Essen. Die Uniklinik Essen muss regelmäßig Hochschwangere abweisen und zu den anderen zwei Geburtskliniken schicken. Wie es zu den Engpässen kommt.
Der Hebammen-Mangel sorgt für eine Krisensituation in der Essener Geburtshilfe: Seit Jahresmitte muss sich die Uniklinik immer wieder vom Notdienst abmelden. Der Rettungswagen fährt werdende Mütter dann zu einer der anderen beiden Geburtskliniken der Stadt; auch Frauen, die an der Uniklinik angemeldet waren. „Wir hatten sogar eine hochschwangere Patientin, die mit einer Blutung selbst zur Uniklinik gefahren ist – und von da weitergeschickt wurde“, erzählt ein Essener Frauenarzt.
Dass Hebammen händeringend gesucht werden, ist keine neue Entwicklung: Schon im vergangenen Jahr führte das dazu, dass Frauen an der Kreißsaaltür abgewiesen wurden. Betroffen war vor allem das Krupp-Krankenhaus, das mit 747 im Jahr 2020 die wenigsten Geburten verzeichnete. An erster Stelle lag erneut das Elisabeth-Krankenhaus mit 2877 Geburten. In der Uniklinik waren es rund halb so viele.
Schließung des Marienhospitals Essen riss eine Lücke
Im vergangenen Herbst beklagten Frauenärztinnen, dass die Schließung des Marienhospitals im Norden der Stadt eine Lücke gerissen habe, die nicht leicht zu schließen sei. „Es ist vielmehr so, dass wir lange Zeit eine massive Überversorgung bei der Frauenheilkunde hatten“, widersprach damals der Direktor der Frauenheilkunde und Geburtshilfe an der Uniklinik, Prof. Dr. Rainer Kimmig. Die verbleibenden drei Geburtskliniken könnten die etwa 600 Geburten, die das Marienhospital bis dahin betreut hatte, gut auffangen. Wegen des Fachkräftemangels werde es auch in der Uniklinik mal eng: Den Kreißsaal habe man aber noch nie schließen müssen, betonte Kimmig im November 2020.
Doch seit Mitte 2021, musste auch Uniklinik Kreißsäle dicht machen. „Aktuell haben wir, wie auch andere Krankenhäuser, Personalengpässe bei Hebammen, die sich durch verschiedene Maßnahmen aber bald wieder entspannt haben dürften“, teilt das Haus mit. Und weiter: „In entsprechenden personellen Engpass-Situationen melden wir uns im Sinne der Patientinnen vom Notdienst ab.“ Damit fahren Rettungswagen das Haus nicht mehr an. Wendeten sich werdende Mütter direkt an die Uniklinik, verweise man sie an andere Häuser, „sofern diese nicht akut versorgungspflichtig“ sind.
Schon Ende August die 2000. Geburt im Essener Elisabeth-Krankenhaus
Sie landen dann etwa im Krupp-Krankenhaus, das aktuell „personell gut besetzt ist“, wie Sprecherin Hille Ahuis sagt. Zwar habe sich die Geburtsklinik am 26. August vom Notdienst abgemeldet, doch das sei eine vorsorgliche, auf einen Tag begrenzte Maßnahme gewesen, weil im „Krupp“ an der Hausstromversorgung gearbeitet wurde. Ansonsten weise man Frauen nur in seltenen Fällen ab, wenn zeitgleich sehr viele werdende Mütter kämen.
Im Elisabeth-Krankenhaus ist das Normalzustand: Schon im vergangenen Jahr gab es dort rechnerisch täglich 7,9 Geburten, jetzt bewege sich die Zahl von 8 bis zu 10 am Tag, sagt Sprecherin Dorothee Renzel. Am Wochenende (28./29. 8.) habe es schon die 2000. Geburt in diesem Jahr gegeben. Was wohl auch an der schwächelnden Uniklinik liegt: „Auch zu uns sind Frauen zur Geburt gekommen, die geplant hatten, im Uniklinikum zu entbinden und dort auch zur Geburt angemeldet waren.“
Mit 35 Hebammen und vier medizinischen Fachangestellten ist das Elisabeth-Krankenhaus gut aufgestellt. Und ab Oktober sollen vier Studentinnen der Hebammenkunde/-wissenschaft den praktischen Studienteil am „Elli“ absolvieren. Ungewiss ist jedoch, wie lange man den Teil-Ausfall der Uniklinik ausgleichen kann. Denn Mehrlings, Früh- und andere Risikogeburten wird das Krupp-Krankenhaus in der Regel nicht annehmen: Anders als Uniklinik und Elisabeth-Krankenhaus verfügt es nicht über ein Perinatalzentrum.
Kreißsaal im Uniklinikum soll nach neuem Modell arbeiten
Die Uniklinik, die ihre 13 Hebammenstellen mit Festangestellten und Leiharbeitskräften besetzt hat, sagt, dass sie aktiv um Fachkräfte werbe: „Gerade haben zwei Hebammen aus dem Ausland ihre Anerkennung erhalten, Anfang des Jahres werden zwei Auszubildende übernommen.“ Gleichzeitig muss man offenbar Weggänge verkraften – was mit einer laufenden Umstrukturierung zu tun haben könnte: „Neben den etablierten ärztlich-geleiteten Geburten sollen auch Hebammen-geleitete Geburten angeboten werden.“
Das neue Modell überträgt den Geburtshelferinnen mehr Autonomie – aber auch mehr Verantwortung. Nicht jeder der Festangestellten gefällt das: Nach einer Übergangsfrist soll ihnen offenbar angeboten werden, in einen anderen Bereich (etwa Kinderklinik oder Perinatalzentrum) zu wechseln. Ansonsten möchte die Uniklinik mit Beleghebammen arbeiten, die sich aber wohl fest an das Haus binden sollen, was nicht allen behagt. Laut Uniklinikum gibt es aber nicht nur Unmut, sondern auch Aufbruchstimmung: An einer Infoveranstaltung zum Arbeitsplatz Geburtsklinik nahmen jetzt immerhin fast 40 Interessentinnen teil.