Essen-Rüttenscheid. Hannes Schmitz hat die Gastroszene in Rüttenscheid über Jahre geprägt. Eine Reise in die Vergangenheit mit Fotos aus den 60er und 70er Jahren.

Im Seniorenzentrum St. Martin an der Rüttenscheider Straße trifft sich die ehemalige Szene des Stadtteils wieder. Hannes Schmitz, heute 84 Jahre alt, lange Jahre Gastronom und Musikveranstalter in Rüttenscheid, sucht händeringend nach dem Namen einer Kneipe. „Wie hieß die nochmal?“, fragt er die Dame am Nebentisch. Ihr mag der Name auch nicht einfallen, und doch weiß sie genau, von welcher Kneipe ihr Tischnachbar spricht. „Da war ich als Mädchen“, sagt die alte Dame und zeigt auf ihren Sohn am anderen Ende des Kantinentisches, „bevor der hier geboren war.“

Hannes Schmitz, vielen noch bekannt als „Pumpenhannes“, ist ein echtes Rüttenscheider Urgestein. Wie wenige andere prägte er die Kneipenkultur des Viertels. Wenn er erzählt, dann nimmt er einen mit auf eine Reise in die Zeit, als Rüttenscheid zu dem wurde, was es heute ist. Manchmal schweift er ab, verliert sich in der Erinnerung. Vieles aber hat er noch ganz klar vor Augen. Und noch immer brennt er für seine Heimatstadt. „Ich nenne mich einen ‘gläubigen Essener’“, scherzt er. „Essen ist so schön, dass man eigentlich eine Kurkarte verkaufen müsste.“

Rüttenscheid nach dem Krieg: „Alle wollten damals hierhin“

Schmitz’ Familie, seinerzeit Inhaber mehrerer Gaststätten und eines Hotels in Altenessen, zog nach dem Zweiten Weltkrieg vom Essener Norden nach Rüttenscheid. „Alle wollten damals hierhin“, erzählt er. „In Rüttenscheid war das Geld. Geschäftsleute, Familien, Junge und Alte wollten hier leben.“ So habe zum Beispiel das Helmholtz-Gymnasium schon früh gut betuchte Elternpaare angesprochen. Und dann war da natürlich der Grugapark, eine grüne Oase mitten in der Stadt, deren Fläche zur Bundesgartenschau 1965 fast verdoppelt wurde. „Das hat richtig gezogen“, so Schmitz.

Die Rüttenscheider Straße an der Kreuzung zur Martinstraße im Jahr 1965: Auf einem Plakat ist der damalige CDU-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Ludwig Erhard, zu sehen. In den 1960er Jahren wurde Rüttenscheid immer mehr zum beliebten Ausgehviertel.
Die Rüttenscheider Straße an der Kreuzung zur Martinstraße im Jahr 1965: Auf einem Plakat ist der damalige CDU-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Ludwig Erhard, zu sehen. In den 1960er Jahren wurde Rüttenscheid immer mehr zum beliebten Ausgehviertel. © Archiv IGR

Überhaupt entwickelte sich Rüttenscheid in den 1960er Jahren immer mehr zum beliebten Ausgehviertel. Da seien zum Beispiel die Kinos Rütli und Universum gewesen, die den Stadtteil attraktiv machten, sagt Schmitz. Und stets ein „besonderer Stamm von Kneipen“. Junge Unternehmer hätten das Nachtleben unsicher gemacht, genau wie die Spieler des Fußballvereins Schwarz-Weiß Essen. Arbeiter, Gutverdiener und so manche lokale Berühmtheit trafen sich in Traditionskneipen wie der „Ampütte“ oder der „Eule“. Auch Restaurants prägten das Stadtteilgeschehen. Schmitz meint sogar zu erinnern, dass in Rüttenscheid die erste Eisdiele und die erste Pizzeria der Stadt eröffnet hätten.

1983 nach Essen-Rüttenscheid gezogen

Der 84-Jährige wuchs gewissermaßen hinter dem Tresen auf. „Ich wurde schon als Kind mit eingebunden. Am Wochenende musste ich den Schnaps holen – und die Konkurrenz beobachten“, erzählt er mit einem Lachen. „Ich ging durch die Kneipen und notierte, wer wie viel Schnaps und wie viel Wein ausschenkte. Es gab eine richtige Checkliste dafür. Aber nur bis zur Rüttenscheider Brücke.“ Da sei nämlich die Grenze des Ausspähgebietes verlaufen, von dort aus kehrte er mit den Ergebnissen seiner Marktsondierung zurück in den Familienbetrieb. Südlich der Brücke war nicht mehr viel los.

