Essen. Die Essener Kaufmannsfamilie Hundrieser gilt als experimentierfreudig bei der Innenarchitektur ihrer Läden. Jetzt gab es dafür einen Preis.
Es mag noch Supermärkte geben, in denen Kunden im grellen Neonlicht die Ware aus billigen Verpackungskisten herausklauben, aber viele Unternehmen haben verstanden, dass erfolgreiches Verkaufen auch etwas mit dem Inszenieren von Produkten und dem Schaffen einer Wohlfühl-Atmosphäre zu tun hat. Die Essener Kaufmannsfamilie Hundrieser, die drei Edeka-Märkte in Essen und einen in Velbert besitzt, gilt als besonders experimentierfreudig, wenn es um die Innenarchitektur ihrer Läden geht, was nun mit einem internationalen Preis belohnt wurde: Das EHI-Institut, ein international ausgerichtetes, wissenschaftliches Institut des Handels, verlieh Hundrieser den „EuroShop Retail Design Award“ für den Edeka-Markt an der Aktienstraße in Schönebeck.
Gestaltung erinnert an eine aufwendig sanierte Werkshalle
Wer das im Juli 2020 eingeweihte Geschäft betritt, bemerkt in der Regel wohl rasch die Design-Idee, die sich durch die gesamten 2500 Quadratmeter zieht. Dunkle Farben, mattschwarze Leuchten, Lichteffekte bis an die Decke, dazu Backsteinwände und Stahl-Verstrebungen - man könnte meinen, man befinde sich in einer alten, allerdings sehr aufwendig sanierten und klinisch sauberen Werkshalle. Hie und da erinnert das an das Ruhr Museum auf Zollverein, das aus naheliegenden Gründen einer ähnlichen Architektur-Philosophie folgt.
Im Hundrieser-Markt lassen die ebenfalls in dunklen Farben gehaltenen Regale, Truhen und Schränke die dezent angestrahlten, oft bunten Lebensmittel und die anderen Produkte besonders auffallend herausstechen, was ja am Ende Sinn der Sache ist. „Der Kunde soll hier eine Atmosphäre vorfinden, die Lust macht, auf Entdeckungsreise zu gehen“, sagt Alexander Schäfer, Mitglied der Hundrieser-Geschäftsleitung. Längst habe zumal am Wochenende auch das Einkaufen von Lebensmitteln Erlebnischarakter, sei nicht mehr darauf ausgerichtet, schnell und lustlos das Nötige in den Wagen zu werfen. Diesem Kundentrend wolle man Rechnung tragen, so Schäfer.
Design stiehlt den Waren nicht die Schau
Die Gestaltungs-Idee des Schermbecker Architektur-Büros Kinzel habe ihn daher sofort überzeugt. Alles wirke wertig, das Design sei aber letztlich von Zurückhaltung geprägt und stehle den Produkten eben nicht die Schau, sondern lenke den Blick im Gegenteil auf sie. So sah es auch die Preisjury, die das Zusammenspiel von Materialien, architektonischen Details und Kundenansprache als besonders gelungen empfand. „Das wäre völlig anders, wenn wir hier Landhausstil gewählt hätten“, so Schäfer. Hundrieser habe hier zudem ein zeitloses Erscheinungsbild geschaffen wie man es in vielen alten Markthallen noch finde, und auch diese Assoziation ist beabsichtigt. Vielen Menschen gefalle die damit verbundene Einkaufsatmosphäre.
Nun ist das Spiel mit der Industrie-Architektur gerade im Ruhrgebiet bei Neubauten durchaus nichts ungewöhnliches mehr, doch hat es am Standort Aktienstraße eine besondere historische Berechtigung. Denn genau da, wo Edeka 2020 neu eröffnete, befanden sich einst die Übertage-Gebäude des 1961 stillgelegten Schachts Kronprinz, einer Außenanlage der Mülheimer Zeche Rosenblumendelle. Überhaupt besitzt Schönebeck eine Bergbautradition, die bis ins Jahr 1834 zurückreicht, als der Unternehmer Franz Haniel hier erstmals die Mergeldecke durchstieß – Voraussetzung für den Kohleabbau im großen Stil, der folgen sollte.
Für den Preis gab es 87 Bewerber aus 28 Ländern
Seit 2008 prämieren das EHI-Institut des Handels und die Messe Düsseldorf jährlich die weltweit besten Läden-Konzepte. In diesem Jahr unterteilte die Fachjury die 87 Bewerber aus 28 Ländern erstmals in fünf Kategorien: „Food“ (Lebensmittel), „Fashion & Lifestyle“, „Hospitality“ (Nutzerfreundlichkeit), „Digital“ und „Sustainability“ (Nachhaltigkeit).
Die Jury bewertet das Zusammenspiel von Ladenarchitektur, Farben, Materialien, Beleuchtung sowie die Umsetzung mit einer klaren Sortimentsbotschaft und direkter Kundenansprache. Neben Edeka Hundrieser als Gewinner in der Kategorie Food, waren die Apple Marina Bay Sands in Singapur, die FC Bayern World in München, Bridge in Zürich und GREEN B in Florenz Preisträger der anderen Kategorien.
Marktleiter Marvin Hundrieser hält es auch wegen dieses räumlichen Erbes für nahe liegend, architektonisch an die Industrie-Tradition anzuknüpfen, wenngleich er bei einigen Details zunächst Bauchschmerzen hatte, wie er freimütig bekennt. So kam ihm die Idee der kupferfarbenen Beleuchtungen, die großflächig an einigen Wänden auftauchen und die von ferne an die Hochofenglut erinnern, zunächst übertrieben vor. „Aber wir haben dann den Architekten vertraut, und es war gut so“, sagt er. Tatsächlich spendieren diese Elemente neben dem hellgrauen Boden und den auf die Produkte ausgerichteten Leuchten weitere hellere Akzente, ohne aber das gestalterische Grundkonzept zu brechen.
Auch in Haarzopf soll es bald für Hundrieser einen Neuanfang geben
Für den 27-jährigen Marktleiter bleibt selbstverständlich entscheidend, dass die Kunden all das goutieren und nicht nur eine Jury: „Unser Aufwand hat sich gelohnt, wir sind sehr zufrieden an diesem Standort“ sagt er. Das gelte auch für die Arbeitszufriedenheit der 80 Mitarbeiter an der Aktienstraße. Und das Essener Einzelhandelsunternehmen, das insgesamt 370 Mitarbeiter beschäftigt, will auf diesem Weg weitergehen: Im mittlerweile zwölf Jahre alten Hundrieser-Markt in Haarzopf soll demnächst bei der Innenarchitektur ein Neuanfang her.