Essen. In Mannschaftsstärke waren die Entsorgungsbetriebe Essen mehrere Tage auf einer Fachmesse in München vertreten. Ein Aufwand, der Fragen aufwirft.

Reisen bildet, heißt es. Das mag sich auch die Führungsetage der Entsorgungsbetriebe Essen (EBE) gedacht haben, als sie jetzt in Mannschaftsstärke zur IFAT 2022 nach München aufbrach. Dahinter verbirgt sich die „Weltleitmesse für Umwelttechnologien“. Alle zwei Jahre kommen Branchenvertreter in der bayerischen Landeshauptstadt zusammen, um sich über die neuesten Entwicklungen in der Wasser-, Abwasser-, Abfall- und Rohstoffwirtschaft zu informieren – diesmal vom 30. Mai bis zum 3. Juni.

Die Teilnahme sei „zwingend erforderlich“ und betreffe „alle Bereiche des Unternehmens“, teilte die EBE auf Anfrage der Redaktion mit. Ganz nach dem Motto: Dabei sein ist alles.

Leitende Angestellte der EBE aus Einkauf, Reinigung, Müllabfuhr und IT waren vertreten

Tatsächlich trat, wie zu hören ist, eine 16-köpfige Reisegruppe den Lufthansa-Flug gen Süden an: leitende Angestellte und deren Stellvertreter aus Fuhrparkmanagement, Einkauf, Reinigung, Müllabfuhr und IT, angeführt von EBE-Geschäftsführer Stephan Tschentscher.

Ulrich Husemann war nicht dabei. Der von der Stadt gestellte Geschäftsführer weilte im Urlaub.

Dennoch darf man ohne zu übertreiben feststellen: Das mehrheitlich kommunale Dienstleistungsunternehmen, dessen vordringlichste Aufgabe es ist, dafür zu sorgen, dass die Mülltonnen pünktlich geleert werden und die Straßen sauber sind, war auf der Weltleitmesse stark vertreten. Ein beachtlicher personeller Aufwand, der Fragen aufwirft.

Ein gemeinsamer Abend beim Italiener in Schwabing zählte zum Programm

2984 Aussteller aus 59 Ländern präsentierten sich in diesem Jahr in 18 Messehallen. Mehr als 300 Experten teilten laut Veranstalter in Vorträgen ihr Wissen mit. Ein üppiges Programm. Der Messebesuch nahm gleich mehrere Tage in Anspruch, logiert wurde im zentral gelegenen Leonardo City Hotel (Frühbucher zahlen für Einzelzimmer mit Frühstück 138,60 Euro, wohlgemerkt außerhalb von Messezeiten). Zum Begleitprogramm zählte ein gemeinsamer Abend in der Osteria Blu Notte (Spezialität: Trüffelspaghetti aus dem Parmesanlaib), gelegen in Schwabing, Hochburg der Münchner Bussi-Schickeria.

Mancher mag sich spontan an die ZDF-Serie „Kir Royal“ erinnern mit dem legendären Mario Adorf in der Rolle des Heinrich Haffenloher, Klebstofffabrikant aus der Provinz, der sich im Kreis seiner Freunde amüsieren will. („Isch scheiß disch sowat von zu mit meinem Geld…“).

Die EBE will viele neue Erkenntnisse auf der Messe gewonnen haben

Ob der EBE-Abend im Blu Notte ebenso amüsant verlief, ist nicht bekannt. Der Chef des Hauses soll zu später Stunde auch schon mal zum Mikrofon greifen und Lieder aus der Heimat zum Besten geben: „La notte italiana …“.

An den italienischen Abend schloss sich tags drauf ein weiteres Beisammensein an, diesmal auf Einladung von Remondis, dem privaten Mitgesellschafter der EBE – allerdings nur für einige ausgesuchte Teilnehmer des Betriebsausflugs. Die traten den Rückflug erst am letzten Messetag an.

Welche neuen Erkenntnisse hat die Delegation aus München mitgebracht? Eine Vergnügungsreise soll es jedenfalls nicht gewesen sein.

In Essen wunderten sich Arbeitnehmervertreter über die verwaiste Chefetage

Wie die Entsorgungsbetriebe auf Anfrage mitteilten, konnten auf der Messe zahlreiche Angebote aus dem Bereich IT/Digitalisierung in der Abfallwirtschaft miteinander verglichen werden („Stichwort Identsystem bzw. Füllstandsüberwachung). Die von Ausstellern präsentierten Unterflur-Containersysteme und Abfallsammelbehälter seien ebenfalls für die EBE relevant gewesen wie auch moderne Recyclingtechnologien und Neuheiten bei den Erfassungssystemen. Darüber hinaus hätten Vertreter der EBE an verschiedenen Fachausschüssen teilgenommen, die vom Verband der kommunalen Unternehmen organisiert worden seien.

Folgende Bilanz liest sich bereits wie die Ankündigung der nächsten Reise: „Durch den Messebesuch verschafft sich die EBE einen umfassenden Marktüberblick in verschiedensten Bereichen und leitet daraus konkrete strategische Entscheidungen ab.“

Bürger und Gebührenzahler dürfen also gespannt sein.

Im zentralen Betriebshof der EBE an der Pferdebahnstraße wunderten sich derweil Arbeitnehmervertreter darüber, dass die Chefetage über Tage verwaist war. Die Entsorgungsbetriebe seien praktisch führungslos gewesen. Aber man kann es ja auch positiv sehen: Der Laden läuft von ganz alleine.