Der U-Bahn-Bau in Rüttenscheid, verbunden mit der Umgestaltung der „Rü“, brachte Ender der 1980er Jahre eine deutliche Aufwertung der Straße mit sich. Hier ein Bild von davor.
Der U-Bahn-Bau in Rüttenscheid, verbunden mit der Umgestaltung der „Rü“, brachte Ender der 1980er Jahre eine deutliche Aufwertung der Straße mit sich. Hier ein Bild von davor. © Archiv IGR

Seine erste eigene Kneipe eröffnete Schmitz allerdings gar nicht in Rüttenscheid, sondern 1967 am Wasserturm in Huttrop. Sein Patenonkel hatte ihm die Räumlichkeiten dort eingerichtet. Die „Pumpe“ brachte ihm seinen Spitznamen „Pumpenhannes“ ein. Damals seien illustre Gäste bei ihm ein- und ausgegangen, erinnert sich Schmitz. Darunter zum Beispiel Franz Beckenbauer, Hansi Müller und Rudi Assauer. Seine „beste Zeit“, so der Gastronom heute selbst, begann in den 80er Jahren. 1983 zog er nach Rüttenscheid.

Konzertreihe soll im Rüttenscheider Hudson’s wieder aufleben

IGR-Gründungsmitglied

Hannes Schmitz war 1989 Gründungsmitglied der Interessengemeinschaft Rüttenscheid (IGR). Einige Zeit lang hatte er auch ihren Vorsitz inne.

Zu den ersten Aktionen der IGR gehörte das Rü-Fest. Es fand erstmalig zu Beginn der 90er Jahre statt, als die U-Bahn in Rüttenscheid eröffnet wurde.

Schmitz spielte damals seine Qualitäten als Event-Gastronom aus. Überregionale Aufmerksamkeit erlangte er dabei durch eines der ersten Bungee-Jumping-Angeboten, das er in Kooperation mit Jochen Schweizer am am Rüttenscheider Stern organisiert hatte. Man konnte dort von einem Kran herunterspringen.

Zwischenzeitlich besaß Schmitz ganze 13 Lokale. Viele erinnern sich noch an die Restaurants „Portrait“ und „Lobster“ im Wehmenkamp, die „Rote Liebe“, das „Tanzhaus des Westens“, das „Schmitz wohin sonst“ und die „Egobar“. Seine große Liebe war über all die Jahre die Musik, vor allem der Jazz. So veranstaltete er sowohl in seinen eigenen Läden als auch anderorts regelmäßig Livemusik-Events. „Rüttenscheid war früher ein Anziehungspunkt für die internationale Musikszene“, erzählt der Gastronom. Im Hotel Arosa an der Martinstraße hätten sich zum Beispiel ein Restaurant und eine Jazzkneipe im Keller befunden. Seine eigenen, stadtweit bekannten Montagskonzerte veranstaltete er über Jahrzehnte – bis vor zwei Jahren.

Wo sich heute der Büroausstattungsanbieter Kersten auf der Rüttenscheider Straße befindet, war schon in den 1970er Jahren viel los.
Wo sich heute der Büroausstattungsanbieter Kersten auf der Rüttenscheider Straße befindet, war schon in den 1970er Jahren viel los. © Archiv IGR

Kürzer treten mochte Schmitz lange nicht. Noch 2019 organisierte er den Boogie-Woogie-Congress in der Philharmonie, es war seine 26. Veranstaltung. Erst mit über 80 und nach Aufkommen der Corona-Pandemie setzte sich der „Pumpenhannes“ langsam zur Ruhe – aber nur fast. Noch heute nämlich unterstützt er den Sozialen Dienst des Seniorenzentrum St. Martin gern mit seinen Kontakten in die Musikbranche.

Die Hannes-Schmitz-Konzerte sollen indes nun wieder aufleben: Fabian und Christoph Rosmaity, zwei junge Musiker, die Schmitz gefördert hat, veranstalten die Reihe mit ihm zusammen. Immer dienstags gibt es ein Konzert im Hudsons’s (Girardetstraße 2). Los geht es am 10. Mai ab 19.30 Uhr mit einer Mischung aus Rock’n’Roll, Blues und Boogie-Woogie. Zunächst sind acht Konzerte geplant. Der Eintritt ist frei, für die Musiker wird der Hut herumgereicht.