Essen. „Wirtshaus zum Purzel“ in Essen: An Silvester wurden dort letztmalig Gäste empfangen. Detlef Przybyla zollt Alter und Gesundheit Tribut.

Promi- oder Kult-Wirt sind Attribute, die manchmal allzu freigebig verteilt werden. Aber Detlef Przybyla, den sie alle nur „Purzel“ nennen, ist wirklich einer.

Ob Hollywood-Stars wie Liza Minelli oder Sylvester Stallone, Schauspieler wie Götz George, Künstler wie „Werner“-Zeichner Rötger Feldmann, natürlich die gesamte Box-Szene mit den Klitschko-Brüdern an der Spitze, aber auch ein Richard von Weizsäcker mit Gefolge – sie alle und noch viele, viele mehr hat Purzel in seinem Essener Restaurant „Purzelbaum“ empfangen, verköstigt und im besten Fall sogar glücklich gemacht. Vorbei. Mit 73 Jahren hat Przybyla nun an Silvester das letzte Mal geöffnet. „Vorerst“, wie er sagt.

Mitten im Essener Stadtwald eröffnete 1983 der erste „Purzelbaum“

Im Jahr 1979 kam Przybyla ins Ruhrgebiet, nachdem er sich erste gastronomische Meriten in seiner Braunschweiger Heimat und in Osnabrück verdient hatte. Es folgte zunächst ein Gastspiel in Bottrop, bevor er in Essen im Stadtteil Stadtwald – und tatsächlich mitten im Wald – 1983 seinen ersten „Purzelbaum“ eröffnete, der in der Essener Szene sofort einschlug. Später dann zog er um nach Bredeney, an den Heissiwald hoch über dem Baldeneysee, wo er im ehemaligen Pfannkuchenhaus mit dem bewährten Konzept weitermachte. Zuletzt unter dem Namen „Wirtshaus zum Purzel“.

Beim Kochen und Netzwerken in seinem Element: Detlef „Purzel“ Przybyla im Jahr 2017 an der großen Meeresfrüchte-Pfanne.
Beim Kochen und Netzwerken in seinem Element: Detlef „Purzel“ Przybyla im Jahr 2017 an der großen Meeresfrüchte-Pfanne. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Wie wird man eigentlich zum Promi-Wirt? „Ich war halt einfach sehr gut“, sagt Przybyla und lacht sich selbst kaputt über den trocken hingeworfenen Spruch. Aber in gewisser Weise ist das wohl richtig. „Purzel“ war und ist ein begnadeter Netzwerker und, ein unverwechselbarer, augenscheinlich immer gut gelaunter und eigenwillig gekleideter Typ, der schon etwas von Eigenmarketing verstand, als das noch nicht in aller Munde war. So kam dann eins zum anderen, und wenn der Promi-Reigen einmal in Gang gesetzt ist, kann man ihn zu einem steten Strom verdichten – eine gehörige Portion Medien-Geschick und Menschenkenntnis vorausgesetzt.

Zur Box-Szene mit ihrer etwas halbseidenen Entourage hatte Purzel eine besondere Beziehung, seit er sich als Veranstalter von Profi-Kämpfen versuchte. Wie er dem Kölner „Express“ erzählte, hat er dabei ordentlich Geld verloren, andererseits aber wohl auch in der ersten Reihe am Ring jede Menge Freundschaften schließen und nützliche Kontakte aufbauen können. Berührungsängste hatte Przybyla wenige, auch mit der einst berüchtigten Kölner Halbwelt stand er sich gut, wie das Boulevardblatt jüngst in Bild und Text festhielt. Um es mit Roberto Blanco zu sagen, der natürlich auch gern im Purzelbaum vorbeischaute: Ein bisschen Spaß muss sein...

Das Leben auf der Überholspur hat bei „Purzel“ ein paar Spuren hinterlassen

All das ist nun länger her, und mittlerweile hat das Leben auf der Überholspur ein paar unvermeidliche Spuren hinterlassen. Detlef Przybyla hat eine Krebserkrankung und mehrere Herzinfarkte überstanden, hat nach eigenen Angaben die beachtliche Zahl von zwölf Stents in der Brust, und die Augen wollen auch nicht mehr so, wie sie sollen. Die Tatsache, dass der Eigentümer des alten Gebäudes am Heissiwald andere Pläne hat und er somit erneut hätte umziehen müssen, gab dann den Ausschlag, Schluss zu machen.

Ob das nun für immer gilt, da will sich der leidenschaftliche Gastwirt noch nicht festlegen. Wer weiß schon, ob es nicht irgendwann für die Augen einen medizinischen Jungbrunnen gebe, dann könne man wieder über alles reden. Dass in Purzel noch Feuer brennt, wurde im Februar letzten Jahres deutlich, als die Polizei es bei einem Corona-Kontrolleinsatz für seinen Geschmack weit übertrieb und in Hundertschaftstärke sogar bis in die Gasthaus-Küche vordrang. Erst kommentierte er die „Currywurst-Razzia“ der Staatsmacht mit beißendem Spott („so schnell war noch keiner meiner Kellner“), dann aber versöhnlich: „Am Ende waren die Beamten ja auch ganz nett“.

Wie auch immer: Einer wie Purzel, so scheint es, geht nicht einfach so in Rente.