Essen. Ein Vierjähriger soll von seiner Mutter brutal misshandelt worden sein. Jetzt steht die Frau in Essen vor Gericht und spricht von Überforderung.

Der kleine Junge war gerade erst vier Jahre alt, als er von seiner Mutter brutal misshandelt worden sein soll. Die Ärzte hatten später Knochenbrüche, Schnittverletzungen und Hämatome am ganzen Körper festgestellt. Außerdem gab es Verbrühungen. Seit Donnerstag (31.3.) steht die 36-Jährige in Essen vor Gericht – und spricht von Überforderung.

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Es müssen unfassbare Szenen gewesen sein, die sich zwischen September 2019 und Juni 2020 in der Wohnung der sechsköpfigen Familie abgespielt haben sollen. In der Anklage ist von „von erheblichen Schmerzen“ die Rede, die dem zweitjüngsten Kind zugefügt wurden. Wörtlich heißt es: „Die Angeschuldigte hat das Gefühl für das Leiden ihres Kindes verloren, das sich bei jedem menschlich und verständlich Denkenden eingestellt hätte.“

Schnittverletzungen im Mund des damals Vierjährigen

Die 36-Jährige soll dem Vierjährigen sogar eine Schere in den Mund gesteckt und ihn dann geschlagen haben. Im Bereich des Gaumens gab es zahlreiche Schnittverletzungen. Genau wie im Gesicht, am Hals, an Händen, Armen, Füßen und Po. „Ich habe die Kontrolle verloren“, hieß es zum Prozessauftakt in einer Erklärung der Angeklagten, die zum Prozessauftakt vor der 5. Strafkammer verlesen wurde.

„Ich erkenne mich selbst nicht wieder.“ Einmal sei sie sogar von ihrer Tochter angesprochen worden: „Mama, was hast du gemacht?“ Erst danach sei ihr klar geworden, was passiert ist. „Ich empfinde Scham und bereue zutiefst.“

Neugeborener musste zunächst zurückbleiben

Die traurige Geschichte beginnt 2015 in Afghanistan. Kurz nach der Geburt des vierten Kindes entscheidet sich die Familie zur Flucht. Das Neugeborene bleibt bei der Oma. „Der Junge war noch zu klein, außerdem hatten wir keinen Pass für ihn.“ In Essen ist man zwar in Sicherheit, doch der Trennungsschmerz trifft die Angeklagte mit voller Wucht. „Es kam mir so vor, als wurde mir mein Kind entrissen.“

Es dauert vier Jahre, bis sie ihren Sohn nachholen kann. Doch auch dann will sich das Glück nicht einstellen. „Ich hatte das Gefühl, dass er mich als Mutter nicht akzeptiert und sein Leben in Afghanistan vermisst“, heißt es in der Erklärung am Donnerstag. „Ich fühlte mich maßlos überfordert.“

Ehemann mitangeklagt – Prozess wird fortgesetzt

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe waren die Kinder aus der Familie geholt und in die Obhut des Jugendamtes gegeben worden. Die Angeklagte, die in Afghanistan ein Studium der Hebammenkunde angefangen hatte, hat die Vorwürfe „vom Grundsatz her“ eingeräumt.

Sie nimmt inzwischen psychotherapeutische Hilfe in Anspruch. Ihr Ehemann ist ebenfalls angeklagt. Der 39-Jährige soll die Kinder nicht vor seiner Frau geschützt haben.

Der Prozess wird fortgesetzt.