Essen. Fünfeinhalb Wochen vor der Landtagswahl gehen die Vorbereitungen auf die Zielgerade: Ab Ende der Woche gehen die Benachrichtigungen in die Post.
Dieser Begriff vom „Kopf-an-Kopf-Rennen“, er wurde wohl für Wahlen wie diese erfunden – so knapp geht es zu zwischen CDU und SPD, wenn die Wählerschar in diesen Tagen nach ihren Vorlieben bei der bevorstehenden Landtagswahl gefragt wird. Was den Urnengang am 15. Mai für Essen so besonders macht: Einer dieser beiden Köpfe stammt aus Essen. Nach 17 Jahren im Landtag, knapp sieben Jahren als Justizminister und vier Jahren als Oppositionsführer peilt Thomas Kutschaty aus Schönebeck das Amt des Ministerpräsidenten an.
Ob dem 53-jährigen Familienvater dies gelingt, und wer von den 44 Essener Kandidatinnen und Kandidaten sonst noch ins Parlament einzieht, darüber können in fünfeinhalb Wochen rund 13 Millionen Wahlberechtigte NRW-weit entscheiden. Unter ihnen genau 405.540 aus Essen, diese Zahl hat das städtische Wahlamt zum Stichtag am Freitag der vergangenen Woche ermittelt. Dass es damit zwischen Karnap und Kettwig fast 41.000 Stimmberechtigte weniger gibt als bei der Kommunalwahl im Herbst 2020, hängt mit dem unterschiedlichen Mindestwahlalter zusammen: Das liegt nicht bei 16, sondern bei 18 Jahren.
Das Ergebnis von 2017
Bei der Landtagswahl vor fünf Jahren gaben in Essen 63,8 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimmen ab. Stadtweit kam die SPD damals auf 33,4 Prozent der Zweitstimmen, die CDU auf 27,7 und die FDP auf 11,9 Prozent.Viertstärkste Kraft wurde in Essen die AfD mit 9,8 Prozent, gefolgt von den Grünen mit 6,2 und den Linken mit 5,6 Prozent. Sonstige schlugen mit 5,4 Prozent zu Buche.
Eine „Flurbereinigung“ beschert der Stadt wieder vier rein Essener Wahlkreise
Gewählt wird der Landtag für fünf Jahre, wobei 128 der mindestens 181 Abgeordneten direkt in den Wahlkreisen bestimmt werden. Vier Wahlkreise liegen dabei auf Essener Stadtgebiet (siehe Grafik am Artikelende), und zwar erstmals seit langem auch n u r auf Essener Stadtgebiet – ohne den Mülheimer Appendix. Dies ist das Ergebnis einer „Flurbereinigung“, die sich nicht zuletzt an der Zahl der Wahlberechtigten ausrichtete, um den Stimmen im Lande wenigstens annähernd das gleiche Gewicht beizumessen.
In Essen dürfte dies der Landtagswahl allerdings einiges an Spannung nehmen, denn traditionell „schwarze Stadtteile“ – Schuir und Bredeney, Burgaltendorf und Byfang – werden dem CDU-beherrschten Südwahlkreis zugeschlagen, was vor allem die SPD-Position in den anderen Wahlkreisen entsprechend stärkt.
Alte Ergebnisse müssen auf den neuen Wahlkreis-Zuschnitt noch umgerechnet werden
Eine Umrechnung der Landtagswahlergebnisse von 2017 auf die neu zugeschnittenen Wahlkreise liegt vom Wahlamt noch nicht vor, sie soll aber kurz vor dem Wahltag nachgeliefert werden, um die aktuellen Ergebnisse mit denen vor fünf Jahren vergleichbar zu machen.
Und wenn auch die Wählerinnen und Wähler, diese unbekannten Wesen, mitunter rätselhafte Polit-Konstellationen in die Welt setzen – einige Konstanten bringt schon das Wahlrecht mit sich. Als sicher darf angesichts der Umfragewerte gelten, dass neben den vier direkt gewählten Abgeordneten aus den Wahlkreisen weitere Politiker über die Reservelisten ihrer Parteien in den Landtag einziehen. Dazu zählen von den Grünen Mehrdad Mostofizadeh (Listenplatz 8) und bei einem guten grünen Ergebnis auch Gönül Eğlence (Platz 19) sowie von der FDP ihr Parteichef und Landtagsabgeordneter Ralf Witzel (Platz 6). Schafft die Linke den Einzug in den Landtag, wäre auch sie mit Jules El-Khatib (Platz 2) und Cornelia Swillus-Knöchel (Platz 9) vertreten. Bei der AfD hingegen rangiert kein Essener Bewerber auf einem vorderen Listenplatz.
Die SPD setzt auf Direktmandate im Norden, Westen und Osten, die CDU will den Süden
Bei der CDU hofft Fabian Schrumpf (Platz 21) darauf, erneut das Direktmandat im Süden zu holen, für Jessica Fuchs (62) und Eva Großimlinghaus (Platz 71) hängt ein Einzug ins Landesparlament von der Großwetterlage ab: Je mehr CDUler ihr Direktmandat holen, desto weniger zieht die Liste. Ähnliches gilt für die SPD: Thomas Kutschaty (Listenplatz 1), Parteichef Frank Müller (Platz 124) und Julia Kahle-Hausmann (Platz 94), die im Wahlkreis der aus dem Landtag ausscheidenden Britta Altenkamp antritt, zielen auf das Direktmandat.
Im Süden müsste die sozialdemokratische Kandidatin Judith Schlupkothen dagegen auf ein famoses Ergebnis für die Genossen hoffen, um mit ihrem Listenplatz 78 noch Berücksichtigung zu finden.
Wahlbenachrichtigungen gehen in den nächsten Tagen an die gut 405.000 Wahlberechtigten
Wer es nicht erwarten kann, seine beiden Stimmen loszuwerden – das doppelte Kreuzchen gibt es übrigens erst seit der Landtagswahl 2010 – muss sich noch etwas gedulden: Eben erst sind die gut 405.000 Wahlbenachrichtigungskarten in Druck gegangen. Sie sollen, sagt Guido Mackowiak vom städtischen Wahlamt, im Laufe dieser Woche vorliegen und gehen dann in den Versand mit der Deutschen Post.
Auch die Produktion der Stimmzettel hat begonnen, die Direktwahl im Erdgeschoss des Rathauses am Porscheplatz ist dann voraussichtlich ab dem 19. April, dem Dienstag nach Ostern, möglich. Auch bei der Landtagswahl rechnet die Stadt mit einem anhaltenden Trend zur Briefwahl. Dass aber die Quote der Bundestagswahl 2021 erreicht wird, wo nicht weniger als 44,6 Prozent ihre Stimme schon im Voraus abgaben, gilt als eher unwahrscheinlich: Damals diente die aufkommende Corona-Herbstwelle vielen als Anlass, lieber Abstand zu halten.
Näher ran an die Wahl, vielleicht hilft das der Stadt ja auch bei ihrer Suche nach Wahlhelferinnen und Wahlhelfer: Rund 3100 werden insgesamt gebraucht, und hier mitzuhelfen, gilt auf jeden Fall als gute Wahl.