Essen-Altenessen. In der Einwohnerfragestunde eines Essener Stadtteilparlaments wurde einer Bürgerin untersagt, ihren Wortbeitrag vorzutragen. Das sind die Gründe.

In der Einwohnerfragestunde der Bezirksvertretung V, zuständig für Altenessen, Karnap und Vogelheim, hat Bezirksbürgermeister Hans-Wilhelm Zwiehoff einer Bürgerin untersagt, ihren Wortbeitrag vorzutragen. Im Anschluss erklärte er, warum.

Zwei Wortbeiträge zum selben Tagesordnungspunkt in Fragestunde nicht erlaubt

Nachdem Reinhard Schmidt, als Anwohner der Gladbecker Straße, in der Sitzung vorgetragen hatte, warum er es unsäglich findet, dass der Mittelstreifen dort nicht bepflanzt werden soll, gab er das Mikrofon weiter an Susanne Demmer. Nachdem diese angefangen hatte zu sprechen, erklärte Hans-Wilhelm Zwiehoff, dass es untersagt sei, zwei Wortbeiträge zum selben Tagesordnungspunkt abzugeben. Demmer: „Mein Anliegen betraf unter anderem die Mittelinsel, jedoch nicht den Tagesordnungspunkt.“ Geschockt von dem „plötzlichen, für sie unverständlichen, Eingreifen des Bezirksbürgermeisters“, habe sie das Mikrofon zurückgebracht. Demmer: „Der Bezirksbürgermeister sagte, es gäbe halt Regeln, ich konterte und sagte, es gäbe auch Anstand.“

In der Geschäftsordnung des Rates ist festgelegt, dass Einwohnerfragestunden abgehalten werden können – es ist also keine Pflicht. Tatsächlich sind sie in diesem Jahr in diversen Stadtteilparlamenten auch schon ausgefallen. So zum Beispiel in der BV IV im Essener Westen. Außerdem heißt es dort: „Fragen sollen dem/der Bezirksbürgermeister/-in möglichst eine Woche vor der Sitzung der Bezirksvertretung vorliegen vorliegen.“ Zusätzlich ist geregelt, dass eine Einwohnerfragestunde nicht länger als 30 Minuten dauern sollte.

Bürgerinnen dürfen sich nach Einwohnerfragestunde nicht mehr aktiv beteiligen

Wenn der Tagespunkt abgearbeitet ist, dürfen Bürger sich in den Sitzungen nicht mehr zu Wort melden. Das führte in derselben Sitzung zu einer weiteren skurrilen Situation: Eine Elternvertreterin hatte sich in der Einwohnerfragestunde zum Lehrermangeln an der Emscherschule geäußert und wollte später zu der Diskussion der Bezirksvertreter noch etwas beitragen. Da sie aber kein Rederecht mehr hatte, erklärte ihr Zwiehoff, dass sie einen Bezirksvertreter für sich sprechen lassen müsste. Gesagt, getan, die Elternvertreterin bat den stellvertretenden Bezirksbürgermeister, Klaus Hagen, vor die Tür und ließ ihn später für sie sprechen.

Susanne Demmer empfindet dieses Vorgehen in einem Stadtteilparlament als politische Arroganz: „Selten habe ich so stark gespürt, wie es sich anfühlt, wenn mit zweierlei Maß gemessen wird und statt Bürgerfreundlichkeit Willkür herrscht.“

In der Sitzung selbst führte der Vorfall auch zu Aufregung. Bezirksvertreter Herbert Bußfeld erklärte, dass die Bürger zu Wort kommen müssten, wenn sie etwas zu sagen haben: „Ich bin froh über jeden, der hierher kommt und uns über Missstände aufklärt.“ Ihm sei nicht klar gewesen, dass nur eine Person zu einem Tagesordnungspunkt sprechen dürfe.

Bezirksbürgermeister bevorzugt Ortstermine in Essen

Das steht tatsächlich auch nicht in der Geschäftsordnung des Rates. Jacqueline Schröder vom Presseamt der Stadt erklärt, dass die praktische Handhabung in der BV V ist, dass Einwohner und Einwohnerinnen auch ohne Anmeldung Fragen stellen können. Schröder: „Die Steuerung des Verlaufs der Einwohnerfragestunde liegt in der Hand des Bezirksbürgermeisters. Dabei ist es ihm zum Beispiel überlassen darauf hinzuwirken, dass die Fragen kurz und konkret gefasst werden und dass sich Fragen zu gleichen Themen nicht wiederholen.“

So erreicht man die Stadtteilpolitiker

Eine Einwohnerfragestunde in der Bezirksvertretung VI, zuständig für Katernberg, Schonnebeck und Stoppenberg, ist Mitte des Jahres schon einmal abgebrochen worden. Die Bürger hatten keine Fragen gestellt, sondern Stellungnahmen abgegeben. Wer Fragen an die Politiker aus seinem Stadtteil hat, kann sich per E-Mail an bv5@essen.de wenden, wenn es um Altenessen, Karnap oder Vogelheim geht. Für die anderen Stadtteile lautet die E-Mail-Adresse je nach zuständiger Bezirksvertretung.

Genau das ist das Ansinnen von Hans-Wilhelm Zwiehoff: „Das haben wir schon immer so gemacht und machen das auch weiter so.“ Er betont aber, dass er Susanne Demmer und Reinhard Schmidt sehr schätze und auch für alle anderen Bürger immer ein offenes Ohr habe. Es sei nur deutlich einfacher, wenn die sich direkt per Mail oder Telefon an ihn wenden: „Wenn der Bürger ein Problem hat, soll er sich melden, dann komme ich vorbei und schaue mir das an.“

Dass das nicht nur leere Worte sind, habe er in seiner jahrzehntelangen Arbeit als Bezirksbürgermeister oft genug bewiesen. An einigen Orten, wie dem Westerdorfplatz sei er auch mehrmals gewesen, um die Probleme dort in den Griff zu bekommen. „Wenn wir uns das persönlich anschauen, kommt da einfach mehr bei rum“, so Zwiehoff, der ergänzt, dass er auch mit Blick auf die Corona-Situation darauf achten müsse, die Sitzungen zu straffen.