Essen. SPD-Ratsfrau Julia Klewin ließ bei Twitter einen Tweet los, den sie später löschte. Auch ein anderer Essener Politiker bekam Probleme im Netz.
Wohl fast jeder, der sich offensiv in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter bewegt, ist dabei schon mal übers Ziel hinausgeschossen. Auch die Essener SPD-Ratsfrau Julia Klewin würde sich vermutlich wünschen, einen ganz bestimmten Beitrag auf dem Nachrichtenkurzdienst Twitter niemals verfasst zu haben.
Am 15. September verlor die Essener Sozialdemokratin mutmaßlich in großer Wahlkampf-Hitze die Beherrschung und ließ öffentlich verlauten, CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet sei „wie der etwas aufgeschwemmte Typ an der Bar“, der sich Frauen in sexistischer Weise nähere und im Fall einer Ablehnung dann noch aufs Übelste beleidige.
Ratsfrau bedauert ihre Wortwahl auch vor der SPD-Fraktion
Nun gibt es sicherlich ebenso stillose wie unverschämte Männer, deren Reden und Habitus hier treffend beschrieben wären. Doch die Person Laschet brächten, wenn überhaupt, wohl nur sehr wenige mit einem solchen Verhalten in Verbindung.
Wie es zu diesem faktenfreien Ausfall kommen konnte, darüber kann oder will die Lehrerin denn auch nicht mehr so viel sagen. Klar sei: „Das ist eigentlich nicht meine Art zu reden oder zu schreiben.“ Sie habe den Tweet daher rasch wieder gelöscht. „Und ich bedaure meine Wortwahl“. Auch in der Sitzung der SPD-Ratsfraktion habe sie den Vorgang thematisiert und sich entschuldigt. Letzteres bestätigt ihr Fraktionschef Ingo Vogel.
Damit könnte es sein Bewenden haben, wenn nicht allgemein das Gefühl existieren würde, dass derlei tief ins Persönliche reichenden Aggressionen keine Seltenheit sind – mindestens soweit sich der Wahlkampf im Internet abspielt. Mit dem Löschen allein ist es meistens nicht getan, weil es immer jemanden gibt, der eine Kopie des Vorgangs, einen Screenshot besitzt.
CDU-Fraktionsvize geriet selbst bei Facebook unter Druck - und verbreitete den Ausfall seiner Ratskollegin weiter
In diesem Fall verbreitete der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Dirk Kalweit den Tweet seiner Ratskollegin Julia Klewin weiter. Und zwar weil er selbst auf Facebook unter Druck geraten war und Klewins Tweet als Beleg anführte, dass die Gegenseite ebenfalls alles andere als zimperlich ist.
Kalweit hatte eine boshaft-satirische Verballhornung eines Wahlplakates der Grünen zustimmend verbreitet, in der den Grünen vorgeworfen wird, sie würden durch das Drehen an der Spritpreisschraube Verhaltensänderungen erzwingen wollen. „Bereit, weil ihr dafür bezahlt“, hatten die Plakatmacher dazu einen Grünen-Slogan umgewandelt. Prompt musste der CDU-Mann Vorwürfe einstecken, es mangele ihm an Niveau.
SPD, Grüne und Linke als „Taschendiebe“ – diese Zuspitzung ging vielen viel zu weit
Ein weiteres Plakat, das Kalweit verbreitete, ließ dann richtig die Wogen hochgehen: Dargestellt sind SPD, Grüne und Linke als „Taschendiebe“, vor deren finanzpolitischer Übergriffigkeit der Wähler sich in Acht zu nehmen habe. Die Empörung über diese böse Zuspitzung schaukelte sich hoch, vor allem Essener Sozialdemokraten sahen sich mit Kriminellen in einen Topf geworfen, sodass auch Kalweit schließlich seine Facebook-Posts löschte – zuvor hatte er allerdings, wie erwähnt, noch den Ausfall von Ratsfrau Julia Klewin in seinem Freundeskreis bei Facebook weiterverbreitet.
Kalweit findet nicht, dass beide Vorgänge zu vergleichen sind, schließlich habe er anders als Klewin niemanden persönlich beleidigt. „Ich kann mich noch an die Wahlkämpfe in den 1970er und 1980er Jahren erinnern, in denen es ganz anders zur Sache ging. Wenn im Wahlkampf nicht zugespitzt werden darf, wann denn dann?“ Doch auch Kalweit zog schließlich zurück, weil die Debatte unter seinem Post „immer unsachlicher“ geworden sei. Und das habe er abstellen wollen.