Essen. Der Essener Sportbund steht zum Jubiläum vor einem Wandel. Denn das Sportverhalten verändert sich, Ehrenamtler werden rar. So reagiert der Espo.

Ein ganzes Jahr lang wollten sie feiern. Doch dann kam Corona. So blieb es bei einem Festakt zum 100-jährigen Bestehen des Essener Sportbundes (Espo), am Sonntag im Musikpavillon des Grugaparks. Im Jubiläumsjahr sieht sich der Espo mit ganz anderen Herausforderungen konfrontiert, als damals seine Gründungsväter.

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Im März 1921 kamen Turner, Radsportler, Schwimmer, Leichtathleten und Vertreter der Essener Vereinigung der Deutschen Jugendkraft zusammen, um eine Interessenvertretung zu gründen: den Stadtverband für Leibesübungen. „Es lag in der Zeit“, so Jochen Sander, Vorsitzender des Espo. Auch andernorts organisierten sich aktive Sportler. Die Anfänge des Essener Vereinssport reichen indes weiter zurück. Schon 1842 war das Turnverbot aufgehoben worden, 1844 wird erstmals Turnunterricht am Burggymnasium erwähnt. Mehr als zwei Jahrzehnte zuvor hatten die seinerzeit Herrschenden das Verbot erlassen, um den Nationalstaatsgedanken zu unterdrücken. Sport war auch damals politisch.

Im Stadtrat stellen die Sportpolitiker die größte Fraktion

Der Stadtverband für Leibesübungen wollte den Sporttreibenden eine Stimme geben. Der Verband kandidierte sogar für den Stadtrat und konnte ein Ratsmandat gewinnen. Heute habe er manchmal den Eindruck, dass die Sportpolitiker die größte Fraktion im Rat stellen, merkte Oberbürgermeister Thomas Kufen mit einem Schmunzeln auf den Lippen an. Von der großen Koalition im Sport ist häufig die Rede in der Essener Kommunalpolitik.

Eigentlich wollte der Espo das Jubiläum ein Jahr lang mit verschiedenen Veranstaltungen feiern. Wegen Corona blieb es bei einem Festakt im Musikpavillon des Grugaparks.
Eigentlich wollte der Espo das Jubiläum ein Jahr lang mit verschiedenen Veranstaltungen feiern. Wegen Corona blieb es bei einem Festakt im Musikpavillon des Grugaparks. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Der Espo ist seit je her gut vernetzt in Politik und Stadtgesellschaft. Entscheidungsträger aus Politik und Verwaltung, wie der langjährige Vorsitzende und ehemalige Stadtdirektor Bernhard Görgens, nahmen und nehmen im Stadtverband führende Posten ein, um nur einen von vielen aus der Funktionärsriege zu nennen.

Dies machte es dem Dachverband der 430 Essener Sportvereine leichter, im Fall der Fälle schnell zu helfen, was Espo-Geschäftsführer Thorsten Flügel als eine der wichtigsten Aufgaben des Stadtverbandes beschreibt. So wie nach dem verheerenden Hochwasser an Ruhr und Deilbach im vergangenen Juli, als viele Aktive und Ehrenamtliche mit anpackten, um die ärgsten Schäden zu beseitigen. 113.000 Euro stellte die Stadt den betroffenen Vereinen bislang als Soforthilfe zur Verfügung.

Die Corona-Krise hat der Espo mit „einem blauen Auge“ überstanden

In der Corona-Krise war es der Espo, der Hilfe benötigte. Dank staatlicher Überbrückungshilfen sei der Stadtverband „mit einem blauen Auge davon gekommen“, berichtet Thorsten Flügel. Der Mitgliederverlust sei überschaubar, mittlerweile haben die Sport- und Gesundheitszentren wieder geöffnet. „Die Leute lechzen nach Sport“, so Flügel. Vonseiten der Vereine höre er aber auch, dass es nun, hier und dort an Übungsleitern mangelt. Offenbar ist so mancher dem Sport im Lockdown von der Fahne gegangen.

130.000 Mitglieder in 430 Vereinen

Der Essener Sportbund (Espo) ist Interessenvertretung für 430 Sportvereine mit insgesamt 130.000 Mitgliedern. Der Dachverband des Essener Sports zählt seit seiner Gründung 15 Vorsitzende. Aktuell steht Jochen Sander dem Espo vor. 1975 professionalisierte der Sportverband seine Arbeit und stellte erstmals einen Geschäftsführer ein. Thorsten Flügel ist der nunmehr fünfte Geschäftsführer.Zum 100-jährigen Jubiläum des Dachverbandes überreichte Oberbürgermeister Thomas Kufen dem Vorstand die Sportplakette des Bundespräsidenten. Der Espo ehrte Ursel Flore, die ihr Amt als Budo-Spatenleiterin nach 50 Jahren niedergelegt hat, sowie Wolfgang Rohrberg, der die Geschäfte des Espo 18 Jahre lang geführt hatte, bevor er den Staffelstab 2020 an seinen Nachfolger übergab.

Auch auf Funktionärsebene fehlt es immer öfter an helfenden Händen. Die Bereitschaft, ein Ehrenamt zu übernehmen, sinkt. Es gibt eine gesellschaftliche Entwicklung, die nicht nur der organisierte Sport zu spüren bekommt. Auch wer Sport treiben will, benötigt dafür nicht zwingend einen Verein.

Der Espo will und muss sich diesen Herausforderungen stellen. Thorsten Flügel kann sich sehr wohl vorstellen, dass der Verband für Vereine administrative Aufgaben übernimmt. Denn diese werden inzwischen immer komplexer. Da ist ein Vorstand, der sich mit Datenschutzverordnungen konfrontiert sieht, schnell überfordert. Das Ehrenamt müsse attraktiver werden, sagt Flügel und denkt dabei beispielsweise an steuerliche Erleichterungen. Gefordert wäre dafür allerdings die Steuergesetzgebung.

Der Dachverband selbst will mehr Dienstleister werden. Im kommenden Jahr will der Geschäftsführer auf Regionalkonferenzen hören, was sich die Vereine für die Zukunft wünschen. Das neue Jahrhundert hat für den Espo gerade erst begonnen.