Essen. Die vergammelte alte Polizeischule hat einen Käufer gefunden. Doch vorerst wird der Komplex gebraucht: als Zuhause für bis zu 1200 Flüchtlinge.
Vom Vorzeige-Bau mit Bauhaus-Charme zur behördlich behüteten Bruchbude dauerte es keine 100 Jahre, aber jetzt winkt der alten Polizeischule in Bredeney wohl wieder eine Zukunft: Dem Vernehmen nach hat der Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes (BLB) für das neun Hektar große Gelände vor kurzem offenbar einen Käufer gefunden. Bevor der zum Zug kommt, muss der Komplex an der Norbertstraße allerdings noch ein letztes Mal für ein Provisorium herhalten: als Groß-Asyl für ukrainische Flüchtlinge.
Große Chancen, hohe Hürden
Eine architektonische Meisterleistung mit Bauhaus-Anklängen, die in großer Harmonie mit der Natur entstand – mit diesem Lob fand die 1929 geplante und 1932 bis 1934 nach dem Entwurf von Regierungsbaumeister Bruno Kleinpoppen gebaute Landespolizeischule Eingang in die Denkmalliste der Stadt.
Die erste Unterschutz-Stellung aus dem Jahre 1986 wurde ein geschlagenes Vierteljahrhundert später noch einmal um die Freiflächen erweitert. Für den Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) des Landes NRW erwies sich dies eher als hohe Hürde, die Sanierungs- und Renovierungskosten des über Jahre vergammelten Gebäudekomplexes wurden am Ende auf bis zu 200 Millionen Euro geschätzt.
Ein Bieterverfahren des BLB brachte jetzt Bewegung in die Sache: Für einen Mindestkaufpreis von 25,5 Millionen Euro konnten sich bis Ende Februar Interessenten melden. Ein Käufer scheint gefunden. Der bleibt aber einstweilen ebenso unbekannt wie seine Nutzungspläne.
Schon ab Juli, so der Plan, könnten in zwei Gebäudetrakten der arg heruntergekommenen Immobilie rund 350 Geflüchtete aus der umkämpften Ukraine unterkommen. Allein diese Nachricht dürfte manchen überraschen, denn als hier noch Polizisten, etwa der Einsatzhundertschaft, einquartiert waren, galt ein dienstlich verordnetes Duschverbot – mit Blick auf die Legionellen-Gefahr in den Wasserleitungen. Behelfen will man sich mit Dusch-Containern und einigen flankierenden Bauarbeiten, etwa für einen zweiten Rettungsweg.
Viele Flüchtlinge sind Frauen und Kinder, das Konfliktpotenzial scheint überschaubar
Gut möglich, dass es dann bei den 350 Flüchtlingen nicht bleibt: In weiteren Bauabschnitten, so heißt es vage, könnte die Zahl der hier untergebrachten Personen womöglich auf bis zu 1200 steigen – das wäre die mit Abstand größte Notunterkunft der Stadt, auch verglichen mit dem Zustrom während der ersten großen Flüchtlingswelle 2015/16. Und nur zum Vergleich: Essens gemessen an der Einwohnerzahl kleinster Stadtteil Schuir zählt 1582 Personen.
Damals galten Asylheime und -zeltstädte in einer Größenordnung von 400 Personen als das höchste der Gefühle. Dass trotz einer dreimal so hohen Zahl den Verantwortlichen offenbar nicht sonderlich mulmig wird, liegt wohl an der Zusammensetzung der aktuellen Flüchtlingsschar: Alle kommen aus einem Land, der Ukraine, und beim Gros der geflüchteten Menschen handelt es sich schließlich um Frauen, ältere Menschen und Kinder. Mehr als ein Drittel jener 5134 Flüchtlinge, die seit Kriegsbeginn in Essen ankamen, sind unter 18 Jahren alt.
Vom Asyl in der alten Polizeischule würden die Flüchtlinge auf ganz NRW verteilt
Schon vor diesem Hintergrund gilt das Konflikt-Potenzial einer so großen Zahl Geflüchteter als eher überschaubar. Daneben markierte die 1200er-Marke nur das Maximum, und lange Aufenthalte sind hier ohnehin nicht geplant: Beim geplanten Asyl in der alten Polizeischule handelt es sich nämlich nicht um eine städtische, sondern um eine Landeseinrichtung.
Von hier aus werden die geflüchteten Menschen dann nicht nur ins hiesige Stadtgebiet, sondern auch auf die anderen Städte und Gemeinden Nordrhein-Westfalens verteilt – verbunden übrigens mit der Auflage, sich dort einen Wohnsitz zu nehmen. Auch ein Asylverfahren ist mit der Unterbringung nicht gekoppelt.
Gesichert ist die Nutzung des Komplexes für Flüchtlinge erst mal nur für zwölf Monate
Und noch zwei Gründe stellen einen umfänglichen Ausbau der alten Polizeischule durchaus in Frage: Zum einen konnte das Land sich das Gelände zunächst offenbar nur für einen Zeitraum von zwölf Monaten sichern, zum anderen steht der weitreichende – und von vielen Fachleuten als übertrieben kritisierte – Denkmalschutz grundsätzlichen Umplanungen für das Gelände ohnehin im Wege.
Andererseits dürfte auch der neue Eigentümer keine übertriebene Eile an den Tag legen. Große Pläne erfordern lange Vorbereitungen. Und es gilt die alte Erkenntnis: Nichts hält länger als ein Provisorium.