Essen-Altenessen. 450.000 Tiere wurden 1897 auf dem Essener Schweinemarkt gehandelt. Der Ortshistoriker weiß, dass die Bahn ein Extra-Gleis für die Schweine baute.

Altenessens Ortshistoriker Christoph Wilmer hat in den Archiven recherchiert und herausgefunden, wie der Schweinemarkt in Essen Ende des 19. Jahrhunderts zum größten seiner Art in Deutschland wurde.

Schweinemarkt wurde zunächst privat von den Händlern betrieben

Schon vor der Eröffnung der Eisenbahn 1847 habe es in Altenessen einige Viehhändler gegeben, die Schweine, die von auswärtigen Bauern oder Händlern geliefert wurden, in der Gemeinde weiterverkauften. Mit dem Bau der Eisenbahn seien dann auch auswärtige Händler dazugekommen.

Wilmer: „Bald war es so, dass die Schweine auch im Fernhandel mit der Bahn wieder abtransportiert wurden.“ Der Markt sei von den Händlern privat betrieben worden, die Gemeinde versuchte durch Erlass von Vorschriften, ihn einigermaßen vernünftig zu regeln, die Hygiene zu sichern und gravierende Auswüchse zu verhindern. „Dennoch kam es immer wieder zu Beschwerden und zu hygienischen Problemen bis hin zu Tierseuchen“, weiß der Ortshistoriker.

Schweine mussten vom Markt quer über die Altenessener Straße getrieben werden

Der Markt sei in atemberaubendem Tempo gewachsen. Laut historischen Quellen wurden schon Anfang der 1870er Jahre bis zu 250.000 Stück Vieh im Jahr gehandelt, 450.000 waren es im Jahr 1897 – der Markt war zum größten Schweinemarkt in Deutschland gewachsen. Wilmer: „Die Gebäude und Einrichtungen rund um den Bahnhof konnten diese Menge kaum verkraften.“

Um die Abläufe bei dieser Menge der Schweine besser organisieren zu können, habe die Bahngesellschaft Rampen entlang der Zufahrtsstraße zum Bahnhof gebaut. Die Schweine mussten dann quer über die Altenessener Straße auf die andere Seite getrieben werden. Einer Verlegung der Rampen auf die andere Straßenseite widersprachen die Behörden wegen der Nähe zur Höltebergschule und den erwarteten Störungen des Unterrichts.

Die Bahn baute extra ein Gleis zur Vieh-Entladung am Altenessener Schweinemarkt

Wie Christoph Wilmer herausgefunden hat, baute die Bahn ein eigenes Gleis zur Vieh-Entladung östlich der Straße direkt an der Bahn. Die Schweine mussten dann aber wieder entlang der Altenessener Straße zu den Ställen getrieben werden. Verschmutzung, Störung des Verkehrs und Behinderung der Fußgänger waren die Folge.

Lesebuchkreis Altenessen freut sich über Verstärkung

Die Mitglieder des Lesebuchkreises Altenessen kümmern sich darum, die Geschichte ihres Stadtteils aufrecht zu erhalten. „Wir würden uns wünschen, dass die Identität mit dem Stadtteil wieder zunimmt und möchten Altenessen mit einer bestimmten Wertschätzung behandelt wissen“, erklärt der Leiter und Ortshistoriker Christoph Wilmer.

Aufgrund der Corona-Pandemie können die Mitglieder jetzt zum zweiten Mal in Folge keinen historischen Kalender herausbringen. Sie freuen sich aber jederzeit über Verstärkung. Wer dabei sein will, meldet sich bei Christoph Wilmer per E-Mail an

„Die Gemeinde Altenessen hatte nur begrenzte Handhabe, die Aktivitäten der privaten Händler zu regulieren“, weiß Wilmer. Um die Jahrhundertwende begann sie deshalb mit der Planung, den Markt als öffentliche Einrichtung selbst zu betreiben.

Überschuss von mehreren tausend Mark für die Gemeindekasse

Die Archiveinträge belegen, dass aus dem privaten Markt Schritt für Schritt eine kommunale Einrichtung wurde. Tierärzte und Marktbeamte für die Aufsicht wurden angestellt, es folgte ein Dienstgebäude. Die Gemeinde kaufte schließlich den privaten Händlern ihre Ställe ab und errichtete im Jahr 1913 eigene Ställe. Wilmer: „Zwar wurden in manchen Jahren die Aktivitäten durch eingeschleppte Tierseuchen empfindlich getroffen und unterbrochen, doch in normalen Jahren brachte der Betrieb des Marktes einen Überschuss von mehreren tausend Mark für die Gemeindekasse.“ Für den Ortshistoriker ist der Schweinemarkt somit ein Beispiel für die erfolgreiche aktive Wirtschaftspolitik einer Gemeinde.

Im Zweiten Weltkrieg wurde der Schweinemarkt laut Zeitungsberichten zerstört, am 30. April 1949 aber wieder eröffnet. In den 50er-Jahren wurde die Mehrzahl der Schweine dann mit Lkw abtransportiert, die Bahn stellte aber immer noch 24 Waggons zur Verfügung, die zeitgleich mit den Tieren beladen werden konnten. „Der Umschlagplatz in Altenessen hat einen Monatsumsatz von über einer halbe Millionen DM“ heißt es in einem Zeitungsbericht von 1951. Geschlossen wurde der Markt schließlich Ende des Jahres 1962. Die letzten Gebäude wurden 1979 abgerissen.