadette Schnieder-Luther. Die Ratingerin überprüft, wie sich ihre zwölf Acryl-Collagen in der Ausstellung neben der Tischreihe machen. Sie ist zufrieden. Zwölf Artikel der 64-Jährigen hat der UpH-Laden im Sortiment. „Zu Hause stehen die Bilder nur herum. Hier kann ich sie hoffentlich verkaufen“, sagt sie. Oft sei sie nicht in Essen, etwa einmal im Monat schaue sie herein.
In den Atelierbereichen in der ersten und zweiten Etage arbeiten Kreative und stellen aus. Eine von ihnen ist „UpH-Urgestein“ Natascha Dors. Sie malt nicht nur, sondern leitet als Kreativtrainerin seit mehr als zehn Jahren Teambuildings und Events. Auf der Leinwand drückt sich Dors in Farbe und Form variierend aus. „Nataschas Kunst lässt sich nicht festlegen“, meint Kampling. Im Bestand sind 79 Artikel von Dors: vom Original auf Leinwand bis zum Designer-Kissen.
Ulli Kux aus Oberhausen kreiert in einer Garage in Mülheim-Dümpten fließende Pouring-Bilder aus Acryl. Die 61-Jährige landete beim Acryl-Gießen über die Encaustic - einer Technik, bei der in Wachs gebundene Farbpigmente heiß mit einem Maleisen aufgetragen werden. Ihre Leidenschaft sind Großformate. Das Atelier in Oberhausen-Borbeck gab sie auf. Ihre Bilder vertreibt sie teils über den UpH-Laden. Der rechnet beim Verkauf pro Stück 50 Prozent Provision ab. Im Gegenzug brauche sie sich um nichts zu kümmern. „Perfekt, so kann ich mich ganz der Kunst widmen“, sagt Kux. Sie möchte „für nichts auf der Welt aufhören zu malen und zu werkeln.“