Essen-Bochold. Rund 50 Streetart-Künstler aus ganz Deutschland kommen am Wochenende nach Essen. Sie gestalten eine 260 Meter lange Wand. Die Pläne im Einzelnen.
Über 260 Meter erstreckt sich die graue Betonwand an der Bottroper Straße in Essen-Bochold. Rund 50 Graffiti-Künstler aus ganz Deutschland werden sie am Wochenende, 9. und 10. April, in ein Kunstwerk verwandeln. Ziel ist es unter anderem, dass die Bocholder sich so mehr mit ihrem Stadtteil identifizieren können.
So große Fläche im Urzustand ist Glücksfall für Graffiti-Künstler
Die Bürgerinitiative Bigwam (Bürgerinitiative gegen den wilden Automarkt), das Quartiersmanagement und die Organisatoren des regelmäßig stattfindenden Graffiti-Events Hafendampf haben eine zweitägige Aktion geplant. Die rund sechs Meter hohe Wand zwischen den Hausnummern 202 und 244 ist bereits fertig grundiert und in 24 Flächen unterteilt.
„Welche Bilder genau entstehen, bleibt ganz den Künstlern überlassen“, erklärt Hafendampf-Initiator Ingo Ahlbornund ergänzt: „Wir freuen uns, dass die Nachfrage vonseiten der Künstler und Künstlerinnen riesig war.“ Einige würden mit einer fertigen Vorlage anreisen, andere ließen sich von der Umgebung inspirieren und legten dann los. Seiner Meinung nach ist Essen für eine Metropole noch zu verstaubt. „Wir versuchen, dagegen anzugehen und die Stadt bunter und freundlicher zu gestalten.“ Eine so große Fläche im Urzustand vorzufinden sei ein absoluter Glücksfall.
Graffiti-Künstler haben auch Brücke unter A 42 im Essener Norden gestaltet
Ahlborn lockt seit nunmehr zehn Jahren Graffiti-Künstler aus aller Welt nach Essen. In den vergangenen Jahren wurde so schon mehrmals die Stadthafen-Brücke unter der A 42 im Essener Norden von international tätigen Künstlern gestaltet. Ahlborn: „Die Arbeiten sieht kaum jemand.“ Das sei an der langen Wand in Bochold anders. Dort können sich die Künstler – einige aus Essen, andere aus Berlin und Hamburg – am Wochenende mit der Spraydose oder dem Pinsel austoben und ganz legal im öffentlichen Raum ihre Kunst ausleben. Während die Kunstwerke im Stadthafen nach einem Jahr in der Regel überstrichen werden, sollen sie in Bochold bleiben – mindestens sieben Jahre. Dann platze nach Angaben von Ingo Ahlborn wahrscheinlich die Farbe ab.
Er weiß, dass sich die Augen der Szene am Wochenende auf Essen richten werden. In ganz Deutschland gebe es an diesen Tagen kein vergleichbares Event, dementsprechend erwartet er auch sogenannte „Spotter“, die extra anreisen, um die Kunstwerke zu fotografieren und in den sozialen Netzwerken zu veröffentlichen.
Die Organisatoren rechnen mit rund 200 Besuchern täglich – das sei auch abhängig vom Wetter.
Bigwam-Vorsitzender Klaus Barkhofen erklärt: „Wir nehmen explizit die Nachbarschaft, die Autohändler und den örtlichen Hundeverein mit in die Verantwortung.“ Sie sorgen für Bratwurst, Getränke, Tee und das Fitnessstudio baut einen Infostand auf. Barkhofen: „Es ist uns wichtig, den interkulturellen Austausch zu pflegen und die Verständigung innerhalb der sehr vielfältigen Nachbarschaft zu fördern.“
Die Bürgerinitiative setzt sich seit Jahren dafür ein, den Stadtteil nach vorne zu bringen und das Umfeld der Bottroper Straße aufzuwerten. Das Bigwam-Team hat sich um die Organisation des nichtkünstlerischen Teils sowie die Finanzierung der Aktion gekümmert. Ursprünglich sollte die Wand schon im Kultur-Hauptstadtjahr gestaltet werden, das habe aber nicht geklappt. Oberbürgermeister Thomas Kufen habe dann den Kontakt zu Hafendampf empfohlen und jetzt könne die Wand verschönert werden.
Ein Fest für Graffiti-Fans, Anwohner und Nachbarn
Rund 20 Jugendliche dürfen sich zudem in einem Workshop selbst an der Spraydose ausprobieren. „Ziel ist es, den individuellen und kreativen Ausdruck der Kinder und Jugendlichen anzuregen, zu fördern und ihnen die Möglichkeit zu geben im öffentlichen Raum zu wirken und ihr unmittelbares Lebensumfeld mitzugestalten“, erklärt Dorothee Linneweber vom Quartiersmanagement Bochold. Die Workshop-Plätze wurden gezielt an Jugendliche aus Bochold vergeben.
Künstler arbeiten ehrenamtlich
Das Projekt kostet einen fünfstelligen Betrag, die Künstler und Künstlerinnen arbeiten ehrenamtlich, bekommen aber Catering und Übernachtung gestellt.Das Projekt wird aus dem Verfügungstopf der Städtebauförderung für das Stadtteilprojekt West realisiert. Die Workshops für die Jugendlichen werden aus den Förderprogrammen „Kulturrucksack“ und „Aufholen nach Corona“ finanziert.
Viele Bocholder würden sich eher nach Borbeck oder Altenessen orientieren, glaubt Linneweber. Dieses Projekt soll nicht nur ein Fest für Graffiti-Fans, Nachbarn und Anwohner werden, sondern auch eine Sehenswürdigkeit erschaffen. Linneweber: „Die lange Wand soll ein öffentlicher Ort werden, der Attraktivität ausstrahlt.“ Sie sieht dort großes Potenzial, einen interessanten neuen Ort zu schaffen, der auch später viele Menschen anzieht. „Die Gestaltung der Wand kann der Auftakt zu einer anderen Wahrnehmung des Stadtteils sein“, erklärt auch ihre Kollegin Eva Stuke-Voswinckel.
Alle Interessierten, insbesondere die Anwohner und Anwohnerinnen aus Bochold und den angrenzenden Stadtteilen, sind demnach eingeladen, den Künstlern und Künstlerinnen sowie Jugendlichen am Wochenende von 12 bis 20 Uhr über die Schultern zu schauen.