Essen. Die Stadtwerke Essen erhöhen die Gas- und Strompreise. Vor allem für neue Kunden steigen sie drastisch. Was die Verbraucherzentrale davon hält.

Die Verbraucherzentrale NRW übt Kritik an der neuen Preisgestaltung der Stadtwerke Essen. Die extrem teuren Gas-Tarife für Neukunden in der Grundversorgung und in den Sondertarifen seien von den Preisentwicklungen am Markt nicht gedeckt. „Die Stadtwerke scheinen bewusst keine neuen Kunden zu wollen“, schlussfolgert Christina Wallraf, Referentin für den Energiemarkt bei der Verbraucherzentrale NRW. „Das ist schade, denn im Augenblick kann man Verbrauchern ein Zurück zu den Stadtwerken Essen gar nicht empfehlen.“

Die Stadtwerke hatten vor einigen Tagen höhere Preise für Gas, Strom und Trinkwasser angekündigt. Dabei unterscheiden sie bei Gas und Strom ab sofort zwischen Bestandskunden und Neukunden. Bestandskunden zahlen ab 1. Januar 2022 je nach Tarif zwischen 15 und 18 Prozent fürs Gas mehr. In der Grundversorgung ist die Größenordnung ähnlich. Wer allerdings erst Kunde bei den Stadtwerken werden will, der zahlt mehr als das Doppelte des bisherigen Tarifs und das nicht erst zum Jahresbeginn sondern ab sofort.

Stadtwerke Essen machen große Preisunterschiede bei Neu- und Bestandskunden

Während ein Bestandskunde im Tarif „Essen Gas M“ derzeit noch brutto 6 Cent für die Kilowattstunde zahlt, muss ein Neukunde 15,87 Cent berappen. Auch die Grundversorgung wird für all diejenigen sprunghaft teurer, wenn sie im nächsten Jahr in diese fallen. Der Verbrauchspreis steigt ab 1. Januar 2022 für Neukunden um über 160 Prozent. „Wer dann in die Grundversorgung fällt, sollte schnellstmöglich zu einem neuen Anbieter wechseln. Den Sondertarif der Stadtwerke kann man wie gesagt nicht empfehlen“, so Christina Wallraf.

Christina Wallraf, Energieexpertin bei der Verbraucherzentrale NRW.
Christina Wallraf, Energieexpertin bei der Verbraucherzentrale NRW. © Verbraucherzentrale Nrw/dpa-tmn | Verbraucherzentrale NRW

In der Grundversorgung sind in der Regel Haushalte, die sich bislang nicht aktiv um einen Vertrag gekümmert haben oder die einen schlechten Schufa-Eintrag haben und deshalb bei anderen Versorgern keinen Vertrag bekommen. Der lokale Versorger muss sie dann in die Grundversorgung aufnehmen. Kurzzeitig kann es aber auch passieren, dass man in die Grundversorgung fällt, weil der bisherige Anbieter pleite gegangen ist oder die Lieferung eingestellt hat.

Dass es bei den Stadtwerken künftig damit zwei Tarife in der Grundversorgung gibt, sehen die Verbraucherschützer mit Unbehagen. „Die Spaltung der Grundversorgung ist eine völlig neue Marktreaktion, deren Rechtmäßigkeit unklar ist“, sagt Christina Wallraf. Die Stadtwerke Essen halten dagegen: „Wir haben das juristisch geprüft“, meint Sprecher Dirk Pomplun. Die Landeskartellbehörde NRW habe bereits in einem Fall eines anderen Versorgers eine Preisspaltung für Bestands- und Neukunden in der Grundversorgung bestätigt.

Wie die Stadtwerke Essen hätten in den vergangenen Monaten auch andere Versorger unterschiedliche Tarife für Bestands- und Neukunden aufgelegt. „Allerdings nicht mit ganz so großen Preisunterschieden wie Essen“, sagt Christina Wallraf. „Auch wenn ich den Ansatz derzeit verstehen kann, frage ich mich, ob das so hoch sein muss.“

Trotz höherer Preise für Bestandskunden der Stadtwerke Essen: Expertin rät von Wechsel ab

An den Preiserhöhungen für Bestandskunden hat Christina Wallraf dagegen wenig Kritik. Diese fielen zwar hoch aus, seien aber angesichts der derzeit branchenüblichen Beschaffungskosten plausibel und vertretbar. Einen Wechsel zu einem günstigeren Anbieter könne man natürlich immer prüfen. Doch: „Kunden müssen derzeit erst einmal etwas Günstigeres finden.“ Die Preise stiegen auf breiter Front. Im Vergleich mit anderen seien die Stadtwerke Essen immer noch gut dabei. „Bei den derzeitigen Entwicklungen kann man eigentlich nicht zu einem Wechsel raten“, so Wallraf. Sie empfiehlt Kunden dennoch, den Markt in den kommenden Monaten zu beobachten.

3G im Kundenzentrum der Stadtwerke

Das Kundenzentrum der Stadtwerke Essen bleibt geöffnet. Für Besucherinnen und Besucher gelten ab Montag die 3G-Regelungen. Das bedeutet, dass nur geimpfte, genesene oder getestete Personen Zugang zum Kundenzentrum auf der Rüttenscheider Straße erhalten. Im Kundenzentrum ist montags bis freitags von 8 bis 13 Uhr, donnerstags bis 18 Uhr geöffnet. Um längere Wartezeiten zu vermeiden, können Kunden vorab einen Termin vereinbaren entweder auf der Internetseite der Stadtwerke www.stadtwerke-essen.de oder unter 0201/800-1453Telefonisch sind die Stadtwerke Essen montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr erreichbar unter 0201/800-1453.

Stadtwerke-Kunden, die derzeit noch in der Grundversorgung sind, sollten dagegen einen Wechsel in einen Sondertarif der Stadtwerke ins Auge fassen. „Das geht schnell, die Kündigungsfrist beträgt dafür nur zwei Wochen“, betont die Energieexpertin. Betroffene müssen aber selbst aktiv werden und ihren Wechselwunsch den Stadtwerken mitteilen.

Paradox: Wer dennoch in der Grundversorgung der Stadtwerke bleiben will oder muss, ist derzeit gar nicht so schlecht aufgestellt. Denn viele Sondertarife anderer Versorger liegen nach den jüngsten Preiserhöhungen über der Grundversorgung, die die Stadtwerke ihren Bestandskunden gewährt.