Nach 30 Jahren kommt mit „Aktenzeichen XY“ Bewegung in zwei „Cold Cases“. Die Polizei arbeitet nun einige Hinweise auf den Täter ab.

Zwanzig Minuten in der Flimmerkiste, und gerade mal eine halbe Stunde später liegen vierzehn Hinweise vor: Ist das wenig? Ist das viel? Es ist jedenfalls genug, wenn sich auch nur ein einziger darunter befindet, mit dem die Polizei nach immerhin drei Jahrzehnten einem brutalen Kindermörder auf die Spur kommt. Die ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY...ungelöst“ sollte am Mittwochabend dabei helfen, dass die Ermittler nun neue Ansätze bekommen haben. Wie vielversprechend sie sind, wird sich in den nächsten Tagen zeigen.

Eine Aufklärungs-Chance, die nicht so schnell wiederkommt. Und, die einen schmerzhaften Blick auf zwei abscheuliche Taten wirft, die beide Anfang der 1990er Jahre in Altenessen ihren Anfang nahmen: Im Februar 1992 verschwand die neunjährige Stefanie M.* auf dem Nachhauseweg von einer Party, ein Unbekannter verschleppte sie in Höhe der Gladbecker Straße, missbrauchte sie sexuell und fügte ihr schwerste Kopfverletzungen zu. Das Mädchen wurde in Kaiserswerth gefunden und überlebte mit Glück.

Mithilfe des ersten Opfers entstand damals dieses Phantombild. Heute dürfte der dort geschilderte Mann Mitte 60 sein.
Mithilfe des ersten Opfers entstand damals dieses Phantombild. Heute dürfte der dort geschilderte Mann Mitte 60 sein. © wk

DNA-Spuren zeigen: Es ist ein und derselbe Täter, „wir sind uns da absolut sicher“

Nur tot geborgen werden konnte dagegen im September 1993 die ebenfalls neun Jahre alte Marijana Krajina, die zu einem Sommerurlaub aus Kroatien nach Essen gekommen war: Auch sie wurde sexuell missbraucht und später durch Messerstiche getötet. Ihre Leiche fand sich in der Nähe von Scheeßel in Niedersachsen, ebenfalls an einer Landstraße.

In der Aktenzeichen-Sendung machte die ermittelnde Essener Kriminalhauptkommissarin Andrea Treinies deutlich, dass die Polizei auf Grundlage von DNA-Spuren von ein und demselben Täter ausgeht: „Wir sind uns da absolut sicher.“ Ein Abgleich dieser genetischen Fingerabdrücke mit der Straftäterdatei des Bundeskriminalamtes brachte jedoch keinen Treffer. Deshalb gehen die Behörden jetzt noch einmal öffentlich in die Offensive.

Dabei geht die Kripo „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ davon aus, dass der Täter weitere Opfer in Essen oder anderswo zumindest gesucht, vielleicht auch gefunden haben könnte.

Womöglich hätten sich die Kinder oder ihre Eltern damals nicht getraut, sich bei der Polizei zu melden, vielleicht gebe es auch Mitwisser, bei manchem auch nur einen unbestimmten Verdacht – und Menschen, die nach all den Jahren „ihr Gewissen erleichtern“ wollten. Treinies mag die Hoffnung einfach nicht aufgeben.

Obwohl dies alles 30 Jahre her ist, aber immerhin, es gibt Hinweise, mit denen die Polizei den Erinnerungen auf die Sprünge helfen kann: Einen weißen Kastenwagen etwa, den man eigens ins „Aktenzeichen XY“-Studio gerollt hat, drinnen auf der Beifahrerseite fehlte bei der Tat der Türgriff, und auf der Ladefläche hätten Kissen und Maler-Utensilien gelegen, erinnerte sich das kindliche Opfer.

Drei Tage nach ihrem Verschwinden wurde die neunjährige Marijana Krajina 300 Kilometer von Essen entfernt, an einer Landstraße bei Scheeßel in Niedersachsen, tot aufgefunden.
Drei Tage nach ihrem Verschwinden wurde die neunjährige Marijana Krajina 300 Kilometer von Essen entfernt, an einer Landstraße bei Scheeßel in Niedersachsen, tot aufgefunden. © FFS | Frank VINKEN

Dazu das Phantombild, das mit Stefanie M.s* Hilfe 1992 entstand: Es zeigt einen zur damaligen Zeit etwa 35 bis 40 Jahre alten Mann, der rund 1,70 bis 1,75 Meter groß sein soll und grau-braun meliertes Haar mit Geheimratsecken trägt. Heute wäre der Mann, der viel auf Achse gewesen sein muss, Mitte bis Ende 60. Ob das reicht, um aus einem kalten Kriminalfall wieder eine heiße Spur zu destillieren?

Kriminalhauptkommissarin Treinies versucht es. Am späteren Abend sind noch ein paar weitere Hinweise dazugekommen. „Da kommt eine Menge Arbeit auf die Essener Kripo zu“, heißt es am Ende der ZDF-Sendung, ja, es gebe sogar Anrufer, die den Täter anhand des Phantombildes womöglich wiedererkannt haben wollen. Wie gesagt: Eine echte heiße Spur könnte reichen.

* Um die Persönlichkeitsrechte des lebenden Opfers zu schützen, hat die Polizei den Namen geändert.