Essen. Die gut gemeinte private Unterbringung der Flüchtlinge stößt an Grenzen – und die Prüfer vom Amt auf die Ungeduld derer, die eine Bleibe suchen.

Де можна отримати квартиру? – das muss man erstmal lesen können, vom Verstehen ganz zu schweigen. Auch deshalb kommt ein neuer Kurs in der Volkshochschule am Burgplatz wie gerufen, denn immer mehr hier gestrandeten Flüchtlinge aus der umkämpften Ukraine, aber auch vielen einheimischen Essenerinnen und Essenern dämmert, dass die neuen Nachbarn aus dem Krieg gekommen sind, um nun doch einstweilen zu bleiben: „Wo bekomme ich eine Wohnung?“ heißt also die eingangs zitierte Frage. Und 643 Mal gibt es schon eine Antwort.

VHS sorgt für Verständigung auf Ukrainisch

Wer mehr über die Ukraine erfahren möchte, über das Land und seine Kultur und die wichtigsten sprachlichen Grundkenntnisse, der ist in der Volkshochschule (VHS) gut aufgehoben.Dort wird vom 9. Mai bis zum 20. Juni ein entsprechender Kurs angeboten – jeweils montags um 18:20 Uhr zu einer Kursgebühr von 40 Euro. Anmeldungen sind online unter der Kursnummer 221.4Q900M auf der Internetseite www.vhs-essen.de möglich. Die Dozentin, die den Kurs betreut, stammt aus der Ukraine und lebt seit einigen Jahren in Essen. Ein authentischer und kompetenter Einstieg ist damit gewährleistet und erleichtert nicht zuletzt die ehrenamtliche Arbeit.

643 Wohnungen zwischen Karnap und Kettwig, das ist, wenn man so will, Stufe 2 der Flüchtlings-Unterbringung. Denn immer schon war klar: Wenn sich der so oft formulierte Wunsch nach einem schnellen Kriegsende, nach einer baldigen Rückkehr in die ukrainische Heimat nicht erfüllt, dann müssen Alternativen her zu den Massenunterkünften etwa im alten Kloster Schuir oder zur gut gemeinten Privatunterbringung im ungenutzten Zimmer der flügge gewordenen Kinder.

Vier Frauen auf 40 Quadratmetern in Altenessen, das geht nicht ewig gut

„Der Druck wächst“, weiß auch Stadt-Sprecherin Silke Lenz aus dem Essener Lagezentrum Ukraine zu berichten, und registriert „eine wachsende Unzufriedenheit“, was ja auch nicht wunder nimmt: Zwei, vier, wenn’s sein muss auch sechs Wochen nimmt man auf engstem Raum gern Rücksicht aufeinander, aber wenn die kurzfristige Perspektive raus aus der Enge fehlt, keimt Frust auf – und der Wunsch, selbstständig zu werden, zu arbeiten, ein eigenes Zuhause zu haben.

So wie bei jener ukrainischen Landsmännin aus Altenessen, die im Überschwang ihrer Hilfsbereitschaft gleich drei Frauen aus drei Generationen in ihrer 40 Quadratmeter-Bude aufnahm: Oma, Mutter und zwölfjährige Tochter – das ging eine Weile gut, aber jetzt ruft sie „äußerst verzweifelt“ alle zwei Tage bei der Oberhausener Samas GmbH an, um zu fragen, wann es denn nun endlich was wird mit der versprochenen nahegelegenen Wohnung in der Helmholtzstraße.

Vermieter wie Mieter stöhnen über vermeintlich „unnötig langgezogene“ Prüfungen

Carolina Wimmer, Geschäftsführerin des mittelständischen Vermieters, der rund 50 Wohnungen unter seinen Fittichen hat, teilt die Ungeduld – und beschwerte sich bitterlich bei der Stadt über „unnötig langgezogene“ Prüfzeiten des Essener Sozialamtes. Obwohl die Vermieter ihrerseits auf einige Anforderungen verzichtet hatten, obwohl die Wohnung in vollem Umfang den (Preis-)Vorgaben entspreche, werde dort wochenlang vertröstet. Andere Vermieter schildern der Redaktion ähnliche Verzögerungen, und Wimmer fügt hinzu, dass in Oberhausen und Mülheim alles deutlich schneller über die Bühne gehe: „Es kann nicht sein, dass geflüchtete Menschen mehrere Wochen auf eine Zusage für eine Wohnung warten müssen.“

Kann es doch: Die Stadt räumt ein, dass derzeit rund drei bis vier Wochen vergehen, bis eine zwischen Vermieter und Mieter getroffene Absprache den amtlichen Segen für die Kostenübernahme erhält, sie sieht dafür aber gute Gründe. Stadt-Sprecherin Lenz verweist etwa auf weitreichende Prüfungen: Ist die Wohnung renovierungsbedürftig? Bewegt sich die Miete in den vorgegebenen Grenzen? Ist sie langfristig bewohnbar, sind die Betriebskosten verhältnismäßig, muss eine Kaution gestellt werden?

„Wir versuchen in jedem Einzelfall den Menschen gerecht zu werden“, sagt die Stadt

Oft sind Ortstermine fällig, der Andrang in Essen dabei womöglich größer als in Nachbarstädten. Das zu hinterfragen, um sich zu rechtfertigen, gilt als müßig, es fehle ja nicht an gutem Willen: „Wir versuchen in jedem Einzelfall den Menschen gerecht zu werden.“ Aber natürlich gelte auch der Auftrag, mit dem Geld der Bürgerschaft verantwortungsbewusst umzugehen. In 177 Fällen gab es bereits das Okay für Mietvertrag und Einzug, für 466 weitere Wohnungen, wo Mieter und Vermieter sich bereits gefunden haben, steht die Genehmigung jetzt an. Macht zusammen 643.

Dabei setzt die Stadt Prioritäten, bearbeitet jene Fälle vorrangig, in denen private Enge den Auszug nahelegt. Hinzu kommen zunächst jene, bei denen ukrainische Geflüchtete vom Land nach Essen zugewiesen wurden, womit auch eine Wohnsitzauflage für diese Stadt verbunden ist. Das bringt Sicherheit in der Anmietung. Bislang sind in der Stadt 5345 Geflüchtete aus der Ukraine erfasst, darunter 1954 unter 18 Jahren.

Die am Ende kriselnde Wohngemeinschaft Altenessen bekam nach vier Wochen Warten übrigens am Mittwoch Bescheid: Die Anmietung geht klar, na bitte, Все буде гаразд. Alles wird gut.