Essen. Anders als erwartet fiel der Protest gegen die AfD-Wahlversammlung in der Grugahalle mager aus. Eher stand die Partei sich im Saal selbst im Weg.
„Der Pott ist kein ruhiges Hinterland!“ – Unter diesem Motto hatten fürs Wochenende gleich mehrere Bewegungen gegen Rechts zum Protest gegen die „Alternative für Deutschland“ aufgerufen. Doch der Pott, er ist wohl ruhiger als von manchem erhofft: Während knapp 500 AfD-Delegierte drinnen in der Grugahalle die Liste für die Landtagswahl im Mai aufstellten, fand sich draußen nur ein Bruchteil der erwarteten Demonstranten ein. Die AfD – auch für die Linke im Alltag längst „normal“?
Nein, nein, das mit dem Protest gegen die AfD „ist halt ein ewiges Auf und Ab“, hieß es achselzuckend und entschuldigend mit Blick auf das kleine Häuflein Protestler: Nicht mal zwei Dutzend kamen am Freitagabend, allenfalls 100 der angekündigten 300 tags darauf, weil es, klar, kein Vergnügen ist, sich an einem neblig-kalten Samstagmorgen vor der Messetür die Beine in den Bauch zu stehen. Veranstalter wie Teilnehmer waren merklich enttäuscht und die Ordnungsmacht bemerkenswert überdimensioniert. Sogar aus Niedersachsen waren Kräfte herbeigefahren worden.
Der Landtag – für Essens AfD ein weißer Fleck
Die Essener „Alternative für Deutschland“ zählt nach eigenen Angaben derzeit über 200 Mitglieder und ist mit einer sechsköpfigen Fraktion im Rat der Stadt vertreten.
Im Bundestag wird sie von Stefan Keuter, im Europa-Parlament von Guido Reil vertreten. Im NRW-Landtag dagegen gibt es bislang keinen Abgeordneten.
Die Nominierung der Essener Kandidaten in den vier Landtagswahlkreisen ist noch nicht erfolgt.
Dreieinhalb Stunden Warten auf das erste Nominierungs-Ergebnis
Mehr als die Demonstranten vor der Tür stand sich die AfD in der Grugahalle selbst im Weg, um an diesem und dem kommenden Wochenende ihre Landesliste mit 25 Bewerberinnen und Bewerbern aufzustellen. Probleme mit der nicht korrekt notierten Teilnehmerzahl sorgten dafür, dass erst nach geschlagenen dreieinhalb Stunden der erste Listenplatz vergeben war: Markus Wagner, Fraktionsvorsitzender der AfD im Düsseldorfer Landtag, wird die Partei als Spitzenkandidat in den bevorstehenden Wahlkampf führen.
Rechte Begeisterung mochte dabei nicht aufkommen: Mit 258 von 496 Stimmen landete Wagner nur knapp über dem erforderlichen Quorum, aber AfD-Wahlen sind so zäh. Bis zum frühen Sonntagabend gelang es der Partei in rund 20 Tagungsstunden gerade mal, die ersten elf Plätze der Liste zur Landtagswahl festzuzurren. Essener Kandidaten waren nicht darunter: Das hiesige Vorstandsmitglied Gabriele Graf scheiterte weit abgeschlagen beim Bemühen um Platz 11 – sie bekam nur 37 von 484 Stimmen.
Essener AfD-Chef sieht keine Hinwendung zu extremeren Rechtsaußen-Positionen
Größerer Erfolg wäre womöglich Guido Reil beschieden gewesen, doch der Europa-Abgeordnete der AfD, den einige auch noch im Landtag sehen wollen, möchte allenfalls auf dem einigermaßen aussichtslosen Platz 26 der Reserveliste antreten. Eine symbolische Aktion, die ihm am kommenden Wochenende, an dem die AfD ihre Nominierungsrunde in der Grugahalle fortsetzt, womöglich das Schlusswort einbringt.
Ob es der AfD damit gelingt, „wieder Parteitags-Geschichte zu schreiben“, wie der Essener Kreisvorsitzende Günter Weiß flötete, wird sich zeigen: Weiß, zugleich Ratsherr in Essen, glaubt, dass sich die größte Aufregung um seine Partei längst gelegt habe, und auch der angekündigte Rückzug des Co-Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen werde „auf keinen Fall“ einen Trend der Partei hin zu extremeren Rechtsaußen-Positionen befeuern.
„Die Partei versucht, sich in ein ‚bürgerliches‘ Mäntelchen zu hüllen“
Reil pflichtet ihm bei: Extremere Schlagseite bei der AfD? „Quatsch!“, meint er, während Bündnisse wie „Essen stellt sich quer“ und „Aufstehen gegen Rassismus“ davor warnen, die Partei gebe sich „mittlerweile kaum noch Mühe“, ihre rechtsradikalen Ziele zu verschleiern: „Unverhohlen prahlen AfD-Politiker aus NRW mit ihren Kontakten in die Dortmunder Neonaziszene und verschicken Nazi-Bilder in den sozialen Medien.“ Obwohl als „rechtsextremer Verdachtsfall“ eingestuft „versucht die Partei, sich in ein ‚bürgerliches‘ Mäntelchen zu hüllen“.
Einig sind sich beide Seiten nur darin: Das Bundestagswahl-Ergebnis der AfD fiel eher mager aus. Darum auch ist Guido Reil scharf darauf, in NRW Wahlkampf zu machen. Und für den Landesvorsitzenden Rüdiger Lucassen sind die vor vier Jahren erzielten 7,4 Prozent die Messlatte, „darunter darf gar nichts gehen“.