Essen. Zur Impfaktion in Essen kamen viele, die auf Novavax gewartet hatten: Sie seien keine Corona-Leugner, sondern trauten den mRNA-Impfstoffen nicht.

Mit der Impfaktion auf Zollverein am Sonntag (27.2.) gehörte Essen zu den ersten Städten in NRW, die den Protein-Impfstoff Novavax verwendeten. Bevorzugt sollten Beschäftigte aus Pflege- und Gesundheitswesen die Termine buchen können, da für sie ab Mitte März die einrichtungsbezogene Impfpflicht gilt. Weil die Buchung verhalten verlief, vermeldete die Stadt kurzfristig, dass man auch ohne Termin kommen könne. 2000 bis 2500 Menschen hätte man impfen können. Am Ende waren es lediglich 351 Impfungen, knapp 300 davon mit Novavax.

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Es sind just jene 300, die sich angemeldet hatten, weiß Gesundheitsdezernent Peter Renzel, der jedoch positiv vermerkt: „Das sind alles Erstimpfungen.“ Gekommen sind also Menschen, die sich bisher nicht zu einer Impfung durchringen konnten – trotz der drohenden Impfpflicht. Dass Novavax nach dem klassischen Wirkprinzip der Tot-Impfstoffe funktioniert, ist offenbar das entscheidende Argument für das neue Vakzin. „Mein Eindruck ist, dass viele Novavax mehr vertrauen als einem mRNA-Impfstoff – obwohl es zu dessen Wirksamkeit und Sicherheit eine überzeugende Studienlage gibt.“

Erstmals wurde am Sonntag (27.2.) in Essen der neuen Protein-Impfstoff von Novavax verwendet. Das zog etliche Menschen an, die sich zum temporären Impfzentrum auf dem Zollverein-Gelände begaben.
Erstmals wurde am Sonntag (27.2.) in Essen der neuen Protein-Impfstoff von Novavax verwendet. Das zog etliche Menschen an, die sich zum temporären Impfzentrum auf dem Zollverein-Gelände begaben. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Das Ehepaar Kazuch (beide 53) bestätigt Renzels Einschätzung. „Vor einem mRNA-Impfstoff hatte ich Angst. Ich habe die ganze Zeit auf Novavax gewartet“, erzählt sie. Darüber erkrankten beide an Corona, sie schlimmer als ihr Mann. Inzwischen ist ihr Status als „Genesene“, der ähnlich wie eine Impfung gewertet wird, abgelaufen. Er muss sich auf der Arbeit wieder täglich testen lassen, sie unterliegt als Hauswirtschafterin in einem Altenheim der Impfpflicht und ist erleichtert über das Novavax-Angebot. Sie habe am Arbeitsplatz erlebt, wie auch geboosterte Senioren sich mit der Omikron-Variante ansteckten und hoffe nun auf die Wirksamkeit des neuen Protein-Impfstoffs.

Protein-Impfstoff enthält keine vermehrungsfähigen Viren

Bei Nuvaxovid von Novavax handelt es sich um einen Protein-Impfstoff. Er basiert auf dem klassischen Wirkprinzip der Tot-Impfstoffe und enthält keine vermehrungsfähigen Viren, sondern einen künstlich hergestellten Eiweiß-Bestandteil aus der Hülle des Virus: das Spike-Protein. Um eine gute Schutzwirkung zu erreichen, enthält der Impfstoff zudem ein Adjuvans (Wirkverstärker) auf pflanzlicher Basis.

Das Spike-Protein im Impfstoff wird als Fremdeiweiß erkannt und aktiviert so das Immunsystem der geimpften Person: Der Körper bildet Antikörper und Abwehrzellen gegen das Spike-Protein. So entsteht eine schützende Immunantwort.

Ähnlich geht es Nicole Clostermann, die eigens aus Ratingen ins temporäre Impfzentrum auf Zollverein gekommen ist. Sie unterliegt keiner Impfpflicht, doch ihr Genesenen-Status ist abgelaufen. Nun freut sie sich, dass sie sich mit Novavax immunisieren lassen kann. „Das ist konventionell hergestellt, mit solchen Stoffen sind wir schon häufiger geimpft worden“, sagt die 39-Jährige. Und: „Ich hatte Sorge vor einem mRNA-Impfstoff.“ Während der Gesundheitsdezernent sich auf Studien beruft, hält sie diese Art von Vakzin für zu wenig erprobt. Sie habe im Bekanntenkreis mitbekommen, dass junge Menschen nach einer Impfung schwere Krankheiten hatten.

Mitarbeiterin des Gesundheitsamts blieb lieber ungeimpft

In dieser Ampulle befindet sich der Impfstoff Nuvaxovid von Novavax, auf den auch viele Essener und Essenerinnen gewartet hatten.
In dieser Ampulle befindet sich der Impfstoff Nuvaxovid von Novavax, auf den auch viele Essener und Essenerinnen gewartet hatten. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

„Viele haben die Impfung nicht gut vertragen, lange an schwerer Müdigkeit gelitten. Und man weiß ja nicht, welche Langzeitfolgen es geben kann“, sagt eine 52-Jährige, die im Gesundheitsamt arbeitet. Also genau dort, wo seit mehr als einem Jahr für die Impfungen geworben wird. Man habe sie dort als Ungeimpfte eingestellt, und sie hätte sich weiterhin nicht impfen lassen – wenn nicht die Impfpflicht für das Gesundheitswesen eingeführt worden wäre und nun Novavax zur Verfügung stünde. Sie ärgere, dass Impfskeptiker, nicht ernst genommen und abqualifiziert würden: „Wir sind keine Schwurbler, Rechtsextreme oder Corona-Leugner, sondern wir sind besorgt, haben Ängste.“

Aufklärungsbedarf der Impflinge ist hoch

Diese Sorgen bemerken auch die acht Ärzte, die am Impfsonntag von 11 bis 18 Uhr im Einsatz sind. „Sie müssen viel intensiver beraten, die Menschen sind skeptischer, der Aufklärungsbedarf ist hoch“, sagt Jörg Spors, der die koordinierende COVID-19 Impfeinheiten (Koci) der Stadt leitet. Viel kürzer verlaufen die Vorgespräche mit jenen Impflingen, die zum Boostern mit einem mRNA-Impfstoff kommen – denn auch der stand auf Zollverein bereit.