Essen-Frintrop. Foodsharing soll Lebensmittelmüll reduzieren und wird in Essen immer populärer. Eine Gruppe aus Frintrop ist Heiligabend und Silvester im Dienst.
In Deutschland landen jedes Jahr rund zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll, schlägt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) auf seiner Homepage Alarm. Um diese Verschwendung zu verringern, bilden sich auch in Essen immer mehr Gruppen von „Foodsavern“, also „Essensrettern“, die Nahrungsmittel sammeln und kostenlos umverteilen. So auch in Essen-Frintrop, wo gerade jetzt zu Weihnachten und Silvester Großes geplant ist.
Wer kennt es nicht: Manchmal sind die Augen größer als der Mund, und längst nicht alle Lebensmittel, die im Einkaufswagen landen, finden später auch den Weg auf den Teller. Eva Marx aus Frintrop macht da keine Ausnahme. Doch spätestens als sie vor fünf Jahren Eva Niehues kennenlernte, setzte bei ihr das Umdenken ein. „Sie ist Foodsharing-Botschafterin in Mülheim und Oberhausen, also direkt in meiner Nachbarschaft, da ich nahe der Stadtgrenze wohne“.
Vor fünf Jahren der Frintroper Foodsharing-Gruppe angeschlossen
Da Eva Niehues selbst in Frintrop wohnt, gründete sie dort eine eigene Foodsharing-Gruppe, der sich auch Eva Marx anschloss. „In dieser Gruppe sind nur Menschen aus Frintrop und Umgebung aktiv“, sagt Eva Niehues. „Wir versuchen unser Engagement bewusst kleinräumig zu halten, um hier direkt vor Ort etwas zu bewirken“, ergänzt Eva Marx. Anfangs nutzte sie nur die Chance, Lebensmittel abzuholen, die andere Foodsaver anboten. „Doch seit einem halben Jahr sammele ich Nahrungsmittel selbst und verteile sie neu.“
Seit dieser Zeit nutzt Eva Marx das Foodsharing-Netz und rettet bei insgesamt 39 Betrieben. Denn: Zwar entstehen laut BMEL rund 52 Prozent der Lebensmittelabfälle in privaten Haushalten, was 75 Kilo pro Person im Jahr entspricht, doch viele Nahrungsmittel, die noch durchaus genießbar sind, werden schon vor dem Verkauf wieder entsorgt.
Mindesthaltbarkeit ist nicht das Maß aller Dinge
Termine für Weihnachten und Silvester stehen fest
Weitere Informationen über Foodsharing, über die Akteure und ihre Motivation erhalten Interessierte unter www.foodsharing.de.Die Terminbekanntgabe für Abholungen der Frintroper Gruppe gibt es generell hier: https://www.facebook.com/groups/foodsharinginfrintropundumgebungDie Termine für Weihnachten und Silvester stehen fest: Am 24. Dezember von 12 bis 16 Uhr und am 31. Dezember von 13 bis 17 Uhr können Lebensmittel jeweils auf dem Hof der Arbeiterwohlfahrt, Unterstraße 67 abgeholt werden. Bitte an Maske und Abstand denken!
In aller Regel bieten Geschäfte Lebensmittel, die kurz vor Ablauf der Mindesthaltbarkeitsgrenze stehen, mit Rabatt an. Die Essener Tafel darf unverkaufte Ware nur dann nutzen, wenn sie mindestens noch drei Tage „haltbar“ ist. Foodsaver wie Eva Marx sind da flexibeler – aus gutem Grund. „Das Haltbarkeitsdatum beschreibt nur die Frist, bis wann der Hersteller einen unveränderten Geschmack des Produktes garantieren kann. Doch schlecht oder ungenießbar sind die Sachen deshalb nicht.“
Beim Gemüse sortiert Eva Marx beispielsweise bei abgepackten Paprika-Dreierpacks nur die Schoten aus, die angeschlagen sind. Der Rest wird umgehend verteilt. „Ich achte bei der Auswahl natürlich auch auf die Qualität und Zustand. Im Zweifelsfalle entsorge auch ich bedenkliche Ware.“
Gemeinsam über 30 Tonnen an Waren gesammelt
Doch mitunter landen auch Konserven und ähnliches in ihrer Sammelkiste, die noch über Jahre haltbar sind. „Wenn beim Umgang mit Konserven diese beispielsweise verschmutzt werden, dann schreiben die Geschäfte die Ware lieber ab, als sie zu reinigen“, erklärt Eva Marx. „Denn beim Saubermachen könnte die Banderole leiden und so etwas wollen die Läden nicht ins Regal stellen.“
Den Foodsavern kann dies nur recht sein. Seit Beginn ihres Engagements hat Eva Marx bereits 6,7 Tonnen Lebensmittel „gerettet“. Bei Botschafterin Eva Niehues sind es bereits 24,7 Tonnen. Insgesamt 787 Abholungen hat allein sie initiiert und dann die Waren in Frintrop und Umgebung verteilt.
Der Umweltschutz steht beim Foodsharing im Vordergrund
„Da wir das alles ehrenamtlich machen, wechseln unsere Ausgabetermine und Orte ständig“, sagt Eva Marx. Deshalb macht sie ihre Termine auf Facebook öffentlich, stellt Bilder der Waren ein und schreibt, wann die Lebensmittel abgeholt werden können. „Den wöchentlichen Bedarf wie bei der Essener Tafel kann unsere Kundschaft damit nicht decken. Aber es geht uns hier in erster Linie um den Umweltschutz. Dass bedürftige Menschen davon mitunter profitieren können, ist ein wunderbarer Nebeneffekt.“
Sie selbst stellt die Kisten mit Obst, Gemüse und verpackten Lebensmitteln direkt vor ihre Haustür. Mal weniger, mal mehr. „Ich habe auch schon aus meinem Keller heraus verteilt, da standen dann bis zu 60 Menschen vor dem Haus“, erinnert sie sich.
Bei der Ausgabe der Waren wird auf eine gleichmäßige Verteilung geachtet
Schon deshalb ist es wichtig darauf zu achten, dass es bei der Verteilung gesittet zugeht. „Manche benehmen sich wie die Axt im Wald und wollen von 15 Blumenkohlköpfen zehn einsacken. Dann werde ich schon mal energisch und erteile sogar ein Hausverbot, wenn ich das Gefühl habe, dass sich vielleicht ein Gewerbetreibender nur kostenlos das Lager auffüllen will.“
Zu Gedränge kann es auch bei besonders nachgefragten Lebensmitteln kommen. „Wir hatten mal zwei randvoll gefüllte Einkaufswagen mit Grillfleisch in der Verteilung“, sagt Eva Marx. „Aber auch Süßigkeiten sind begehrt. Da achte ich schon auf eine gleichmäßige Abgabe, bis das letzte Stück unter die Leute gebracht worden ist.“
Für Weihnachten und Silvester hat die Frintroper Gruppe nun Sonderverteilungen geplant (Siehe Infobox). Eva Marx erwartet eine Fülle an Waren, weil sich manche Lebensmittel über die Feiertage nicht halten.
Mit welchen Geschäften eine Kooperation besteht, darüber muss die Frintroperin schweigen. „Das steht so im Vertrag, den wir vorher abgeschlossen haben. „Wir dürfen auch auf FB keine Eigenmarken zeigen, wohl aber Markenprodukte, die überall erhältlich sind.“ Die Geschäfte wollen ein Negativ-Image vermeiden, dass so viel Waren entsorgt werden. „Aber dass dies so ist, liegt auf der Hand“, sagt Eva Marx. „Und genau das wollen wir hier ändern.“