Essen-Altendorf. Stella Kernchen macht ihr Abitur in einer Klasse für Gehörlose in Essen. Danach will sie ein großes Abenteuer wagen und wirbt um Unterstützung.

Ihr großes Abenteuer soll im Sommer starten: Die gehörlose Schülerin Stella Kernchen aus Altendorf will dann für ein Jahr lang Freiwilligendienst in Tansania leisten. „Es wird eine Herausforderung, aber ich freue mich auf das Freiheitsgefühl“, sagt die 20-Jährige. Aktuell macht sie ihr Abitur am Rheinisch-Westfälischen Berufskolleg (RWB) in Frohnhausen und bereitet sich auf ihre große Reise nach Afrika vor. Von ihrer Gehörlosigkeit will sie ihr Fernweh nicht einschränken lassen.

Schon von Geburt an ist sie gehörlos, in ihrem Fall ist das Handicap vererbt. „Ich bin in der vierten Generation taub“, sagt Kernchen. Aufgewachsen ist sie in Sachsen, in der Nähe von Chemnitz. Vor vier Jahren kam sie nach Essen, um hier in einer Klasse speziell für Gehörlose für das Abitur zu lernen. In ihrer neuen Wohngemeinschaft lernte sie ihren Freund kennen, der ebenfalls gehörlos ist und mit dem sie gemeinsam nach Tansania fliegen wird.

Stella Kernchen aus Essen will trotz ihrer Gehörlosigkeit die Welt entdecken

Bei einem Online-Bildungsvortrag erfuhren sie vom Freiwilligendienst „weltwärts“ und vom Verein Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit (bezev), der junge Menschen mit Behinderung dabei unterstützt, in die Welt zu gehen. Und zufällig hat bezev seinen Sitz in Essen, praktisch für das Paar. „Wir wollen Teilhabe für alle Freiwilligen ermöglichen und Barrieren abbauen“, sagt Stephanie Haase, die den inklusiven Freiwilligendienst koordiniert. 15 bis 20 Freiwillige entsendet der Verein jedes Jahr zu Projekten nach Ecuador, Mexiko, Indien, Ghana, Uganda und eben Tansania. Etwa ein Drittel der Freiwilligen hat eine Behinderung.

Stephanie Haase (links) und Melanie Kroll (rechts) vom Verein Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit (bezev) unterstützen Stella Kernchen bei der Planung ihres Freiwilligendienstes in Tansania.
Stephanie Haase (links) und Melanie Kroll (rechts) vom Verein Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit (bezev) unterstützen Stella Kernchen bei der Planung ihres Freiwilligendienstes in Tansania. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Die Corona-Pandemie hat den Freiwilligendienst erschwert, in der ersten Welle im März 2020 mussten Freiwillige evakuiert werden. Aktuell sind wieder junge Leute in Ghana und Ecuador, für den kommenden Sommer ist Haase optimistisch. „Wir sind frohen Mutes, dass wir dann wieder Freiwillige in alle Länder entsenden können“, sagt sie. Das hofft auch Stella Kernchen. Sie kümmert sich derzeit um die empfohlenen Impfungen für ihre Reise und informiert sich über das Land in Ostafrika.

„Ich habe schon viel recherchiert über Tansania, es gibt viel zu erleben“, sagt sie. Sie würde gerne tauchen, die Kultur der Massai kennenlernen und Urlaub auf Sansibar machen. Die Insel liegt nah vor ihrem Wohnort für das Jahr: In der Küstenstadt Daressalam wird Kernchen an einer Schule für Gehörlose arbeiten. Die Gebärdensprache der Schülerinnen und Schüler vor Ort wird sie dazu noch lernen müssen, doch Koordinatorin Haase versichert: „Unsere Erfahrung ist, dass die andere Gebärdensprache relativ schnell gelernt wird.“

Schülerin sammelt Spenden für ihren Aufenthalt

Ein Traum für die freie Zeit wäre für Stella Kernchen eine Safaritour, um im Serengeti-Nationalpark die „Big 5“ zu sehen – Elefant, Löwe, Leopard, Büffel und Nashorn. Doch die Safaris seien recht teuer, sagt sie. Erst einmal muss sie noch den Eigenanteil von 25 Prozent für ihre Zeit in Tansania finanzieren. Dafür sammeln die Freiwilligen vor ihrem Aufenthalt selbstständig Spenden, das gehört zum Konzept. Kernchen hat auf der Plattform gofundme.de einen Spendenaufruf gestartet und hofft, so 3000 Euro zusammenzubekommen. Ende August soll es dann losgehen.

Bewerbungen für weltwärts bis zum 20. März

Der entwicklungspolitische Freiwilligendienst „weltwärts“ wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung angeboten.

Seit 2008 haben bereits zehntausende junge Menschen teilgenommen.

Der Verein Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit (bezev) setzt sich dafür ein, dass auch Menschen mit Beeinträchtigung daran teilhaben können.

Flüge, Unterkunft und Verpflegung werden finanziert, zudem bekommen Freiwillige ein Taschengeld und werden versichert. Einen Eigenanteil von 25 Prozent der Gesamtkosten sollen sie möglichst über Spenden zusammenbekommen.

Bewerben kann sich, wer zwischen 18 und 28 Jahre alt ist. Ausnahme: Wer eine Beeinträchtigung oder chronische Erkrankung hat, kann sich bis zum Alter von 35 Jahren bewerben.

Die Bewerbungsfrist für ein freiwilliges Jahr ab Sommer endet am 20. März.

Mehr Informationen unter bezev.de