Essen. Essens Stadtwerken steht ein gigantischer Wandlungsprozess bevor. In der Politik fand man, dafür bräuchte es an der Spitze auch eine neue Person.
Im städtischen Firmennetz gehört der Job fraglos zu den wichtigsten Knotenpunkten – ablesbar auch daran, dass kein anderer Posten im „Konzern Stadt“ besser bezahlt wird: Wer an der Spitze der Stadtwerke Essen steht, erhält über 400.000 Euro Jahresgehalt, einen Dienstwagen und stattliche Pensionszusagen, so verrät es der städtische Beteiligungsbericht, der an nämlicher Stelle in absehbarer Zeit mit einem neuen Namen aufwarten wird. Denn Vorstandschef Peter Schäfer räumt Ende kommenden Jahres seinen Schreibtisch.
Erlösbringer mit Verfallsdatum
Die Stadtwerke Essen zählen seit vielen Jahren zu den „schönen Töchtern“ im Konzern Stadt, mit deren üppigen Erträgen man sich gern schmückt.
Der steuerliche Vorteil, der sich durch die Verrechnung der Stadtwerke-Gewinne mit den Evag-Verlusten (heute Ruhrbahn) ergibt, diente einst als Grundstein zur Gründung der Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft EVV.
Hauptanteilseigner der Stadtwerke Essen AG ist mit 51 Prozent die rein städtische Essener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH (EVV). Die übrigen Anteile halten die Westenergie AG (29 %) und die Thüga AG (20 %).
Der Wandel der Energieversorgung in Richtung Klimaneutralität zwingt auch die Stadtwerke zum Abschied vom alten Geschäftsmodell. Zielmarke ist das Jahr 2045.
Korrekt muss es wohl heißen: Sein Vertrag läuft aus und wird nicht verlängert, ein Unterschied, der etwas wortklauberisch daherkommt, aus juristischen Gründen aber von Bedeutung ist. Und der ein Schlaglicht wirft auf das Verhältnis der schwarz-grünen Politikerschar zu dem einstigen Eon-Manager, dem fachlich niemand was vormachen kann, mit dem man in acht Stadtwerke-Jahren aber auch nie so recht warm wurde.
Neuanfang mit jemandem, der auch von der Biografie für erneuerbare Energie steht
Offen bleibt, ob das nun an Schäfers Hang zu Klartext und gelegentlichem Sarkasmus liegt, daran, dass er in all den Jahren Münchner blieb, statt Essen zu seiner Heimat zu machen, und „nur rigorose Ertragsoptimierung“ im Kerngeschäft betrieb, wie ein Aufsichtsrat murrt. Manch einer vermisste die mit ausholenden Gesten vermittelte Strategie, wo Essens Stadtwerke denn hinwollen, wenn mit Gas mal kein Geschäft mehr zu machen ist. Schäfer, Jahrgang 1964, stehe „auch von seiner Biografie her für eine gewisse Zeit und ein gewisses Geschäftsmodell“, wo man sich eine konsequente Neuausrichtung auf erneuerbare Energien wünscht.
Andererseits: Als Kritik an ihm will man das Auslaufen des Vertrages ausdrücklich nicht verstanden wissen, auch den Vorstandsvorsitz soll Schäfer bis Ende 2023 behalten, wenn er geht und sein Co-Vorstand Lars Martin Klieve, zuständig für den kaufmännischen Part, bleibt: Der Vertrag mit dem ehemaligen Stadtkämmerer wurde vom Aufsichtsrat nämlich verlängert, was dem Unternehmen unter all den Kanalbau-Informationen keine eigene Meldung wert war, weil man dann ja Schäfers Nicht-Verlängerung hätte mitteilen müssen: Es ist halt kompliziert.
Stadtwerke sehen sich „vor der größten Transformation, die wir je gesehen haben“
So kompliziert wie der Wandel der Stadtwerke selbst, das scheint in der Zentrale an der Rüttenscheider Straße längst ausgemachte Sache: „Wir sind seit 155 Jahren Gasversorger und werden es in 23 Jahren nicht mehr sein“, bringt es Klieve auf den Punkt: Auf dem Weg zur Treibhausgas-Neutralität stehe man „vor der größten Transformation, die wir je gesehen haben“, wobei das Jahr 2045 als Zielmarke zwar als „nicht völlig unverrückbar, aber auch nicht disponibel“ gilt.
Noch nutzen 53 Prozent der Essener Haushalte das 1380 Kilometer lange Gasnetz, es steht mit 130 Millionen Euro in den Büchern. Aber was, diese Frage drängt sich auf, ist all dies noch wert, wenn das Gas-Geschäft schwindet – beschleunigt zumal durch die in diesen Tagen explodierenden Preise und die anhaltende Debatte um Lieferengpässe?
Klären, wo die geschäftlichen Chancen der Zukunft liegen könnten – und wo nicht
Bei den Stadtwerken haben sie den Wandel in einem „Strategie-Prozess“ eingeleitet – und nicht nur geklärt, wo die geschäftlichen Chancen der Zukunft liegen könnten, sondern auch wo vermeintliche Hoffnungen eher in der Sackgasse enden. Windkraft? Kein Thema. Biomasse? Dafür fehlen im großen Stil die Flächen. Wasserstoff? Eher Zukunftsmusik.
Strom ist ein Geschäftsfeld, ja, binnen dreieinhalb Jahren will man die Kundschaft auch verdoppeln, aber mit dann 30.000 Zählpunkten „sind wir auch dann noch keine Macht“. Wärme bleibt dagegen ein Markt, ebenso wie die Rolle als bevorzugter Anbieter im Stadt-Konzern und als Anbieter einer (Netz-)Infrastruktur bis hin zum sogenannten „LoRaWAN“-Netz. Bei diesem „Long Range Wide Area Network” handelt es sich um ein energieeffizientes und reichweitenstarkes Funknetz, über das Geräte und Sensoren miteinander vernetzt werden können.
„Wir sind nun mal kein Start-up-Unternehmen“, sagt Vorstandschef Peter Schäfer
Bei alledem scheint klar, dass sich auch die Unternehmenskultur der Stadtwerke wird ändern müssen. „Wir sind nun mal kein Start-up-Unternehmen“, sagt Vorstandschef Peter Schäfer, der im vergangenen Jahr noch ein Ergebnis von 50 Millionen Euro hat abliefern können, davon übrigens 35 Millionen aus der Entwässerung. Man müsse sich für die Zukunft den Platz an vorderster Stelle neu verdienen, es gehe um Schnelligkeit, die eine mitunter „wenig veränderungsgeneigte“ Belegschaft erst lernen müsse.
Fast scheint es, als wollte der Aufsichtsrat dabei mithelfen. Und ganz oben anfangen.