Essen/New York. Der Essener Architekt Frank Heitkamp war Augenzeuge des Terrorangriffs am 11. September. Welchen Entschluss er danach fasste.

  • Eine Reise nach New York: Davon hatte der Essener Frank Heitkamp schon immer geträumt. Anfang September 2001 war es dann endlich soweit.
  • Nur wenige Stunden vor dem Anschlag besuchte der Architekt eine Aussichtsplattform des World Trade Centers.
  • Aus einem Kilometer Entfernung sah er die brennenden Türme. Der Terrorangriff beschäftigt ihn bis heute.

Schon in Studienzeiten hatte sich Frank Heitkamp fest vorgenommen, eines Tages einen Trip nach New York zu unternehmen. Der Essener ist von Beruf Architekt. „Da ist Big Apple ein Muss“. Anfang September 2001 war es dann soweit. Die Reise sollte sein Leben verändern.

Essener Augenzeuge war am Tag vor dem Terrorangriff auf der Aussichtsplattform der Zwillingstürme

Ein volles Programm mit Besuchen und Besichtigungen hatte sich der heute 59-Jährige vorgenommen. Am dritten Tag seines Aufenthalts, am Nachmittag des 10. September, lagen bereits einige Museen hinter ihm, als das World Trade Center auf dem Plan stand. „Ich bin mit dem Aufzug hoch, auf die Aussichtsplattform“, erinnert er sich. Es bot sich ihm ein gigantischer Blick auf die Millionenmetropole und er schoss ein Foto nach dem nächsten. Später sollte noch ein Rundflug über Manhattan folgen.

Für den nächsten Morgen hatte er sich das Guggenheim-Museum vorgenommen. Doch dazu sollte es nicht mehr kommen. Frank Heitkamp hatte gerade Ansichtskarten bei der Post aufgegeben, als er dunkle Rauchwolken über Südmanhattan aufsteigen sah. Dass es sich um die beiden Gebäude handelte, die er vor nicht einmal 20 Stunden zuvor verlassen hatte, „habe ich erst begriffen, als ich noch ein paar Straßen weiter gegangen war“. Was er sah, konnte er nicht fassen, „damals nicht und heute genauso wenig“. Die Bilder begleiten ihn bis heute.

Pures Entsetzen machte sich unter Passanten breit, die alle nicht glauben konnten, was sich da vor ihren Augen abspielte. In den ersten Minuten habe man noch gemutmaßt, es könne sich um ein Unglück handeln, zwei Flugzeuge wären kollidiert und in die Türme gestürzt. Erst als eine Frau ihr Autoradio einschaltete, „war in den Nachrichten von einem Terrorangriff die Rede“.

Deutsche Urlauber und Amerikaner lagen sich weinend in den Armen

Derweil war schon längst von überall Sirenengeheul der Feuerwehren zu hören, „aus den Twin Towers schlugen jetzt riesige Flammen“. Jeder auf der Straße habe sich gefragt, ob die Leute in den Türmen überhaupt eine Chance haben, so Heitkamp, als man plötzlich sah, wie Menschen in ihrer Verzweiflung aus dem Nordturm sprangen. „Es war der reine Horror, der aber noch weitergehen sollte.“ Schon bald folgte ein lautes Grollen und der Südturm stürzte ein, eine halbe Stunde später der Nordturm. „Riesige Staubwolken stiegen auf und verwandelten alles, ob Häuser, Straßen oder die Brooklyn Bridge regelrecht in eine weiße Landschaft“.

Hielt sich Heitkamp zunächst einen knappen Kilometer entfernt von den Zwillingstürmen auf, schien ihm der Ort doch mittlerweile noch zu nah zu sein. Egal wo er hinging, überall standen Menschen, die starr vor Schreck das Geschehen verfolgten. Genauso seien aber auch Schreie des Entsetzens zu hören gewesen. Erlebt habe er zudem Amerikaner, die immer wieder gleiche Frage gestellt hätten: „Warum tut man uns das an.“

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. © FUNKE Foto Services | Eine Reihe von Bildern hat der Essener Frank Heitkamp dem Einsatz der Feuerwehrkräfte gewidmet, von denen 343 bei den Rettungseinsatzen starben. Uwe Möller

Wann er nun wieder in sein Hotel am Central Park ging, vermag er überhaupt nicht mehr zu sagen. Nur zu gut kann er sich stattdessen an die Reiseleiterin erinnern, die erleichtert gewesen sei, „dass ich unbeschadet zurückkam“. Zum Glück war auch anderen aus der Gruppe nichts passiert, wusste sie da schon. „Wir Deutsche waren zu fünft“, sagt Heitkamp. Jetzt nicht ganz allein unterwegs zu sein, habe er da erst recht zu schätzen gewusst. So habe man doch immer wieder mit Landsleuten reden können oder auch einfach schweigend zusammengesessen. Häufig habe man sich aber weinend mit Amerikanern in den Armen gelegen.

