Essen. In Essen soll ein Runder Tisch entstehen, um drohende Gas- und Stromsperren zu verhindern. Hintergrund sind die galoppierenden Energiepreise.
Als Reaktion auf die hohen Energiepreise wird in Essen ein Runder Tisch eingerichtet. Er soll vor allem helfen, Strom- und Gassperren zu verhindern. Das hat der Stadtrat mit der Mehrheit von CDU und Grünen in dieser Woche beschlossen. Die Linkspartei konnte sich mit ihrem weitergehenden Vorstoß dagegen nicht durchsetzen. Sie hatte unter anderem einen städtischen Härtefallfonds gefordert. Dieser sollte Haushalte kurzfristig unterstützen, die unverschuldet in finanzielle Nöte geraten sind.
Am Runden Tisch sollen sich regelmäßig Vertreter von Energieberatungsstellen, der Verbraucherzentrale dem Jobcenter und „relevanter Energieversorger“ austauschen. Das dürften vor allem die Stadtwerke Essen sowie der Eon-Konzern sein, die in der Stadt die Grundversorgung bei Gas und Strom sicherstellen. Die SPD-Fraktion hatte in ihrem Antrag auch die Wohnungswirtschaft mit an einem solchen Tisch gesehen.
Ukraine-Krieg dürfte Energiepreise weiter nach oben treiben
Mit ihren vorgelegten Konzepten gegen Energiearmut reagieren die Parteien in Essen auf die stark gestiegenen Energiepreise. Bereits im vergangenen Jahr sind die Kosten für Gas, Strom und Kraftstoffe durch die Decke gegangen. Mit einer Entspannung der Lage rechnen Experten vorerst nicht. Im Gegenteil: Der Ukraine-Krieg dürfte die Preise weiter nach oben treiben. Um die Bürger bundesweit von den steigenden Energiepreisen zu entlasten, hatte die Ampel-Koalition in Berlin am Mittwoch ein Maßnahmenpaket verabschiedet.
Daher gehen die Verbraucherzentrale sowie Sozialverbände in Essen davon aus, dass in diesem Jahr deutlich mehr Haushalte Probleme bekommen, ihre Strom- oder Gasrechnung zu bezahlen. Als schlimmste Folge drohen Sperren seitens des Versorgers. Mit dem Runden Tisch will die Politik nun offenbar versuchen, im Gespräch mit den Energielieferanten für mehr Kulanz und Transparenz zu sorgen.
Verbraucherzentrale dringt auf schnelle Einrichtung des Rundes Tisches
Die Verbraucherzentrale Essen begrüßt die Einrichtung des Runden Tischen. „Das ist ein guter Schritt“, sagt deren Leiterin Manuela Duda. Sie mahnt jedoch, diesen nun kurzfristig ins Leben zu rufen. „Die Probleme treten jetzt auf.“ Die Energieberatung der Verbraucherzentrale wird derzeit mit Anfragen betroffener Bürger und Bürgerinnen förmlich überrannt. Allein in dieser Woche wandten sich rund 100 Essener an die Beratungsstelle. „Das wird auch nicht abreißen“, betont Manuela Duda.
Immer häufiger würden dabei Fälle auftauchen, in denen die Betroffenen befürchten, dass sie schon bald ihre Rechnung nicht mehr bezahlen könnten. Manuela Duda schildert den Fall einer Rentnerin, die bislang 61 Euro im Monat Abschlag für Strom zahlte und nun 240 Euro bezahlen soll. „Die Frau sagte, dass sie das noch zwei Monate schafft, dann sei ihr Erspartes weg.“ Hinzu komme, dass der bisherige Versorger auf Kündigungen nicht reagiere. Kein Einzelfall: „Viele Betroffene brauchen nicht nur eine Energie- sondern auch eine Rechtsberatung.“
75.000 Stromsperren im Jahr in NRW
Manuela Duda erhofft sich vom Runden Tisch vor allem zweierlei: Zum einen soll der Austausch der verschiedenen Beteiligten aufzeigen, welche Bevölkerungsgruppen von den galoppierenden Preisen betroffen sind. Zum anderen soll das Netzwerk dazu dienen, den in Not geratenen Menschen schnell und mit den richtigen Ansprechpartnern zu helfen. „Ich stelle mir den Runden Tisch als schneller Draht vor“, so Duda.
Verlässliche Zahlen, wie viele Essener Haushalte zuletzt von Strom- und Gassperren betroffen waren, gibt es nicht. Die Netzbetreiber, die die Sperren umsetzen, machen dazu keine Angaben. In seiner Rede im Stadtrat sprach CDU-Ratsherr Dirk Kalweit von 39 Fällen im vergangenen Jahr, die dem Jobcenter bekannt wurden.
Diese Zahl scheint angesichts anderer Statistiken deutlich zu niedrig gegriffen. Laut Bundesnetzagentur gab es im Jahr 2020 allein in NRW 75.200 Stromsperren. Davon dürfte auch ein großer Teil auf Essen als viertgrößte Stadt in NRW fallen. Zudem war die Zahl 2020 deutlich niedriger als in den Jahren zuvor, weil es im ersten Coronajahr ein dreimonatiges Zahlungsmoratorium für Verbraucher gab. In dieser Zeit hatten viele Versorger die Sperren ausgesetzt.