Essen. Corona hat die Zahl der Langzeitarbeitslosen in Essen in die Höhe getrieben. Das Jobcenter sorgt sich dabei vor allem um zwei Gruppen.
Der Arbeitsmarkt steht nach zwei Jahren Corona-Krise besser da als gedacht. Doch es gibt auch Verlierer der Pandemie. Langzeitarbeitslose finden wieder deutlich schwerer in einen Job. Ihre Zahl ist daher auch in Essen im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Als langzeitarbeitslos gilt, wer ein Jahr und länger ohne Arbeit ist.
Das Jobcenter schaut momentan besonders besorgt auf die Entwicklung bei zwei Gruppen: den jungen Männern und Frauen unter 25 Jahren – abgekürzt U25 – sowie den ausländischen Arbeitslosen. Bei den Jugendlichen gibt es binnen eines Jahres 17 Prozent mehr Langzeitarbeitslose, bei den Ausländern sind es sogar 26 Prozent. Ganz abgrenzen lassen sich beide Gruppen freilich nicht, denn unter den U25-Langzeitarbeitslosen befinden sich auch viele junge Leute mit ausländischem Pass. Genaue Zahlen hat das Jobcenter dazu allerdings nicht. Sozialdezernent Peter Renzel stellt fest: „Das sind die Effekte der Pandemie“.
Mehr psychische Probleme durch Corona
Fast 600 junge Leute sind in Essen mittlerweile als langzeitarbeitslos geführt. Distanzunterricht und Kontaktbeschränkungen haben ihre Spuren hinterlassen. „Die Jugendlichen sind mit sich allein geblieben und haben sich zurückgezogen“, sagt Renzel. Die Schule, das Jobcenter haben sie vielfach nicht mehr erreicht. Renzel spricht von Bildungsdefiziten, die jetzt sichtbar würden, genau so die Folgen der fehlenden Berufsorientierung.
Das Schlimmste aber ist: „Die erzwungene Isolation hat auch zu psychischen Problemen geführt“, weiß Renzel. Schon vor der Pandemie hatte jeder dritte Jugendliche, der Leistungen beim Jobcenter bezieht, psychische Probleme oder gar Erkrankungen. Keine leichten Voraussetzungen, die Betroffenen in eine Ausbildung oder einen Job zu bringen. „Das sind keine Selbstläufer, die man schnell vermittelt“, weiß Thomas Mikoteit, Abteilungsleiter im Jobcenter, aus der Praxis.
Doch das Jobcenter will dranbleiben, denn sonst sieht Renzel die Gefahr, dass die betroffenen jungen Menschen lebenslang zu Dauerbeziehern von Sozialleistungen werden. Deshalb startet das Jobcenter im März zusammen mit der Jugendberufshilfe ein neues Projekt, das gezielt jungen Arbeitslosen mit psychischen Problemen helfen soll, in den Arbeitsmarkt zu finden. Kooperationspartner dabei ist auch das LVR-Klinikum in Essen. Anfangs werden 80 Plätze zur Verfügung stehen.
Kaum Sprachangebote während Corona für Flüchtlinge
Auch bei vielen langzeitarbeitslosen Ausländern sind psychische Probleme ein Grund, warum sie sich schwer tun, im Arbeitsmarkt Fuß zufassen. Vor allem aber fehlen ihnen Schul- oder Berufsabschlüsse. „94 Prozent unserer ausländischen Kunden haben keinen Schulabschluss oder ausreichende berufliche Qualifikationen“, sagt Renzel. Die Flüchtlingskrise 2015 hat dieses Phänomen noch verstärkt.
Vor der Pandemie versuchte das Jobcenter, die Flüchtlinge über Sprach- und Berufsvorbereitungskurse zu qualifizieren. Doch das ist während der Pandemie kaum gelungen. „Die digitalen Wege waren in dieser Gruppe nicht erfolgreich“, betont Jobcenter-Leiter Dietmar Gutschmidt. Die Folge: Rund 5700 Ausländer gelten mittlerweile als langzeitarbeitslos, fast 1200 mehr als im Jahr 2020.
Die Entwicklung scheint paradox: Denn gerade während der Corona-Pandemie boten sich in Branchen wie den Paketdiensten gute Jobchancen für Ungelernte und damit auch für viele Flüchtlinge. „Der Schwachpunkt ist die Arbeitsmarktintegration von Frauen mit Migrationshintergrund“, erklärt Gutschmidt. Das aber sei einer der Schwerpunkte in der Arbeit des Jobcenters in diesem Jahr.
Zuwanderung nach Essen hält an
Aber auch die Zuwanderung hält an: In den vergangenen Monaten seien durch den Wegfall der Wohnsitzauflage vor allem Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak und Afghanistan mit ihren Familien nach Essen gezogen, weil es hier schon Communitys gibt. Auch die Zahl der Flüchtlingszuweisungen ist im Dezember und Januar wieder deutlich gestiegen. Mittlerweile zählt Essen 6900 Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften aus den acht zugangsstärksten Flüchtlingsländern.