Essen. Im Einzelhandel gilt seit Samstag (19. 2.) die 2G-Regel nicht mehr. Kunden und Händler in Essen sind froh – ein wenig Unsicherheit bleibt aber.

Kein Kramen in der Tasche mehr, kein Vorzeigen des Impfnachweises und des Personalausweises: Seit Samstag (19. Februar) ist die 2G-Regel im Einzelhandel aufgehoben. Zum Shopping-Start ohne Zugangsbeschränkungen strömten Kundinnen und Kunden in die Essener Innenstadt. Die meisten von ihnen – wie auch Händlerinnen und Händler – sind erleichtert über den Wegfall der Einschränkungen. Etwas Unsicherheit bleibt aber trotzdem.

Elf Uhr in der Essener City. Die Einkaufsstraßen füllen sich. Aus den Geschäften tragen Kunden prall gefüllte Einkaufstaschen heraus. Ulrike Buttler ist mit Sohn Lars aus Frintrop angereist: „In der Straßenbahn war die Hölle los. Auch in den Geschäften ist es deutlich mehr geworden. Da spürt man schon einen Unterschied.“ Die 69-Jährige und der 37-Jährige sind dreifach geimpft: „Und wir nehmen auch die vierte Impfe, wenn sie kommt.“ Lockerungen seien einerseits schon okay, aber doch bleibe ein unbehagliches Gefühl. Ihr wäre viel wohler, wenn sich mehr Leute impfen lassen würden.

Essener Kunden: „Man kann doch nicht nur im Internet kaufen“

Angelika (65) und Artur Koch (68) aus Essen-Steele finden: Die Lockerungen der Corona-Maßnahmen kommen genau zum richtigen Zeitpunkt.
Angelika (65) und Artur Koch (68) aus Essen-Steele finden: Die Lockerungen der Corona-Maßnahmen kommen genau zum richtigen Zeitpunkt. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Fröhlich drein blickt ein Ehepaar aus Steele. Der 68-jährige Artur Koch und Gattin Angelika, 65, sind geboostert und genesen. Das Paar deutet an, dass Corona sie trotz der Impfungen mit einem schweren Verlauf erwischt habe, sie jetzt aber wieder fit wären. Die Lockerungen kämen doch zum genau richtigen Zeitpunkt: „Wir finden das gut. Es ist schon angenehmer, nicht ständig Impfstatus und Ausweis vorzeigen zu müssen.“ Es sei aber auch wichtig für die Geschäftsleute. „Man kann doch nicht nur im Internet kaufen“, gibt Artur Koch zu bedenken. „Ich möchte die Anziehsachen ja auch anprobieren.“

Sabrina Bracke hat in den vergangenen Monaten erlebt, was es bedeutet, wenn die Kundinnen zum Online-Handel abwandern. Sie ist Inhaberin eines Geschäftes für Umstandsmode in Rüttenscheid. Lange hatte sie kaum Kundschaft, weil viele schwangere Frauen sich noch nicht hatten impfen lassen. Nun sieht es besser aus. „Auf einmal waren wieder Kundinnen da“, sagt sie. „Die letzten Samstage waren eine Nullnummer. Diesmal habe ich endlich wieder Umsatz gemacht.“

In der Essener Rathaus-Galerie blieb der große Ansturm noch aus

Auch Julia Kämpchen, Inhaberin der Boutique „Traum in Tüten“, hat beobachtet, dass es am Samstag „deutlich voller“ war. „Ob das am Wegfall der 2G-Regel liegt oder an anderen Faktoren, weiß ich aber nicht“, sagt die Einzelhändlerin. So oder so sei sie froh über das Ende der Maßnahme: „Für unsere Mitarbeiter war es sehr unangenehm, immer wieder diese Ansprache zu halten – vor allem bei Kunden, die ohnehin schon genervt von den Regeln waren.“

Einen Tag nach dem großen Sturm vermisst Frederik Westhoff, Center-Manger in der Rathaus-Galerie, dagegen noch den großen Einkaufs-Ansturm. „Wir merken noch nicht so richtig, dass die Leute wieder in die Geschäfte strömen“, sagt Westhoff. Das könne daran liegen, dass viele Kunden wetterbedingt noch vorsichtshalber zu Hause geblieben wären. Westhoff hat aber auch festgestellt, „dass viele Leute noch gar nicht über die neue Regelung informiert sind. Das muss sich erst rumsprechen“, glaubt der Center-Manager. Dennoch verzeichneten viele Händler in der Passage bereits „eine positivere Stimmung. Die Leute haben wieder Lust zu bummeln.“

Center-Manager des Limbecker Platzes: Kundenfrequenz ist gestiegen

Auch im Einkaufszentrum Limbecker Platz geht die Tendenz nach oben. Gleichwohl blieb auch hier der ganz große Run auf die nun wieder für jeden, offenen Geschäfte aus. „Es sieht aber nicht schlecht aus“, konnte Center-Manager Anastasios Meliopoulos bereits am Samstagnachmittag mit Blick auf die Besucherzahlen feststellen. Im Vergleich zur Vorwoche sei die Frequenz um etwa fünf Prozent gestiegen.

Auch in den Geschäften am Limbecker Platz hätten verunsicherte Kunden am Samstag aber noch angerufen und nachgefragt, welche Corona-Regelung denn nun gelte. Dass sich mehr Leute trotz einiger sturmbedingter Behinderungen am Ende auf den Weg gemacht hätten, sei „aber ein gutes Zeichen“, sagt Meliopoulos. Ob die Rücknahme der 2G-Regelung nun den erhofften Durchbruch für die Händler bringe, müsse die kommende Woche zeigen.

Rüttenscheider Händler: „Ich fühle mich unsicher“

Yvonne Neuner war mit ihrer Tochter Magdalena zum Shoppen in der Essener Innenstadt unterwegs. „Man muss die Lockerungen machen, schon allein für die Wirtschaft“, sagt die 47-Jährige.
Yvonne Neuner war mit ihrer Tochter Magdalena zum Shoppen in der Essener Innenstadt unterwegs. „Man muss die Lockerungen machen, schon allein für die Wirtschaft“, sagt die 47-Jährige. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Kundin Yvonne Neuner, am Samstag in der Innenstadt unterwegs, strahlt angesichts der Lockerung: „Heute gönnen wir uns was, haben schon Klamotten gekauft. Also quasi Belohnungs-Shoppen.“ Die 47-Jährige und Tochter Magdalena kommen aus Überruhr: „Obwohl ich dreifach geimpft bin, habe ich mir Corona gefangen. Außer Kopfschmerzen hatte ich aber keinerlei Symptome. Ich habe mich zu Tode gelangweilt. Jetzt ist die Frist abgelaufen und ich bin auch freigetestet.“ Sie und ihre elfjährige, doppelt geimpfte Tochter sind zwiegespalten, was den Fortfall der Beschränkungen angeht: „Wir haben erlebt, wie schnell man sich anstecken kann. Aber man muss die Lockerungen machen, schon allein für die Wirtschaft.“

Mit Skepsis blickt dagegen Michael Hanke, Inhaber eines Geschäfts für Raumausstattung auf der Rüttenscheider Straße, auf die neuen Regeln: „Jetzt weiß ich nicht mehr, ob der Mensch, der in meinen Laden kommt, geimpft ist oder nicht. Ich fühle mich unsicher.“ Vielen seiner Kundinnen und Kunden gehe es genauso. Seit kurzem bietet Hanke deshalb die Möglichkeit, einen Termin zu buchen, bei dem man ganz allein im Laden ist.