Essen. In Essener Kitas fallen derzeit oft Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter krankheitsbedingt aus. Welche Folgen das für Einrichtungen und Eltern hat.
Wer sein Kind am Montag (29. Dezember) in die Kita St. Andreas in Rüttenscheid bringen wollte, der konnte meist gleich wieder umdrehen. Fünf Erzieherinnen hatten sich krankgemeldet – nicht etwa wegen Corona, sondern wegen normaler saisonaler Erkältungsviren. Damit konnte der Betreuungsschlüssel nicht aufrechterhalten werden, die Kita musste schließen und konnte nur noch eine Notbetreuung aufrechterhalten. Wie eine Abfrage unter Essener Trägern zeigt, ächzt eine Vielzahl von Kitas derzeit unter Personalengpässen.
Eigentlich sei man „sehr robust“, sagt Andrea Engelskamp, Leiterin der Kita St. Andreas, mit einem Lachen. Erzieherinnen seien schließlich seit jeher allen möglichen Erkrankungen ihrer Schützlinge ausgesetzt. Doch in diesem Jahr sei es besonders schlimm gewesen. „Durch die Hygienemaßnahmen und die Lockdowns hat unser Immunsystem verlernt, mit Viren umzugehen“, vermutet die Kita-Leiterin.
Rüttenscheider Kita war drei Tagen lang geschlossen
Sowohl Mitarbeiterinnen als auch Kinder treffe die Krankheitswelle deshalb aktuell härter als gewöhnlich. „Normalerweise haben wir auch Springer, die bei Bedarf übernehmen“, erklärt Engelskamp. „Aber die Krankenstand ist ja überall derselbe.“ Am Montag sah man sich deshalb mit einem extremen Engpass konfrontiert: Nur noch zwei pädagogische Fachkräfte standen für eine Kita mit 44 Kindern zur Verfügung – viel zu wenig.
Die Eltern hätten zum Glück mehrheitlich verständnisvoll reagiert, berichtet Engelskamp. Da viele die Möglichkeit hätten, ihre Kinder anderweitig zu unterzubringen, habe man auch in der Notbetreuung niemanden abweisen müssen. Am Donnerstag (2. Dezember) hat die Kita wieder ihre Pforten geöffnet. Zwei Erzieherinnen haben sich wieder gesundgemeldet.
Awo Essen: Kita-Personal ist ohnehin schon hochbelastet
Andreas Lischka ist das Problem nur zu vertraut. Lischka ist zuständig für die Kitas der Awo in Essen. Dort musste zwar bisher noch keine ganze Kita, wohl aber schon einzelne Gruppen geschlossen werden. Zwar könne man diese Fälle „an einer Hand abzählen“, sagt Lischka, dennoch bereite ihm das Thema Sorgen – in einer Zeit, in der die Erzieherinnen und Erzieher aufgrund der Corona-Lage ohnehin schon hochbelastet seien. Und obendrein sei der Fachkräftemangel in Kitas auch ohne Krankheitswelle eklatant.
Die Stadt Essen ist Träger von rund 50 Kitas im Stadtgebiet. Wie Jugendamtssprecherin Stefanie Kutschker berichtet, gab es noch keine Schließungen, wohl aber mussten bereits Gruppen wegen Personalmangels zusammengelegt werden. Außerdem habe man Betreuungszeiten reduzieren müssen, sodass Eltern ihre Kinder zum Beispiel früher abholen mussten, weil der Spätdienst nicht voll besetzt werden konnte. „Gerade in den letzten Tagen kam es außerdem zu vielen kurzfristigen Krankmeldungen, weil Erzieherinnen nach der Booster-Impfung unter Nebenwirkungen litten“, so Kutschker.
VKJ Essen musste Betreuungszeiten einschränken
Der Verein für Kinder- und Jugendarbeit in sozialen Brennpunkten (VKJ), der mehrere Kitas in Essen betreibt, musste ebenfalls schon an einigen Standorten die Öffnungszeiten einschränken. Die Betreuung habe dann statt wie üblich um 17 Uhr bereits um 16 Uhr enden müssen, so Sandra Neuwaldt, VKJ-Fachberatung Kita. In der kleinsten - einer zweigruppigen Einrichtung – habe man dreimal für je einen Tag nur Notbetreuung anbieten können. „Die Finanzierung, die das Kinderbildungsgesetz vorsieht, ist aktuell immer noch nicht auskömmlich, so dass personelle Ausfälle kaum kompensierbar sind“, erklärt Neuwaldt.
„Jeden Morgen muss man schauen: Wer ist überhaupt da?“, sagt auch Nina Schubert, Personalleitung der Kitas des Kinderschutzbundes. Auch dort hat es bereits Gruppenschließungen gegeben. Die Belastung der Kolleginnen und Kollegen sei aufgrund des „haarsträubenden Fachkräftemangels“ ohnehin schon sehr hoch. Die Krankheitsproblematik komme nun noch dazu: „Momentan sind alle noch ausgebrannter.“
Jugendamt Essen: „Bitte keine Kinder mit Erkältungssymptomen in die Kita bringen“
Auch Eltern stehen vor großen Herausforderungen, wenn die Kinder von jetzt auf gleich nicht in der Kita betreut werden können Alle Träger berichten, dass die Reaktionen sehr unterschiedlich ausfielen: Teils sehr verständnisvoll, doch manchmal werde der Frust auch beim Kita-Personal abgeladen. „Wir merken, dass die Eltern enorm unter Druck stehen“, sagt zum Beispiel Neuwaldt. Da komme es aktuell natürlich häufiger zu Konfliktsituationen.
Fatal: In manchen Fällen zirkulieren Viren genau deshalb in der Kita, weil Eltern keine andere Betreuungsmöglichkeit für ihre Kinder finden und sie krank hinbringen. „Eltern schicken ihre Kinder viel häufiger erstmal in die Kita, da sie Zuhause überfordert sind oder schlichtweg Druck vom Arbeitgeber bekommen“, ist zum Beispiel Neuwaldts Erfahrung. Das Jugendamt richtet deshalb einen dringenden Appell an die Eltern: „Bitte bringen Sie Ihre Kinder nicht mit Erkältungssymptomen in die Kita – und testen Sie sie auf Corona“, sagt Kutschker.