Essen. Ist nach dem Hauskrach vor dem Hauskrach? Der neue Chef des Wählerbündnisses Joachim Kluft will kein „Weiter so“. Aber dann kommt es doch anders.

Sie räumt nach 13 Jahren den Vorsitz des Wählerbündnisses: Brigitte Wawrowsky.
Sie räumt nach 13 Jahren den Vorsitz des Wählerbündnisses: Brigitte Wawrowsky. © FUNKE Foto Services | Julia Tillmann

Wenn schon alle Welt vom Wetter redet – warum nicht kurzerhand auch 13 Jahre Essener Bürger-Bündnis ein bisschen meteorologisch verpacken? Also hebt Brigitte Wawrowsky an diesem Samstag an, von allerlei Gegenwind und stürmischen Zeiten zu erzählen, von Donnerwetter, politischen Nebelphasen und gelegentlichen Zwischenhochs. Eitel Sonnenschein kommt nicht groß vor, und wenn sie als scheidende EBB-Vorsitzende auch die Hoffnung auf ein neues Allzeithoch des Wählerbündnisses nährt – am Ende bleibt von dieser Jahreshauptversammlung doch das dumpfe Missbehagen zurück, da hinten am Horizont, da braue sich wieder was zusammen.

Am Wahlergebnis des neuen Bündnis-Vorsitzenden Joachim Kluft lässt sich das noch nicht zwingend ablesen: 36 von 44 Stimmen dürften dem Unternehmer und EBB-Rasherrn durchaus Rückenwind bescheren. Aber Rückenwind wofür? Auch Kluft ist wie Wawrowsky überzeugt, dass es für das Essener Bürger-Bündnis „kein ,Weiter so’ geben“ darf: Die personelle Unbeständigkeit und der schleichende Erosions-Prozess, Hauskrach auf Hauskrach und „ein sehr enttäuschendes und teils traumatisierendes Wahl-Debakel“, das dem EBB trotz einer teuren Plakatflut nur drei Ratssitze einbrachte, seien Alarmzeichen genug: „Das EBB“, so Kluft, „ist schlicht nicht mehr sexy genug!“

Das immer gleiche Triumvirat im Rat, als Bundestags-Kandidaten, an der EBB-Spitze

Jünger und weiblicher müsse man werden, mehr Zuwanderer in die Arbeit einbinden, das Bündnis brauche neue Leute. Aber es gelte eben auch, nach dem jüngsten Exodus im Norden die noch verbliebenen 113 Mitglieder stärker zu fordern. Statt gegen die etablierten Parteien zu sticheln, richtet sich die Spitze einmal mehr nach innen: Unter vielen Mitgliedern habe sich Lethargie breitgemacht, beklagt Kluft.

Seltsam nur, so findet eine gar nicht so kleine Gruppe von EBB-Mitgliedern, dass das „Bloß-nicht-weiter-so“ von genau jenen propagiert wird, die bis hier hin das Bündnis politisch repräsentieren: Kai Hemsteeg, Wilfried Adamy und Joachim Kluft vertreten das Essener Bürger-Bündnis im Stadtrat, sie sind die drei Kandidaten für den Bundestag und wollen sich an diesem Samstag im Hotel Bredeney nun auch noch als Triumvirat an die Spitze des Bündnisses wählen lassen, Kluft als Vorsitzender, Adamy und Hemsteeg als Stellvertreter.

Drei Ratssitze – „deutlich hinter unseren Erwartungen“

Das Essener Bürger Bündnis wurde im März 2004 als kommunale Wählervereinigung gegründet und vereinte nicht zuletzt enttäuschte Mitglieder anderer Parteien unter einem Dach. Zu ihnen gehörte in vorderster Front der einstige SPD-Ratsherr und spätere Dezernent Udo Bayer und die ehemalige Sozialdemokratin Brigitte Wawrowsky, die jetzt nach 13 Jahren den Vorsitz des EBB räumte.Das Bündnis kann sich zugute halten, das Thema der maroden Stadtfinanzen ganz vorn auf die Tagesordnung der Stadtpolitik gehievt zu haben. Für einige Jahre bestimmte das EBB auch im sogenannten Viererbündnis mit CDU, Grünen und FDP ein Stück Stadtpolitik mit.Bei der letzten Kommunalwahl im Herbst 2020 kam das Bündnis auf enttäuschende 6209 Stimmen und wurde mit diesen 2,9 Prozent nur noch siebtstärkste Kraft im Stadtrat, wo man mit drei Ratsherren vertreten ist. Man sei, so Wawrowskys Nachfolger Joachim Kluft „deutlich hinter unseren Erwartungen zurückgeblieben“.

„Ein völlig falsches Signal und demokratiepolitisch unhygienisch“

„Ein völlig falsches Signal“, findet Helmut Weintögl, sachkundiger Bürger der Fraktion und wortgewandter Sprecher der Unzufriedenen. Er nennt den Schritt „demokratiepolitisch unhygienisch“ und wüsste gern, welche Verantwortung für das schlechte Wahlergebnis und die Krise des Bündnisses die drei bei sich sehen. „Es sieht so aus, als wollten die drei das Wesentliche unter sich ausmachen“ – letztlich ein ,Weiter so’, meint Weintögl. „Dieses Durchregieren hat uns da hingetragen, wo wir stehen.“

Da könnte was dran sein, finden auch andere, doch am Ende stützt eine deutliche Mehrheit Adamy und den Fraktionsvorsitzenden Hemsteeg als Vize: Beide bekommen über 30 Stimmen, die Gegenkandidaten Weintögl und Ex-CDU-Ratsherr Siegfried Brandenburg erreichen nur ein knappes Dutzend. Umso üppiger soll der Kreis der Beisitzer ausfallen, mit nicht weniger als 14 an der Zahl. Viel hilft eben viel, sieht aber seltsam aus, findet Fraktions-Geschäftsführer Hubert Gleixner: Ein 19-köpfiger Vorstand bei 113 Mitgliedern, von denen nicht mal die Hälfte aktiv ist.

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