Am 11. September hielt es Frank Heitkamp nach einiger Zeit nicht mehr im Hotel aus, wollte raus - ohne festes Ziel vor Augen. Als er durch die Straßen lief gelangte er zu einer Kirche, an der eine Gemeindeschwester die Passanten zum Gebet für die Opfer einlud. „Das war jetzt genau der richtige Ort“.

Den festen Entschluss gefasst, sich für das deutsch-amerikanische Miteinander zu engagieren

Da alle Nachrichtensender pausenlos berichteten, sei das Ausmaß des Terrorangriffs immer deutlicher geworden. „Fassungslosigkeit griff immer mehr um sich.“ Den Urlaub jetzt abbrechen und nach Deutschland zurückfliegen, kam schon deshalb nicht in Betracht, weil für mehrere Tage alle Flieger am Boden bleiben mussten. Eine Stadt im Ausnahmezustand.

Wie so viele andere machte sich auch der Essener mehrfach in den Central Park auf, vor allem um David Ippolito zu hören. Bei den offenen Konzerten des in den USA bekannten Sänger und Songwriters suchten die Menschen Trost und Zusammenhalt. Dass der Anschlag allgegenwärtig war, zeigte sich auch hier: Der Musiker bat darum, sich ins Kondolenzbuch einer nahe gelegenen Feuerwache, für die sein Bruder im Einsatz war, einzutragen, um der verstorbenen Feuerwehrleute zu gedenken.

Als Frank Heitkamp dann am 17. September wieder nach Deutschland zurückflog, vier Tage später als vorgesehen, fasste er den Entschluss, sich für das deutsch-amerikanische Miteinander zu engagieren. „Ich war und ich bin nach wie vor von der Offenheit und der Gastfreundschaft der Menschen derart beeindruckt, dass ich nach diesem Anschlag nicht untätig bleiben wollte.“ Seither gehört er dem Deutsch-Amerikanischen Freundeskreis Niederrhein an, war zwischenzeitlich dessen Vizepräsident. Wenn Gaststudenten aus den USA eine Unterkunft suchten, bot er sich mit seiner Familie an.

Ausstellung zeigt Fotos und Bilder des Essener Architekten

Wie aber mit den Bildern umgehen, die ihn fortan nicht mehr losließen? Malen wird gern auch therapeutische Funktionen zugeschrieben. Heitkamp kam eher per Zufall in Kontakt mit dem Künstler Eugen Bednarek, der gemeinsam mit seiner Frau eine Malschule leitet und ihn ermunterte, doch seine Gedanken in Bildern zum Ausdruck zu bringen. Nachdem bereits 2005 eine kleine Ausstellung zusammenkam, sind es im Laufe der Jahre noch mehr Arbeiten geworden. Sie sind zusammen mit seinen Fotos, die auf der Plattform der Twin Towers entstanden, zwei Wochen auf der Zeche Königin Elisabeth zu sehen.

Zwei Mal kehrte Frank Heitkamp nach New York zurück. Sowohl 2009 als auch 2019 gehörten die Erinnerungsstätten an den 11. September zum festen Programm.

Ausstellung: 11. bis 23. September in der Kleinen Galerie der Zeche Königin Elisabeth in Frillendorf, Elisabethstraße 31-33, montags bis freitags von 16 bis 19 Uhr, nach Vereinbarung auch Besichtigungen mit dem Künstler: frank-heitkamp@arcor.de

Bruchstück aus den WTC-Türmen

Wenige Zentimeter misst das Stück aus den Überresten des World Trade Centers, das die Essener Feuerwehr bekommen hat.
Wenige Zentimeter misst das Stück aus den Überresten des World Trade Centers, das die Essener Feuerwehr bekommen hat. © Unbekannt | Feuerwehr Essen

Es ist ein eher unscheinbares Glasfragment, das in einer der Vitrinen der Essener Feuerwehr seinen Platz gefunden hat. Das Bruchstück gehört zu den Überresten der Zwillingstürme. Wie ist es nun nach Essen gekommen? Der frühere Wachbereichsleiter Franz Pannenbäcker, heute 88 Jahre alt, besuchte 2007 seinen Sohn, von Beruf Polizist, der sich zu einer Hospitation in New York aufhielt. Dabei kamen auch Kontakte zur Feuerwehr der Metropole zustande, und in den Gesprächen war immer wieder vom 11. September die Rede. Alle Feuerwehrwachen hatten bei den Rettungseinsätzen Tote zu beklagen – insgesamt starben 343 Feuerwehrleute. Zum Abschied überreichte der Leiter der Feuerwehr-Akademie seinem Essener Kollegen „eines der wenigen großen Teilstücke, die aus dem World Trade Center geborgen werden konnten“, wie es hieß. Dabei ist selbst das Bruchstück nur wenige Zentimeter groß. Zur Einweihung des neuen Lager- und Logistikzentrums übergab Pannenbäcker das Exponat an die Feuerwehr.