Essen-Katernberg. Eine freie Schule für sozial schwache Kinder in einem sozial benachteiligten Essener Stadtteil. Das ist aus dem Plan in den 80er-Jahren geworden.
Eine freie Schule für sozial schwache Kinder in Katernberg, einem sozial benachteiligten Essener Stadtteil. Das war der Plan von einer Gruppe Studenten in den 1980er-Jahren. Übrig geblieben ist Martina Marzonek-Kolberg, die heutige Leiterin der Freien Schule. Das Konzept von damals ist nicht ganz aufgegangen.
Studentengruppe scheiterte mit ihrer Idee der Freien Schule in Essen an den Finanzen
Die Gründung einer Schule scheiterte nämlich – wie so oft – am Geld. Stadt und Land bewilligten zwar einen einmaligen Zuschuss von 20.000 D-Mark, mehr aber nicht. Von den Eltern Schulgeld zu verlangen, war utopisch. Bei denen waren die finanziellen Mittel schlicht und einfach nicht vorhanden. Ein Schulversuch in öffentlicher Trägerschaft wurde damals zudem vom Rat der Stadt Essen abgelehnt. Also platzte der Traum der Studentengruppe, obwohl das pädagogische Konzept bereits ausgearbeitet war. „Wir waren eine Gruppe sehr idealistischer Menschen“, erinnert sich Martina Marzonek-Kolberg, die nie aufgegeben, sondern die damalige Idee weiterentwickelt und den Namen beibehalten hat.
Zur Freien Schule Katernberg kommen mittlerweile täglich rund 60 Kinder. „In Absprache mit den Schulen betreuen wir hier diejenigen mit den größten Defiziten“, erklärt Kolberg. Sie werden mit Bullis nach der Schule abgeholt, bekommen Mittagessen, das vor Ort gekocht wird, und arbeiten dann mit festen Bezugspersonen in Kleingruppen. Fünf bis sechs Kinder haben ein bis zwei Betreuer als Ansprechpartner. Über die Monate und Jahre kann das wie eine kleine Familie werden, denn die Gruppen bleiben möglichst in der gleichen Zusammensetzung. Kolberg: „Wir wollen die Kinder unterstützen und nach vorne bringen, nicht nur verwahren.“
Diverse Migrationshintergründe treffen in der Freien Schule Katernberg aufeinander
Essen, Lernen, Bewegen, das sind die drei Grundpfeiler. Thematisiert wird dabei auch was und wie gegessen wird, welche Probleme es in der Schule gibt und welche Strategien es in Konfliktsituationen gibt. Der Sohn von Martina Marzonek-Kolberg hat sich zum Deeskalationstrainer ausbilden lassen und ist mittlerweile ebenfalls Teil des 15-köpfigen Teams. „Hier treffen diverse Migrationshintergründe aufeinander“, erklärt der 30-jährige Philipp Kolberg. In Kombination mit der Pandemie-Situation eine echte Herausforderung: „Manche sind total antriebslos, andere wissen gar nicht wohin mit ihrer Energie.“
Die Kinder sollen lernen, ihre Probleme zu benennen und Konflikte zu benennen, anstatt „sofort draufzuhauen“. „Gleichberechtigung und Respekt stehen an erster Stelle“, so Philipp Kolberg, der beobachtet, dass die Zahl der Nationen in Essen mehr wird, die Aufenthaltsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche aber gleichzeitig abnehmen.
Leiterin der Freien Schule wünscht sich langfristige Perspektive
Aus der ursprünglichen Idee der freien Schule ist also eine Betreuungseinrichtung geworden. Mittlerweile gibt es deutlich mehr Fördertöpfe, die Finanzierung bleibt aber eine Sisyphusarbeit: „Ich muss immer Gelder beschaffen, habe aber gar nichts zu verkaufen“, erklärt Martina Kolberg, die sich für ihr Team eine langfristige Perspektive wünscht. Das Angebot setzt sich aus verschiedenen Projekten zusammen, die alle bei Stadt oder Land beantragt und von dort bewilligt werden müssen. Sie sind in der Regel zeitlich befristet: „Ich habe nie Planungssicherheit.“
Viele Kinder bleiben daher nach der Betreuung auf dem Gelände der Freien Schule an der Schalker Straße und nehmen auch noch die Nachmittags-Angebote mit. Dann werden unter anderem Kreativ- und Bewegungsworkshops angeboten. Auch Medienprojekte oder das Thema Mülltrennung wird dann bearbeitet. Außerdem gibt es eine extra Jungen- und eine extra Mädchengruppe.
Manche Kinder gehen erst abends wieder nach Hause. Und die Eltern? „Früher gab es viel mehr Wertschätzung“, sagt Martina Kolberg. Mittlerweile würden viele Eltern das Angebot, für das die meisten nicht mehr als 9 Euro im Monat zahlen müssen, als Selbstverständlichkeit ansehen: „Der kulturübergreifende Servicegedanke ist mehr geworden.“ Doch für die 60-Jährige stehen immer die Kinder im Mittelpunkt: „Früher wollte ich sie alle retten, mittlerweile weiß ich, ich kann sie alle begleiten. Retten kann ich nur manche.“