Essen. Oberbürgermeister Kufen beklagt Dauer des Strafverfahrens wegen Landfriedensbruchs in der Silvesternacht in Altenessen. Die Justiz hält dagegen.

Die Strafe soll auf dem Fuße folgen - diese Überzeugung ist in der Zusammenarbeit zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft und kommunaler Jugendgerichtshilfe im „Haus des Jugendrechts“ immer wieder wichtige Leitlinie im Umgang mit delinquentem Nachwuchs. Doch der pädagogische Ansatz, möglichst wenig Zeit zwischen einer Tat und einer notwendigen Sanktion verstreichen zu lassen, bleibt bisweilen blanke Theorie - wie in dem Verfahren nach der Silvesterrandale in Altenessen zum Jahreswechsel 2020/2021.

Die acht beschuldigten 17- bis 22-Jährigen sind zwar bereits im Juni des vergangenen Jahres von der Staatsanwaltschaft des schweren Landfriedensbruchs angeklagt, jedoch bis heute nicht vor Gericht gestellt worden. Das wirft Fragen auf. Insbesondere bei Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen, der sein Unverständnis über die Essener Justiz nun in einem Brandbrief an den zuständigen NRW-Minister Peter Biesenbach (CDU) deutlich gemacht hat.

Ein Bild, das es zu vermeiden gilt

Nachdem die Polizei Essen ihre Arbeit „zügig und hochprofessionell“ erledigt und die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben hat, so schreibt Kufen, habe er die Information erhalten, „dass das gerichtliche Verfahren aufgrund eines Zuständigkeitsstreits zwischen Land- und Amtsgericht auf Eis liegt und die Täter auch nach über einem Jahr nicht verurteilt sind“.

Dies empfinde er als Oberbürgermeister, aber auch als Bürger Essens als wenig verständlich, „bietet hier doch die Justiz genau das Bild, das es unter allen Umständen zu vermeiden gilt“. Zum einen bestehe die berechtigte Erwartungshaltung der Menschen nach einer Aufklärung der Taten und einer Verurteilung der in einem Strafverfahren überführten Täter. Zum anderen sei es mit Blick auf die jungen Beschuldigten „unbedingt notwendig, dass die Strafe auf dem Fuße folgen muss, um eine nachhaltige Verhaltenskorrektur zu gewährleisten“, heißt es in dem Schreiben vom Freitag.

Die Justiz verspielt Vertrauen

Kufen betont darin, dass er um die Unabhängigkeit der Gerichte wisse. „Aber als Oberbürgermeister erlaube ich mir, darauf hinzuweisen, wenn die Justiz durch unnötige Zuständigkeitsstreitigkeiten Vertrauen verspielt“, macht die Stadtspitze deutlich. Gerade in einer Zeit, in der von vielen Seiten Druck auf den demokratischen Rechtsstaat ausgeübt wird, müsse es „eine entschlossene, gemeinsame und schnelle Antwort von Legislative, Exekutive und Judikative geben, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in dieses Staatswesen zu erhalten“.

Die Essener Justiz hält dagegen. Ganz abgesehen davon, dass man es an der Zweigertstraße besser gefunden hätte, wenn Kufen das direkte Gespräch mit der Landgerichtspräsidentin gesucht hätte, weist deren Sprecher Thomas Kliegel den Vorwurf eines unnötigen Zuständigkeitsstreits zurück.

Die bisherigen Ermittlungen seien unzureichend

Dass sich das Verfahren hinziehe, habe zwei faktische Gründe: Nachdem die Staatsanwaltschaft Anklage beim Jugendschöffengericht erhoben hat, sei das Amtsgericht zu dem Schluss gekommen, eine mögliche Hauptverhandlung mit acht Beschuldigten sei besser bei einer Kammer des Landgerichts aufgehoben. Eine entsprechende Bitte um Übernahme sei auf den Weg gebracht worden.

Doch entscheidender für die Verfahrensdauer sei eine derzeit laufende Prüfung, ob die Anklagen überhaupt vollumfänglich zugelassen werden, sagt Kliegel. Die Kammer halte die von Kufen ausdrücklich gelobten „bisherigen Ermittlungen für unzureichend“, den Tatverdacht gegen Beschuldigte „für nicht hinreichend“. Es sollen nun deshalb weitere Beweismittel erhoben werden.

Unter anderem wurde ein Gutachter beauftragt, um am Ende entscheiden zu können, wer überhaupt auf der Anklagebank landet. Und das dürfte wohl noch etwas dauern.