Essen-Kettwig. Rosalie kommt in der Essener Uniklinik viel zu früh zur Welt. Wie die Familie die dramatischen Stunden erlebte und wie es ihnen heute geht.
Rosalies Start ins Leben kam viel zu früh. Fast 13 Wochen hätte sie noch im Schutz des Mutterleibs heranreifen sollen. Doch die kleine Essenerin musste schon vorher per Kaiserschnitt geholt werden – für Mutter und Tochter waren die Wochen rund um die Geburt gefährlich. Mittlerweile sind Mutter Rebecca Kersten und Baby Rosalie wohlauf zuhause in Kettwig. An die dramatische Zeit in der Essener Uniklinik erinnert sich die 41-jährige Mutter nicht gerne, doch dem Team dort ist sie enorm dankbar.
Gefahr durch eine schwere Schwangerschaftsvergiftung
„Ich war natürlich fertig und habe geweint“, sagt Rebecca Kersten über den Tag im Januar 2021, als die Ärzte sie dringend in die Uniklinik baten. „Schon um Weihnachten herum habe ich gemerkt, dass irgendetwas ganz und gar nicht stimmt.“ Sie hatte einen viel zu hohen Blutdruck, Flüssigkeit lagerte sich überall im Körper ab, sie nahm enorm an Gewicht zu. Die Polizistin trug bis dahin Kleidergröße 36, war fit und gesund. Daher konnte sie sich die Veränderungen zunächst nicht erklären.
Für die Ärztinnen und Ärzte war kurz darauf klar – die werdende Mutter muss in der Klinik behandelt werden. Sie litt unter einer Schwangerschaftsvergiftung, so wird umgangssprachlich die Präeklampsie genannt. Ursache der Symptome sind Giftstoffe, die von der Plazenta ausgeschüttet werden. Bei Rebecca Kersten kam es sogar zu den lebensbedrohlichen Formen HELLP-Syndrom und Eklampsie: ihre roten Blutkörperchen zerfielen, die Leberwerte wurden schlechter und die Zahl der Blutplättchen war zu gering.
Dramatische Stunden rund um die Geburt
Die Ärzte versuchten zunächst über Wochen, ihr Blut zu entgiften, um der kleinen Rosalie noch etwas mehr Zeit im Mutterleib zu verschaffen. Doch als sich der Zustand von Rebecca Kersten zunehmend verschlechterte und sich Wasser in ihrer Lunge einlagerte, musste der Kaiserschnitt erfolgen – in der 27. Schwangerschaftswoche. „Rosalie ist unter Vollnarkose geholt worden, irgendwann bin ich auf dem Zimmer wach geworden“, sagt Kersten. Sie erinnert sich nur bruchstückhaft an diesen Tag. Denn schnell kam es zur nächsten dramatischen Komplikation, für eine Notoperation musste Kersten wieder in den OP. Ihre kleine Tochter hatte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesehen.
Das Klinikteam rettete das Leben von Mutter und Tochter, Kersten sah sie in der Nacht das erste Mal auf der Frühchenstation. Rosalie trug eine Mütze auf dem Köpfchen, Kabel und Schläuche führten zu ihrem kleinen Körper. Nur 730 Gramm wog sie am Tag ihrer Geburt, dem 27. Januar 2021. Über drei Monate musste sie in der Essener Uniklinik noch überwacht werden. „Wir sind jeden Tag hingefahren“, sagt Kersten. „Ich war morgens fünf Stunden dort und mein Mann abends.“ Sie lernten, Frühchen Rosalie zu wickeln und zu füttern, kuschelten und sprachen mit ihr.
Eltern helfen in der Essener Uniklinik von Anfang an mit
„Die Eltern sind vom ersten Tag an Teil des Teams, egal wie intensivpflichtig ein Kind ist, die Eltern können sich immer mit kümmern“, sagt Kinderkrankenschwester Margarete Reimann. „Und den Bindungsaufbau hat Familie Kersten bombastisch gemacht.“ Die Kinderkrankenschwester und ihr Team betreuen die Familie auch jetzt noch, einmal pro Woche steht ein Hausbesuch im Kalender. Die Kinderkrankenschwestern wiegen Rosalie, verfolgen wie gut sie trinkt und wie sie sich entwickelt. Rebecca Kersten kann ihnen Fragen stellen und darüber beraten, welche Trinkmengen die richtigen sind.
Bis zu ihrer Einschulung wird Rosalie genau beobachtet und regelmäßig in der Uniklinik untersucht werden. Aktuell überwacht ein Gerät noch ihren Herzschlag, ihre Atmung und die Sauerstoffsättigung. Doch die kritischste Phase ist überstanden und ihre Eltern sind dankbar dafür, dass sie Woche für Woche an Gewicht zunimmt. „Ohne den Rückhalt des Klinikpersonals hätte ich das alles nicht geschafft“, sagt Kersten heute mit Tränen in den Augen über die Zeit, in der das Team alles tat, um Leben von Mutter und Kind zu retten. Und froh ist sie auch, dass Rosalie ambulant weiterversorgt wird.
Bunter Kreis Essen setzt sich für Frühchen ein
Wie Rosalie kommen allein in Essen pro Jahr rund 600 Babys vor dem Ende der 37. Schwangerschaftswoche zur Welt. Auf die Entlassung aus der Klinik werden die Familien vom Team des Bunten Kreises der Uniklinik Essen vorbereitet und auch Zuhause noch besucht. „Wir versuchen, in den ersten beiden Jahren ein behütetes Setting rund um die Frühchen und ihre Eltern zu schaffen“, sagt Margarete Reimann, Kinderkrankenschwester und pflegerische Leitung der Elternberatung Frühstart. Schon in der Klinik bezieht das Team die Eltern mit in die Versorgung der Babys ein und versucht ihnen möglichst viel Sicherheit im Umgang mit den Frühgeborenen zu vermitteln.
Später sind die Hausbesuche wie bei Familie Kersten ein zusätzlicher Halt in den ersten Monaten, die Eltern können Fragen stellen und die Expertinnen haben ein Auge auf die Entwicklung der Babys, im Zweifel können sie sofort Ärzte zurate ziehen. Der Einsatz wird oft von den Krankenkassen finanziert, aber nicht immer. Da die Arbeit des Bunten Kreises nicht kostendeckend durch die Kassen refinanziert wird, ist das Team auch auf Spenden angewiesen. Wer die Arbeit unterstützen möchte, kann das über die Stiftung Universitätsmedizin tun. Zudem beteiligen sich auch bereits mehrere Essener Zahnarztpraxen an der Aktion „Mein Goldstück für ein Goldstück“, dabei können Patientinnen und Patienten Zahngold zugunsten des Bunten Kreises spenden. Mehr Informationen unter stiftung-universitätsmedizin.de